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Der preußische Adler mit Kriegsschäden. Ein symbolhaftes Foto von der Fassade des Berliner Schlosses.

© Stiftung Preußische Schlösser und Gärten

Tagung zum Thema Preußendämmerung: Vom Regen ohne Traufe in die Sch...

Eine Tagung im Museum Barberini will den schwierigen Übergang von der Monarchie zur Republik nach 1918 untersuchen. Die wesentliche Frage: Wie umgehen mit dem preußischen Erbe?

Der in Potsdam lebende Dichter Reinhold Schneider wurde in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu einem Besuch beim letzten deutschen Kronprinzen Wilhelm ins Schloss Cecilienhof eingeladen. Mit ihm kam auch ein nicht genannter Reitergeneral, der, als es um die aktuelle Politik ging, laut und deutlich vermeldete: „Wir sind aus dem Regen unter gänzlicher Umgehung der Traufe direkt in die Sch… gekommen.“

Man schrieb den Sommer des Jahres 1933. Der Kronprinz soll, so Reinhold Schneider, der festen Meinung gewesen sein: „Wenn jetzt das deutsche Volk befragt würde, so würden sich dreiviertel für die Monarchie entscheiden; mir schien es übertrieben.“ Für eine Restauration der Monarchie, die sich die Hohenzollern noch im März 1933 erhofften, war es jedoch zu spät. 

Der ehemalige kaiserliche Generalfeldmarschall und Reichspräsident Paul von Hindenburg konnte dabei nicht helfen. Er setzte Hitler als Reichskanzler ein: eine fatale und unentschuldbare Entscheidung. Die Nationalsozialisten errangen die Macht. An der Haltung des Reitergenerals beim Kronprinzen ist zu erkennen, dass die noch zu übende Demokratie der Weimarer Republik nicht seine Sache war. Kaiser Wilhelm II. war derweil über alle Berge. Resigniert, dass er und seine Familie am 11. November 1918 die kaiserliche Macht abgeben mussten, residierte er im holländischen Exil.

Zehn namhafte Historiker befassen sich mit der „Preußendämmerung“ 

Mit dieser Epoche nach 1918, die sich insgesamt noch an der Demokratie zu üben hatte, beschäftigt am Freitag und Samstag das Symposium „Preußendämmerung“ im Museum Barberini. Organisiert vom Research Center Sanssouci (RECS) der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, befassen sich hierin zehn namhafte Historiker mit der Abdankung der Hohenzollern nach dem Ende des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren – und mit der Auflösung Preußens durch die siegreichen Alliierten des Zweiten Weltkrieges am 25. Februar 1947.

Jürgen Luh, der Direktor des RECS, hat die Veranstaltung konzeptionell vorbereitet. Er erhofft sich von ihr eine impulsgebende Bestandsaufnahme, bei der aber auch gefragt werden soll, wie wir Heutigen mit dem preußischen Staat und seiner Dynastie umgehen sollen – mit den Idealen und Werten, die der Hohenzollernstaat verkörperte, mit den Erfolgen und Irrungen sowie mit dem materiellen Erbe von Staat und Herrschaft. „Gerade wir von der Stiftung, die das Erbe der Hohenzollern verwalten und in die Öffentlichkeit bringen, sollten immer wieder einen neuen, wägenden Blick auf dieses Kapitel deutscher Vergangenheit blicken“, sagt Luh. Er ist promovierter Historiker und war bei der großen Friederisko-Ausstellung zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen 2012 federführend beteiligt. Schon damals zeigte er, dass er sich leidenschaftlich engagiert dem Thema Preußen und seine Herrscher widmet.

Was geschah mit dem Erbe Wilhelms II.?

Anknüpfend an die Sonderausstellung „Kaiserdämmerung“, die noch bis zum 11. November im Neuen Palais zu sehen ist, wird mit der zweitägigen Veranstaltung der inhaltliche Bogen, von der Abdankung der Hohenzollern zum Ende Preußens, noch weiter gespannt. Mit dem Thema „Der lange November der Revolution. Deutschland an der Wegscheide zwischen Monarchie und Republik“ wird sich Alexander Gallus von der Technischen Universität Chemnitz beschäftigen. Den Umgang Wilhelms II. mit seinem Erbe nach 1918 nimmt Benjamin Hasselhorn von der Stiftung Luthergedenkstätten in den Blick.

Die Berliner Historikerin Kirstin Buchinger wendet sich einem ähnlichen Kapitel der kaiserlichen Abdankung zu. 1919/20 gelangten insgesamt 59 Eisenbahnwaggons mit „Umzugsgut“ in das Exil-Schloss des einstigen Kaisers ins niederländische Doorn. Wesentlich daran beteiligt war der Kunsthistoriker Paul Seidel (1858–1929), Direktor des Hohenzollernmuseums in Berlin und exzellenter Kenner der preußischen Kunstgeschichte. Er war nach der Ausrufung der Republik 1918 beauftragt worden, die Wünsche des Kaiserpaares nach Überführung von Kunstschätzen vor allem aus der Lieblingsresidenz, dem Neuen Palais, zu realisieren. Kirstin Buchinger untersucht den Loyalitätskonflikt, in dem sie Paul Seidel sieht: Zwischen Hohenzollern und Republik.

Es darf zugespitzt und provokativ diskutiert werden 

Was wurde eigentlich aus den Hofbediensteten nach 1918? Das fragt RECS-Mitarbeiterin Truc Vu Minh. Die vielen Lakaien, Zofen und Köche des Hofes waren Ende 1918 arbeitslos. In Zeitungen wurden immer wieder Annoncen aufgegeben, in denen sich „saubere Diener“ zwecks neuer Stellung anpriesen.

Und wie nun umgehen mit dem preußischen Erbe? Dies bleibt die wichtige Frage heute. Zum Abschluss der Tagung wird eine Podiumsdiskussion versuchen, ihr auf den Grund zu gehen. Auch Hartmut Dorgerloh, Generalintendant des Humboldt-Forums, ist dabei. „Es darf zugespitzt und provokativ diskutiert werden“, sagt Jürgen Luh. „Eine verzerrende Dämonisierung der Person Wilhelms II. wird sicherlich nicht stattfinden.“ 

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Die Tagung „Preußendämmerung“ 26. ujnd 27. Oktober im Museum Barberini ist bereits ausgebucht. Die Schau „Kaiserdämmerung“ ist noch bis 11.11. im Neuen Palais zu sehen.

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