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Gesa Ziemer, Direktorin des CityScienceLabs der HafenCity Universität, (l.) und Jutta Götzmann, Direktorin des Potsdam Museums.

© Manfred Thomas

Tagung im Potsdam Museum: Wie können Stadtmuseen offener werden?

Bei der Tagung „Smart Cities – Smart Museums?“ im Potsdam Museum wird heiß diskutiert - und die Bedeutung von Sammlungen hinterfragt. 

Von Helena Davenport

Potsdam - Mit den Blockbustern ist Schluss! Da waren sich Paul Spies, Museumsdirektor der Stiftung Stadtmuseum Berlin sowie Chefkurator des Humboldt Forums, und Tilmann von Stockhausen, Direktor der Städtischen Museen Freiburg, am Donnerstagvormittag im Potsdam Museum einig. Stockhausen ging noch einen Schritt weiter: Ausstellungen für die Masse, solche mit enormen Besucherzahlen, würden den Museumsbetrieb durcheinanderbringen. Im Rahmen der Tagung „Smart Cities – Smart Museums?“ diskutierten die beiden Museumsexperten am Donnerstag zum Thema „Sammeln und Ausstellen im Digitalen Zeitalter“.

Doch was genau hat sich auf diesem Gebiet eigentlich verändert? Früher hätten lediglich die Objekte im Fokus gestanden, sagte Spies, heute wisse er: Man will die Geschichten dazu. Ebendiese müsse man erzählen, allerdings nicht selbst. Nicht aus einer einzigen Perspektive heraus, und schon gar nicht – so das schlimmste Szenario, das der Niederländer in seinem vorangegangenen Vortrag beschrieben hatte – allein aus der Perspektive eines einzelnen weißen Europäers. Sein Vorschlag, der bereits bei den Planungen zum Humboldt Forum Anwendung findet: Verschiedene Akteure sprechen lassen, Experten versammeln, netzwerken. So könne man auch die Tiefe hinsichtlich der Wissensvermittlung retten, gleichzeitig Diversität schaffen, und verschiedene Besuchertypen ansprechen: „Wir brauchen unterschiedliche Eingänge, um unterschiedliche Gruppen zu bedienen.“ Bekanntlich rennt man Stadtmuseen gegenwärtig nicht die Tür ein.

Wenn das Ökosystem funktioniert, können die Geschichten erzählt werden

Da war es also wieder: das alles entscheidende Netzwerk. Den Besuchern der dreitägigen Tagung, die heute endet, klingelten wahrscheinlich schon hier die Ohren. Gesa Ziemer, Direktorin des CityScienceLabs der Hamburger HafenCity Universität, hatte es am Abend zuvor als erste Vortragende hervorgehoben, in einer späteren Diskussionsrunde tat sie es dann noch einmal: Das Ökosystem muss funktionieren. Und es sei doch überall so – am Massachusetts Institute of Technology, mit dem das CityScienceLab kooperiert, frage auch niemand nach ihrem Studienabschluss (Philosophie übrigens), stattdessen würde die erste Frage lauten: Wen kennst du?

Außerdem verwies Ziemer auf die Kernkompetenz von Museen und Kuratoren. Gerade sie könnten doch Zusammenhänge von heterogenen Objekten herstellen. Und ebendas sei nun mehr denn je gefragt. Kirsten Haß, Verwaltungsdirektorin der Kulturstiftung des Bundes, betonte daraufhin, dass in den Stadtmuseen die Sammlungen zu sehr im Vordergrund stünden. Das Leben der Menschen innerhalb der jeweiligen Stadt müsse zentraler werden. Birgit-Katharine Seemann, Potsdams Kulturamtsleiterin, und Gastgeberin Jutta Götzmann, Direktorin des Potsdam Museums, die beide ebenfalls in der Diskussionsrunde am Mittwochabend saßen, hatten immer wieder die Bedeutung der Sammlungen angesprochen. „Wir können nicht sagen, wir sind nur ein Zukunftslabor, sondern wir haben auch unsere Sammlungen“, hatte Seemann beispielsweise gesagt. Und Götzmann hob hervor, dass diese für die Museumsarbeit grundlegend seien.

Das Museum als Datenproduzent

Diese Beharrlichkeit, die beide Potsdamerinnen doch etwas alt aussehen ließ, war auch Reaktion auf die von Ziemer vorgestellten digitalen Strategien, mit denen Kultur zugänglicher gemacht wird, auch erfahrbarer und mit anderen Menschen teilbar. Mit Geocaching etwa, einer digitalen Schnitzeljagd, können Museum und Stadt zu einem Raum werden. Man müsse das Museum als Datenproduzenten sehen, sagte Ziemer, und die Frage stellen: Wofür liefert es Daten? Ziemer nannte einige Exempel aus dem öffentlichen Raum, etwa das Projekt „SmartSquare“, das die Hamburger Hammaburg wieder erlebbar macht und zwar mittels Augmented Reality. Hier wird die Realitätswahrnehmung erweitert, das bekannteste Beispiel ist das Smartphone-Spiel „Pokemon Go“. Oder das Teamlab in Tokio – hier gehen die Besucher in interaktiven Räumen auf Entdeckungsreise. Diese Räume hätten keinen Inhalt, machte Ziemer deutlich. Dennoch sei radikales Denken – selbst wenn das Ergebnis dann anders aussieht – zielführend.

Anregungen zum Mitmachen, die nachdenklich machen

Bei der Konzeption des Humboldt Forums, das im September 2020 eröffnen soll, würden die Partizipation sowie die digitalen Strategien hierfür von Anfang an mitgedacht werden, sagte Spies in seinem Vortrag. Und gleichzeitig bleibe jede Teilnahme freiwillig. Ob er lokal oder global sei? Diese Frage kann der Besucher gleich zu Anfang der Schau beantworten, oder eben nicht. Locker soll die Atmosphäre sein, gleichzeitig soll die Berliner Stadtgeschichte kritisch aufarbeitet werden. City Marketing habe in einem Stadtmuseum nichts zu suchen, betonte Spies. Verschiedene Themenfelder sollen Rollen einnehmen: Mauerfall, Revolution, das Kunsthaus Tacheles oder der Berliner Chic, verbunden mit der Frage, wo Kleidung herkam und herkommt.

Auch in Potsdam gab es bereits eine Geocaching-Tour für Kinder, in Zusammenarbeit mit der Kinderbuchautorin Caroline Flüh. Dennoch wirkte Götzmanns Aussage, „Das Analoge hat in der digitalen Welt einen großen Stellenwert“, etwas deplatziert. Denn zu digital wurde es auch auf der Tagung selbst nicht. Welche Vision hast du vom Museum der Zukunft? Diese Frage sollten Teilnehmer beantworten. Einen Hashtag auf Twitter hätte man da erwartet, stattdessen gab es Kärtchen aus Papier – schön gestaltet, ja, aber dennoch wenig zeitgemäß. Der Druck herrsche überall, sagte Ziemer, deswegen würden Museen etwas behäbig wirken. Denn gerade Geschichte könne auch mit digitalen Mitteln erzählt werden.

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