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Das Team vom Literaturbüro vor der Villa Quandt: Peter Walther, Katarzyna Zorn und Hendrik Röder (v. l.)

© A. Klaer

Szenische Lesung in der Villa Quandt: Zärtlichkeit, maskiert als Hochmut

Das Brandenburgische Literaturbüro  erinnert an den großen polnischen Dichter Witold Gombrowicz, der bis heute provoziert.

Große Autoren werden von ihren Ländern verehrt, großartige Autoren werden von ihren Ländern verachtet. So steht es auch um den laut Olaf Kühl „bedeutendsten polnischen Autor des zwanzigsten Jahrhunderts“. Kühl ist studierter Slawist und deutscher Übersetzer der Arbeiten Witold Gombrowiczs.

Zu Beginn der szenischen Lesung in der Villa Quandt führt er am Dienstag kurz und bündig in dessen Leben und Werk ein: 1904 im damals noch russischen Kaiserreich im polnischen Landadel geboren, Jurastudium, Reise nach Argentinien, die wegen des zweiten Weltkriegs zum Exilaufenthalt wurde. Dort Arbeit als Angestellter einer Bank, verarmt, 1963 dank des Ford-Stipendiums, das gleichzeitig mit ihm auch Ingeborg Bachmann bekam, Aufenthalt in Berlin, anschließend Südfrankreich. Dort 1968 Hochzeit mit seiner zwanzig Jahre jüngeren Frau und 1969 Tod in Folge einer Asthmaerkrankung. Soweit die Fakten.

Es folgt die szenische Lesung von Auszügen aus dem 1938 in Polen und 1960 in Deutschland erschienenen Roman „Ferdydurke“ mit den Schauspielerinnen Eliza Natalia Fort und Dominika Otlewska-Dräger unter der Regie von Hans-Jürgen Hannemann und mit musikalischer Begleitung von Mustafa Eldino. Die beiden polnisch-stämmigen Schauspielerinnen lesen den Gombrowicz’schen Text mit wenigen Requisiten und zurückhaltender Kostümierung auf zwar manchmal holprige, aber unbedingt charmante Art und Weise, indem sie die absurden und komischen Momente seiner Verfasstheit herausstellen: „Warum lieben wir ihn?“, rufen sie im Chor – „Weil er ein großer Dichter war!“, und inszenieren damit Gombrowiczs Kritik an dem offizielle Lesarten vorgebenden Literaturbetrieb Polens seiner Zeit.

Die Ambivalenz zwischen Gombrowicz und Polen

Bis heute bleibt das Verhältnis zwischen Gombrowicz und Polen ein ambivalentes: Im Kommunismus unerwünscht, mitunter verboten, dann wieder neu aufgelegt, ist er jüngst aus dem polnischen Schulkanon entfernt und nach großen Protesten zumindest in Auszügen wiederaufgenommen wurden. Wobei, so die Moderatorin des Abends, Katarzyna Zorn, vom Brandenburgischen Literaturbüro, unklar ist, ob dieses Wegfallen aus dem Kanon nicht von Vorteil für die Gombrowicz-Rezeption ist, da sich die Auflage nach dem Ausschluss aus dem Kanon verdoppelte. Gerade die Literatur, die von Verboten bedroht und nicht offiziell verordnet wurde, war schon immer begehrter als jene, die im Schulunterricht durchexerziert wurde.

Aus dem Kanon gefallen

Vom komplizierten Verhältnis des Dichters zu seiner Heimat weiß auch die anwesende Zeitzeugin Susanna Fels zu berichten, die gemeinsam mit Uwe Johnson, Max Hölzer und Ingeborg Bachmann zum Berliner Kreis des Dichters gehörte und darüber hinaus Bekanntschaften zu Marcel Marceau und Henry Miller unterhielt: Zwar ist Gombrowicz aus dem Kanon gefallen, dennoch richtete ihm der Staat Polen ein Museum in seinem ehemaligen Wohnhaus ein. Diese Ambivalenz ist auch einer der Gründe, weshalb der Veranstalter der Lesereihe „Lesezyklus – Lektury“, in deren Rahmen die Veranstaltung stattfindet, der Berliner Verein ostPunkt e.V., Gombrowicz in sein Programm aufgenommen hat.

Den Abend beschließt Kühl mit einer Bemerkung, die Ingeborg Bachmann nach dem Aufeinandertreffen mit Gombrowicz notierte: „In ihm war eine große Güte, eine Zärtlichkeit, die maskiert war als Hochmut.“

 Nächster Gast in der Villa Quandt, Große Weinmeisterstraße 46/47: Monika Maron liest am Sonntag, den 30. September um 11 Uhr aus "Munin oder Chaos im Kopf". Es moderiert Hendrik Röder. Karten unter 0331 – 2804103. Eintritt 10/erm. 8 Euro

Christoph H. Winter

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