zum Hauptinhalt
Sven Stricker, der im nordfriesischen Tönning geboren wurde und im Ruhrgebiet aufwuchs, lebt seit 2009 in Potsdam.

© Magdalena Höfner

Sven Stricker für Grimme-Preis nominiert: „Angst ist ein Thema unserer Zeit“

Der Potsdamer schätzt seine Chancen als gut ein. Als Stricker von der Nominierung erfuhr, war die Stimmung aber gedrückt. 

Eigentlich hätte es eine große Freude für Sven Stricker sein sollen: Die Verfilmung seines Romans „Sörensen hat Angst“ in der Regie von Bjarne Mädel ist für den diesjährigen Grimme-Preis in der Kategorie Fiktion nominiert. Doch als ihn die Nachricht erreichte, war die Stimmung gedrückt. „Ich habe es an dem Tag erfahren, an dem Russland den Krieg gegen die Ukraine begonnen hat“, sagt er. Da sei es schwer gewesen, sich zu freuen, obwohl ihm klar sei, „dass nicht viel über den Grimme-Preis geht“.

Tatsächlich gilt die Auszeichnung als bedeutender deutscher Medienpreis, und sie würde den bisherigen Erfolg von Kommissar „Sörensen“, der unter einer Angststörung leidet und im fiktiven friesländischen Katenbüll Verbrechen aufklärt, weiter fortsetzen. 

2021 wurde der Film mit dem Deutschen Fernsehkrimipreis, dem 3sat-Publikumspreis und zweimal mit dem österreichischen Filmpreis Romy für das beste Drehbuch und den besten Film geehrt. Chancen auf den Grimme-Preis scheinen also gegeben, doch Stricker bleibt bescheiden: „Allein die Nominierung ist kaum zu fassen, wenn man bedenkt, dass das mein erstes Drehbuch ist.“

Stricker mag die „Schönheit und Sortiertheit“ Potsdams

Einen Namen gemacht hat sich der 51-Jährige, der im nordfriesischen Tönning geboren wurde und im Ruhrgebiet aufwuchs, bislang vor allem als Hörspielregisseur und -autor. Mehrfach gewann er den Deutschen Hörbuchpreis, zuletzt 2014 mit einer Bearbeitung von Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“. 

2009 zog Stricker nach Potsdam, dessen „Schönheit und Sortiertheit“ er mag, auch wenn er aktuell dafür wenig Zeit habe. Nicht nur ein vierter „Sörensen“-Roman soll im Frühjahr 2023 erscheinen, auch an einem Drehbuch für den zweiten „Sörensen“-Film arbeitet er. Hinzu kommen mehrere Hörspiel-Regiearbeiten und weitere Lesungen. 

[Was ist los in Potsdam und Brandenburg? Die Potsdamer Neuesten Nachrichten informieren Sie direkt aus der Landeshauptstadt. Mit dem Newsletter Potsdam HEUTE sind Sie besonders nah dran. Hier geht's zur kostenlosen Bestellung.]

In Potsdam, das also einen Ruhepol für den Künstler darstellt, schrieb Stricker auch seinen ersten Roman „Schlecht aufgelegt“, der 2013 im Rowohlt Verlag erschien und aus einem selbstgeschriebenen Hörspiel entstand.

Ebenfalls aus dem Hörspiel-Universum kommt schließlich auch die Filmvorlage. Der Roman „Sörensen hat Angst“ wurde 2015 veröffentlicht, und seine Hauptfigur würde es ohne den Schauspieler Bjarne Mädel so nicht geben. Stricker, den seit vielen Jahren Freundschaft und Arbeit mit Mädel verbindet, hatte ursprünglich eine Hörspielfigur auf diesen zugeschnitten, weshalb auch der Roman-„Sörensen“ in Aussehen und Art dem Schauspieler gleicht. 

Der Krimi fand so viel Anklang, dass es 2018 weiterging mit „Sörensen fängt Feuer“ und 2021 ein dritter Band, „Sörensen am Ende der Welt“, erschien. Vor diesem Hintergrund lag es nah, die Figur auch in die Filmwelt zu transportieren. Dabei führte Mädel Regie und spielte auch selbst den Sörensen. 2020 lief er das erste Mal über die Bildschirme.

Ausverkauft sind mittlerweile viele gemeinsame „Sörensen“-Lesungen von Stricker und Mädel, eine eigene Fangemeinde ist entstanden – die Verfilmung ist ein Publikumsliebling. 

Auszeichnung mit der "Romy" in Österreich

Sogar im Nachbarland Österreich bekam „Sörensen“ so viel Resonanz, dass der Film dort ausgezeichnet wurde. Überrascht habe ihn das, sagt Stricker, aber er erklärt es sich so, dass die Österreicher den nordischen Humor und den Dialekt mögen. „Ich glaube, Nordfriesland ist der größte, denkbare optische Gegensatz zu Österreich, vielleicht kommt da die Begeisterung her.“ 

Und schließlich sei das Thema Angst „universell“. Die Figur Sörensen leidet unter einer Angststörung inklusive Panikattacken, die während seiner Ermittlungen in den ungünstigsten Momenten auftreten. Im Buch werden sie durch einen Blick in dessen Inneres und im Film durch Mädels eindringliches Spiel gezeigt. 

Anklang finde Strickers Meinung nach genau das – „das Sichtbarmachen einer Krankheit, die extrem viele Menschen betrifft, ohne dass groß darüber gesprochen wird“. Zugleich befinde sich der Kommissar nicht in einer Opferrolle, sondern sei jemand, „der sich humorvoll und mit ungebrochener Menschenliebe gegen seine Erkrankung stemmt“. 

Nerv der Zeit getroffen

Und weil laut Stricker „Angst ein Thema unserer Zeit ist“, schätzt er die Chancen auf den Grimme-Preis, dessen Gewinner am 31. Mai bekanntgegeben werden, als gut ein.

Doch unabhängig davon, ob er damit richtig liegt, scheint er einen Nerv der Zeit getroffen zu haben, was zum Beispiel auch der Umgang mit psychischen Erkrankungen in Social Media, vor allem Instagram, zeigt. 

Ganze Kanäle widmen sich dem Thema und wollen zur Enttabuisierung von Depressionen, Burnout oder Angststörungen beitragen. Auch die Reaktionen, die der Autor unter anderem bei Lesungen erhält, scheinen das Interesse zu bestätigen. 

„Die beste Rückmeldung war häufig: Das ist das erste Mal, dass ich über meine Krankheit lachen konnte“, sagt er. Darüber habe er sich sehr gefreut, „denn was kann es Besseres geben, um zu heilen? Man muss der Angst den Schrecken nehmen.“ Auch, wenn das angesichts eines Krieges aktuell schwerer sein dürfte – genauso, wie sich einfach zu freuen.

„Sörensen hat Angst“ ist auf Netflix abrufbar. „Sörensen am Ende der Welt“ lesen Sven Stricker und Bjarne Mädel diesen Samstag auf der LitCologne, in Brandenburg ist Stricker erst wieder am 21. Mai im Rahmen von „Brandenburg liest“. In Potsdam ist er am 21. Oktober in der Stadt- und Landesbibliothek zu Gast.

Andrea Lütkewitz

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false