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Filmszene: Als Ivie (l.) ihrer Halbschwester Naomi begegnet, blickt sie anders auf ihre Umwelt als zuvor.

© Weydemannbros

Sommerkino im Waschhaus: Ein Film über Alltagsrassismus

Der Film „Ivie wie Ivie“ zeigt Alltagsrassismus ohne Schwere. Die in Potsdam aufgewachsene Regisseurin Sarah Blaßkiewitz hat diesen selbst oft erlebt.

Potsdam - Dass Geschichten von Alltagsrassismus ohne bedrückende Schwere auskommen, scheint kaum vorstellbar – und doch ist es möglich. Das zeigt das Langfilm-Debüt „Ivie wie Ivie“ von Regisseurin Sarah Blaßkiewitz, das am Mittwoch (28. Juli) beim Kino-Open-Air im Waschhaus Potsdam zu sehen sein wird. 

Jüngst beim Münchener Filmfest für den Förderpreis Neues Deutsches Kino und für den First Steps Award nominiert, erzählt der Film von der jungen Afrodeutschen Ivie (Haley Louise Jones). Diese wird unerwartet mit ihrer bis dahin unbekannten Halbschwester Naomi (Lorna Ishema) und dem gemeinsamen, kürzlich in Senegal verstorbenen Vater konfrontiert. 

Ivie stürzt in eine Identitätskrise 

Die Auseinandersetzung mit dem bisher fremden Teil ihrer Familie stürzt sie in eine Identitätskrise, in der sie beginnt, bislang hingenommene Rassismen zu hinterfragen und sich gegen diese zu wehren. Ob es denn nicht merkwürdig sei, dass Ivies beste Freundin Anne (Anne Haug) sie „Schoko“ nenne, fragt Naomi zum Beispiel eines Tages – und ob Ivie Anne auch „Vanille“ nennen würde? „Ich brauchte die Leichtigkeit, um mich mit dem Thema auseinanderzusetzen“, sagt Blaßkiewitz.

Sarah Blaßkiewitz bei der Premiere in Hannover.
Sarah Blaßkiewitz bei der Premiere in Hannover.

© imago/Future Image

1986 in Leipzig geboren, wuchs sie selbst als Afrodeutsche in Potsdam auf. Und so fließt jene Leichtigkeit durch alltägliche Bilder, Situationen und Darsteller:innen in ihren Film ein, die wirken wie direkt aus dem Leben gegriffen. Ivies Freunde sind liebenswert und hier und da auch etwas verschroben, so wie ihr Ex-Freund Ingo (Maximilian Brauer) zum Beispiel, der sächselnde Solariumbetreiber, der nicht so recht von ihr lassen kann. 

Die Szene erzeugt Fremdscham 

Gleichzeitig ist es aber genau diese realistisch abgebildete Normalität, die Situationen greifbar macht, in denen die Halbschwestern Ivie und Naomi Rassismus erfahren – und das berührt. Wenn Ivie, auf der Suche nach einer Anstellung als Lehrerin, in ihren Vorstellungsgesprächen immer wieder vor allem als potenzielle Lehrerin für Kinder mit Migrationshintergrund in Erwägung gezogen wird und dann doch den Job nicht bekommt oder Naomi auf offener Straße bespuckt wird und anschließend Racial Profiling durch Polizisten erlebt, erzeugt das Fremdscham und macht nachdenklich. 

„Die Rassismen im Film spiegeln mein Leben und das Leben vieler Afro-Deutscher“, sagt Blaßkiewitz. Darum gehören sie zu Ivies Geschichte dazu. Gleichzeitig geht es der Regisseurin aber auch um die Suche nach familiärer Herkunft und Selbstfindung, die ja völlig unabhängig davon ist, ob jemand afrodeutsch ist oder nicht. 

Anfänge als Schauspielerin 

Zum Film kam Sarah Blaßkiewitz als Jugendliche zunächst selbst als Schauspielerin. Bekannt wurde sie durch die erfolgreiche Kinderserie „Schloss Einstein“, in der sie von 2000 bis 2003 die Internatsschülerin Josephine Langmann verkörperte. „Das war eher ein Hobby“, sagt sie. Sie steht heute nicht mehr vor der Kamera. Mit Anfang 20 zog sie nach Berlin, studierte dort an der Beuth Hochschule Audiovisuelle Medien und konzentrierte sich darauf, hinter der Kamera zu arbeiten und Regie zu führen. Es folgten Regiearbeiten für Kurzfilme und Serien. 

Eine davon ist „Druck“, ausgestrahlt im ZDF und eine der wenigen Produktionen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, die Diversität abbildet. Immer noch fehlten nicht-weiße Gesichter im Fernsehen, sagt Blaßkiewitz, und wenn sie auftauchen, dann oft „im Kontext von Fremdheit und Exotisierung und nicht als Nachbar:in, deren Herkunft egal ist.“

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Dass die Schauspielerinnen für ihr Langfilm-Debüt People of Color sein würden, war für Blaßkiewitz auch vor diesem Hintergrund von Anfang an klar. „Ich wollte aus meiner Lebenswelt berichten.“ Das Verletzende am alltäglichen Fernsehen sei nämlich, dass stetig Bilder reproduziert würden, die nicht mehr aktuell seien. 

Und sie meint damit: Die Diversität der Gesellschaft wird nicht thematisiert. Immer noch fahren wohlhabende weiße Deutsche auf dem Traumschiff in vermeintlich exotische Länder, immer noch sind die in Deutschland geborenen Nachbar:innen mit anderer Hautfarbe auf dem Bildschirm die Ausnahme, wird damit der Anschein erweckt, das sei selten. Wird irgendwann – ein genauer Termin ist noch nicht bekannt – Blaßkiewitz' Film im „kleinen Fernsehspiel“ im ZDF ausgestrahlt, wird er jedoch jene starren Muster durchbrechen. Der Wunsch nach neuen Formaten sei durchaus vorhanden, sagt Blaßkiewitz.  

Wenn nun „Ivie wie Ivie“ im Rahmen einer Kinotour durch Deutschland im Waschhaus-Kino gezeigt wird, werden auch die aus Potsdam stammende Kostümbildnerin Clara Maria Kirchhoff und Sounddesigner Christoph Kozik anwesend sein. Und für Blaßkiewitz wird der Film an einem sehr vertrauten Ort stattfinden. „Ich bin auf dem Waschhaus-Gelände groß geworden und total verbunden mit Potsdam.“ Als Jugendliche hat sie an der fabrik gespielt hat, ihr Vater Mike Geßner leitet hier den Kunstraum des Waschhauses. Damit ist der Termin nicht nur ein Kinoabend von vielen für die Regisseurin, sondern ein freudiges Heimspiel. 

„Ivie wie Ivie“ läuft am 28. Juli um 22 Uhr im Waschhaus, Einlass 21 Uhr. Karten kosten 10 Euro und können nur im Vorverkauf erworben werden.

Andrea Lütkewitz

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