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Manchmal besuchen Jan-Philipp Sendker seine Figuren in seinem Babelsberger Kiez und fordern so neue Geschichten von ihm ein. 

© Andreas Klaer

Schriftsteller Jan-Philipp Sendker im Porträt: Der Gefühlvolle

Die Romane des Potsdamer Schriftstellers Jan-Philipp Sendkers verkaufen sich millionenfach. Nun ist mit „Das Gedächtnis des Herzens“ der dritte Teil seiner emotionalen Burma-Reihe erschienen.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Etwa eine Stunde dauert es, bis er im Schreibmodus angekommen ist. Musik hilft dabei, von Beethoven oder Mozart. Die Decke anstarren auch, vielleicht ein bisschen im Schaukelstuhl wippen. Jan-Philipp Sendker braucht Zeit und Ruhe, bevor er sich für acht Stunden an den Schreibtisch setzt und seine Geschichten schreibt. Geschichten, die sich millionenfach verkaufen und in mehr als 35 Sprachen übersetzt werden.

So wie seine Burma-Romanreihe, die der 59-jährige Potsdamer in diesem Jahr mit dem dritten Teil „Das Gedächtnis des Herzens“ weitergeführt hat. Bereits zwischen den beiden Vorgängern „Das Herzenhören“ (2002) und „Herzenstimmen“ (2012) lagen mehrere Jahre, bis zum dritten Teil sind nun wieder fünf Jahre vergangen. Dazwischen lagen andere Buchprojekte, ob er überhaupt noch einen weiteren Teil schreiben wollte, war nicht klar. Doch irgendwie hat ihn die Geschichte nicht losgelassen – und dann begegnete ihm die Hauptfigur von „Das Gedächtnis des Herzens“ in einer Art Tagtraum. Damit war klar: Ein neuer Roman muss entstehen. „,Herzenstimmen’ endete sehr offen, ich wollte auch selbst wissen, wie es weiter geht“, sagt Sendker, der trotz seines Erfolges bei jeder seiner Neuerscheinungen Angst vor einem Flop hat. Dabei ist der neue Roman keine direkte Fortsetzung, sondern vielmehr eine thematische Fortführung der Reihe, die auch gelesen werden kann, ohne die Vorgänger zu kennen.

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Sendker kennt Burma sehr gut

Wieder mit dabei ist U Ba, ein älterer burmesischer Herr und Onkel des aktuellen Protagonisten, dem zwölfjährigen Ko Bo Bo. Gemeinsam leben sie im burmesischen Kalaw. U Ba erzählt dem Jungen, der die Gefühle der Menschen in ihren Augen lesen kann, Geschichten und weckt damit die Sehnsucht nach seinen Eltern. Sein Vater kommt ihn nur einmal im Jahr besuchen, an seine Mutter kann er sich nicht mehr erinnern. Als ihm sein Onkel von ihrer Krankheit erzählt, macht er sich auf die Suche nach ihr, im festen Glauben, sie heilen zu können.

Es ist dem Roman anzumerken, dass Sendker sich gut in Burma auskennt. Viele Jahre war er als Journalist tätig, von 1990 bis 1999 Amerika- und Asienkorrespondent für den „Stern“. In Burma war er, auch für den „Stern“, das erste Mal 1995. Seitdem reist er zwei bis drei Male im Jahr dorthin, Land und Leute faszinieren ihn noch immer, die politischen Umbrüche sind ihm vertraut. Auch wenn er die Sprache nicht spricht, sondern immer mit Dolmetscher reist, hat er vor Ort Freunde gefunden. So basiert etwa U Ba auf drei verschiedenen burmesischen Bekannten, einer von ihnen hat Sendker auch schon in Babelsberg besucht. Dort lebt der Autor seit etwa zehn Jahren mit seiner Familie, für seine Romane hat er den Journalismus ganz aufgegeben.

Berührende Geschichten ohne Kitsch

„Ich habe es eine Weile mit einer halben Stelle versucht, aber ich konnte so nicht in die Geschichten hineinfinden“, sagt er. Nicht leicht sei ihm der endgültige Bruch gefallen, vor allem aus finanzieller Sicht, der Familie wegen. Der erste Roman war dann auch eher mittelmäßig erfolgreich, inzwischen stehen seine Bücher regelmäßig auf den Bestsellerlisten. Schriftsteller zu werden sei schon als Jugendlicher sein Traum gewesen, damals habe er nur nicht gewusst, worüber er schreiben soll. „Ich hatte so ein paar Storys über meine Lieben in der Schublade, aber das war nichts“, sagt er und lacht.

Um Liebe geht es auch in seinen jetzigen Romanen, überhaupt um verschiedene zwischenmenschliche Beziehungen. Berührend sind die, philosophisch auch. Kitschig schreibt Sendker allerdings nicht. Weil seine Sprache zwar blumig, aber trotzdem reduziert genug ist. Weil er seine Figuren ernst nimmt, sie individuell zeichnet und Klischees vermeidet. Da kann es schonmal passieren, dass er beim Schreiben selbst emotional wird. „Wenn ich meine Leser zum Weinen bringen möchte, muss ich auch selbst geweint haben“, sagt er und meint das auch so. Er liest selbst gerne emotionale Bücher, vorzugsweise amerikanische Literatur. Delia Owens jüngst erschienenes, tatsächlich sehr lesenswertes Debüt „Der Gesang der Flusskrebse“ habe ihn zum Beispiel sehr begeistert. Das Eintauchen in die Welt eines Sumpflandes und in die Lebenswelt der Protagonisten habe ihn beeindruckt.

Von seinen eigenen Charakteren lasse er sich gerne überraschen. Das Ende von „Herzenstimmen“ habe er zum Beispiel erst gewusst, als es passiert ist. „Ich wusste lange nicht, wie sich die Protagonistin Julia entscheiden wird – weil sie es eben nicht wusste“, sagt Sendker, der immer Stift und Papier zum Notieren von spontanen Ideen dabeihat. Eines weiß er allerdings ziemlich sicher: „Das Gedächtnis des Herzens“ soll der letzte Teil seiner Burma-Reihe sein. Ein weiteres Buch dazu sei nicht geplant, dafür habe er schon wieder neue Ideen. Ein Kinderbuch würde er gerne schreiben und sich nach der aktuellen Lesereise erstmal um seine Familie kümmern. Und genug Energie sammeln für die neuen Geschichten.

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