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Die Schwestern Maria (Maria Dragus) und Hannah (Anna Bachmann) (v.l.) müssen zusammenhalten. 

© W-Film

Schauspielerin Anne Weinknecht stellte "Verlorene" im Thalia-Kino Potsdam vor: Mit badischem Dialekt und zittrigem Lächeln

Ihre Rolle ist klein, doch ungeheuer wichtig: Anne Weinknecht spielt in "Verlorene" von Regisseur Felix Hassenfratz eine Ärztin, die der Film-Story eine Wendung geben könnte. 

Potsdam - Das Lächeln zittert. Kaum sichtbar, aber doch spürbar. Selbst über die Leinwand hinweg ist die krampfhafte Mimikbeherrschung beklemmend greifbar – und oft nur schwer zu ertragen. Dass Felix Hassenfratz’ Debutfilm „Verlorene“ trotzdem und vielleicht auch gerade deswegen ein sanft anrührender Film ist, verdankt er der behutsamen Inszenierung des Regisseurs. Sechs Jahre hat dieser an dem Stoff gearbeitet, wie Schauspielerin Anne Weinknecht am Dienstagabend im Babelsberger Thalia-Kino beim Filmgespräch erzählte. 

Die beiden kennen sich schon lange, sie spielte bereits in Hassenfratz’ Diplomfilm „Der Verdacht“ mit, der 2008 mit dem Deutschen Kurzfilmpreis ausgezeichnet wurde. In „Verlorene“ spielt Weinknecht die Dorfärztin – eine kleine Rolle, aber auch eine, die einen der heikelsten Momente des Films bestimmt. 

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Grausames Familiengeheimnis

In der Szene klingeln die Schwestern Maria und Hannah (herausragend: Maria Dragus und Anna Bachmann) mitten in der Nacht in ihrer Praxis. Maria, die Ältere, hat eine Platzwunde am Wangenknochen. Von einem Sturz, wie sie behauptet. Der Zuschauer kennt zu diesem Zeitpunkt bereits das grausame Geheimnis, das Maria mit sich herumträgt. Seit dem Tod ihrer Mutter hält sie die Familienstruktur aufrecht und beschützt ihre jüngere Schwester. Auch und vor allem vor dem Vater (Clemens Schick), der Maria auch körperlich in die Mutterrolle drängt und sie sexuell missbraucht. 

Erst als der junge Zimmermann Valentin (Enno Trebs) im heimatlichen Dorf auftaucht und Maria Gefühle für ihn entwickelt, bricht diese Struktur auf, die Fassade der jungen Frau bricht zusammen. In genau so einem Zustand des Zusammenbruchs taucht sie bei der von Anne Weinknecht gespielten Ärztin auf, die natürlich sofort den Vater anruft.

Die Dorfgemeinschaft als Falle

„Felix und ich haben viel über diese Szene gesprochen“, sagt die gebürtige Heidelbergerin und Wahlberlinerin. Weil sie viel über die Dorfstrukturen in dem Film verrät. „Natürlich fragt man sich, warum niemand dort etwas mitbekommt und natürlich hätte die Ärztin eine potenzielle Bezugsperson sein können“, sagt Weinknecht. Doch genau hier wird das Dorf zur Falle: die Vertrautheiten untereinander, die lange Bekanntschaft mit dem Vater der Mädchen schließt einen Verdacht aus. 

Weinknecht habe sogar extra ihre Hausärztin zu der Situation befragt: „Sie sagte mir auch, dass sie bei minderjährigen Patienten immer die Eltern, also in dem Fall den Vater anrufen würde.“ Trotz der Kenntnis, dass 80 Prozent der Missbrauchsfälle innerhalb der Familie auftreten – und die Dunkelziffer extrem hoch ist.

Ein Film im badischen Dialekt

Weinknecht ist es wichtig, solche Details auch bei kleinen Rollen wie diesen im Hinterkopf zu haben. Für die Verkörperung der Ärztin lernte sie sogar, eine Intrakutannaht durchzuführen – eine medizinische Naht, bei der sich der Faden knapp unter der Hautoberfläche befindet. Auch die Sprache – „Verlorene“ wurde komplett im badischen Dialekt gedreht – spiele eine große Rolle. „Felix hat bereits das Drehbuch im Dialekt geschrieben“, erzählt die Darstellerin, die derzeit auch in Serien wie „Jerks“ von und mit Christian Ulmen oder „Milk & Honey“ zu sehen ist. „Das hat es leichter gemacht, sich gleich hineinzufühlen.“ Weinknecht übernahm auch das Dialektcoaching der anderen Darsteller, alle hätten es relativ schnell gelernt, wie sie sagt. 


Überhaupt habe sie sehr gerne mit allen Kollegen zusammengearbeitet. Besonders von Anna Bachmann, die hier nach „Ich gehöre ihm“ erst ihre zweite Filmrolle spielt, ist sie sehr begeistert. Und dass Maria Dragus eine vielfältige Darstellerin ist, hat sie bereits in Filmen wie „Tiger Girl“ von Jakob Lass oder „Licht“ von Barbara Albert bewiesen. Ähnlich wie im Letzteren muss sie auch in „Verlorene“ Klavier und sogar Orgel spielen. „Für die Orgelszenen wurde allerdings ein Double eingesetzt“, verrät Weinknecht. Eine gute Organistin zu finden, die von hinten auch noch ein bisschen wie Dragus aussieht, sei gar nicht so einfach gewesen, sagt sie lachend. 

Das zittrige Lächeln, welches sich durch den gesamten Film zieht, gehört aber doch ganz allein Maria Dragus. Und obwohl es am Ende einer hoffnungsvollen Entschlossenheit weicht, hallt es noch lange nach dem Abspann nach. 

>>"Verlorene" läuft noch am 23. Januar um 16.15 Uhr im Thalia-Kino und in verschiedenen Berliner Kinos.  

Sarah Kugler

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