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Roman „Angel“: „Frauen, die etwas ganz Starkes in sich haben“

Die Potsdamerin Bettina Abarbanell hat Elizabeth Taylors vergessenen Roman „Angel“ übersetzt – entstauben musste sie ihn nicht.

Frau Abarbanell, erinnern Sie sich an Ihre erste Reaktion, als Sie „Angel“ gelesen haben?

Ich habe ja schon zwei Bücher von Elizabeth Taylor für den Dörlemann-Verlag übersetzt. Beide sehr, sehr gerne, es ist eine wunderbare Sprache. Hoffentlich, dachte ich, macht Sabine Dörlemann noch ein Buch von dieser Autorin, die zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Und dann rief Sabine an und sagte, sie wolle „Angel“ herausgeben. Ich kannte den Roman bis dahin nicht, hatte auch den Film nicht gesehen. Ich fand das Buch sofort großartig.

Der Film von François Ozon stammt aus dem Jahr 2007, das Buch selbst aber von 1957. Es wurde also erst 50 Jahre später wiederentdeckt?

In England wurde es bereits in den 80-er Jahren neu verlegt und dann noch einmal 2006, weil der Verlag, Virago Press, fand, dass sie nicht so unbekannt bleiben sollte.

Wie kam es zu der deutschen Ausgabe?

Sabine Dörlemann hat Elizabeth Taylor über eine Agentur wieder entdeckt. Sie ist begeistert von dieser Autorin – und steht damit ja nicht alleine. Auch in der Presse gab es hervorragende Kritiken, auch wenn sich das nicht in den Verkaufszahlen niederschlägt. Das ist aber eine der Stärken der Verlegerin: Sie bringt vergessene Autoren und Autorinnen wieder heraus, in der Hoffnung, dass die Bücher im neuen Gewand ihre Leser finden.

Warum waren ihre Bücher bislang kein Erfolg?

Das ist mir eigentlich ein Rätsel. Ich weiß nicht, ob sie zu ihrer Zeit gar keinen Erfolg hatte. Danach aber ist sie jahrzehntelang in der Versenkung verschwunden. Jemand sagte mal, dass sie am bekanntesten dafür sei, unbekannt zu sein. Warum das so ist, finde ich ganz schwer zu sagen. Es wird immer behauptet, es hinge mit ihrem Namen zusammen, weil sie gleichzeitig mit ihrer Namensvetterin lebte, die sie als Hollywood-Schauspielerin so überstrahlte. Ich bin mir nicht sicher, ob das ein guter Grund ist. Ich glaube eher, es ist eine sehr unaufgeregte, stille Literatur, die nicht auf sich aufmerksam macht.

Was macht die Literatur von Elizabeth Taylor in Ihren Augen so großartig?

Zum einen haben ihre Bücher diese feine Ironie. „Angel“ ist davon durchdrungen, das ist ganz wunderbar. Ich musste dauernd schmunzeln, manchmal sogar laut lachen. Auf der anderen Seite ist die Geschichte aber auch sehr anrührend. Was für eine schillernde, tragikomische, tolle Hauptfigur! Die mit 15 gegen ihre ängstliche Mutter und ihre gestrenge Tante rebelliert und die Schule abbricht, weil sie meint, eine große Schriftstellerin zu sein. Und sich mittels ihrer Fantasie aus der Enge der Kleinstadt, des kleinbürgerlichen Lebens, befreien will. Und das glückt auch noch. Nur schreibt sie keine „große“ Literatur, wie sie meint, sondern furchtbaren Kitsch! Das ist herrlich beschrieben. Als Leser ist man zuerst ganz auf ihrer Seite. Im Laufe des Buches wird sie dann immer exzentrischer, auch unsympathischer. Aber Elizabeth Taylor denunziert sie nicht, sie macht die Brüche in ihrer Person spürbar, auch ihre Einsamkeit. Und ich finde, das Buch atmet nicht etwa eine frühere Zeit, sondern vieles könnte sich heute genauso abspielen, gerade was die Verlagswelt betrifft, dem Widerstreit von Kunst und Kommerz.

Auch in der Beziehung zwischen ihr und ihrem späteren Mann wird dieser Widerstreit deutlich.

Ja, das ist auch so ein Bruch. Er steht für die hohe Kunst und sucht sein ganzes Leben lang nach Anerkennung. Während sie überhaupt keine Ahnung von Kunst hat, aber mit dem was sie schreibt, Erfolg hat. Obwohl sie völlig verschiedene Prinzipien der Kunst vertreten, zwischen Scheinwelt und Realität, hoher Kunst und Gebrauchskunst, bleiben sie beide doch letztendlich unglücklich und einsam.

Der Roman hat ja einen sehr frischen Ton – haben Sie die Sprache aus den 50-er Jahren in Ihrer Übersetzung entstaubt?

Gar nicht. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, diesen Roman hätte sie heute auch so schreiben können. Das Staubige an manchen Stellen ist ja Teil des Konzepts, weil Angel in so einer alten Welt gerne leben möchte, einer Welt der Schlösser, Herzöge, Gräfinnen und Kammerzofen. Aber sonst hat das Buch einen ganz heutigen, frischen Ton, und deswegen glaube und hoffe ich auch, es könnte viele Leser finden. Es ist eine zeitlose Sprache – wie bei „The Great Gatsby“, den ich auch neu übersetzt habe. Da kann man sich einfach an die Hand nehmen lassen von dem, was da steht.

Thematisch erinnern mich ihre Romane an Jane Austen.

Es wird oft behauptet, Elizabeth Taylor sei die modernere Jane Austen. Aber ich weiß nicht, was man damit anfangen kann. Sie steht schon sehr für sich. Es ist Literatur, in der Frauenschicksale beschrieben werden und die zeigt, wie man sich als Frau in einer Gesellschaft, die von Männern dominiert war, trotzdem behaupten kann.

Das war auch Elizabeth Taylors eigenes Leben?

Das hat sie selber versucht. Sie war zu Hause als Privatlehrerin, hatte mehrere Kinder. Ihr Mann war Schokoladenfabrikant. Sie hat mal beschrieben, wie sie oft beim Bügeln ihre Geschichten weitergesponnen und gleichzeitig Fragen ihrer Kinder beantwortet hat. Auch ihre anderen Bücher handeln von Frauen, die etwas ganz Eigenes, Starkes in sich haben ohne etwas „Großes“ zu erleben und ohne zu Ruhm zu kommen, wie es Angel ja immerhin gelingt. Oft spielen sie in einer Kleinstadt, wie „Blick auf den Hafen“ etwa – eine in sich geschlossene Szenerie also, aber immer mit einer Ahnung eines weiteren Horizonts.

Ist Ihnen die Übersetzung eigentlich leicht gefallen?

Literatur auf dieser Höhe ist nie leicht zu übersetzen. Aber es ist eine sehr schöne Aufgabe. Man kann so viel mit der Sprache machen – der Ton ist entscheidend, die Dialoge müssen stimmen, der Rhythmus, das Tempo. Da geht sehr viel übers Gehör. Manche Texte liegen einem als Übersetzer sofort, andere sind in sich so fein, dass man länger hinhören muss. Es gibt auch Literatur, die sich einem widersetzt, die hakt und stakt. Das geht mir mit Elizabeth Taylors Büchern nicht so. Meine Erfahrung ist: Je besser ein Buch geschrieben ist, desto besser übersetzt es sich auch. Weil es dann leichter fällt, in den Text einzutauchen und wie auf einer Welle mitzuschwimmen.

Das Gespräch führte Grit Weirauch

Elizabeth Taylor: Angel.

Der Roman von 1957 erscheint in der deutschen Übersetzung von Bettina Abarbanell am 12. Februar im Dörlemann Verlag,

25 Euro

Bettina Abarbanell, 1961 in Hamburg geboren, arbeitet als Übersetzerin in Potsdam. Sie hat bereits Werke von Jonathan Franzen, Denis Johnson und F. Scott Fitzgerald übersetzt.

Grit Weirauch

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