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Das Potsdamer Komponistenduo „Brueder Selke“ hat das Q3Ambientfest vor vier Jahren begründet.

© promo/M.K. Tachibana

Q3Ambientfest in Potsdam: Pragmatismus und Sinnesschärfung

Die Potsdamer Musiker Sebastian und Daniel Selke richteten das Festival 2017 erstmals aus. In diesem Jahr findet es zum zweiten Mal digital statt.

Potsdam - Hypnotisch, mystisch, experimental nennt die in Berlin lebende Musikerin Laure Boer ihre Musikwelten. Ihr Instrumentarium: Von Elektronik bis zu traditionellen vietnamesischen Instrumenten. Ihr Programm: „Mystical Rituals“ und „Witchtronic“. Am Samstag ist sie in Potsdam zu Gast und tritt beim Festival Q3Ambientfest auf. Als einziger real anwesender Teilnehmer neben den Kuratoren, den Potsdamer Musikern Sebastian und Daniel Selke, die das Festival 2017 begründeten

Ein Treffpunkt für die wachsende experimentelle Musikszene, die sich an nichts kettet und alles zulässt und dabei vor allem die Sinne schärfen will – für neue, meist reduzierte und von allem Schnickschnack befreite Musik, die das Hören auf die Musik, aufeinander und nach Innen schärfen soll.

Zum zweiten Mal digital

Das als Experiment gegründete Event wuchs, 2019 kamen bereits mehr als 1000 Besucher. Nun findet es zum zweiten Mal umständehalber als digitales Format statt. Alle Musikbeiträge laufen als Videos, die bei den Protagonisten zu Hause oder im Studio aufgenommen wurden. Einzig Laure Boer und die „Brueder Selke“, wie sie sich jetzt nennen, spielen im Livestream aus der Fabrik. 

Auch ein Experiment: Sie kennen sich nur vom Hören, es wird jetzt die erste Begegnung auf der Bühne werden. „Wir spielen eine Improvisation, die auf einem schwingenden Ton gegründet ist und aufbaut, den Laure auf dem Ðàn bâu, der vietnamesischen Kastenzither, spielt“, sagt Sebastian Selke, Cellist des in der wachsenden Szene erfolgreichen Potsdamer Duos Ceeys, von dem es mittlerweile mehrere Alben gibt.

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Bruder Daniel Selke ist Pianist, beide leben die Musikszene der neuen Leichtigkeit in einer sehr offenen, reduzierten Art. Alles geht, nichts muss, jeder darf mitmachen. Sie wollen sich und andere von der Vorstellung befreien, dass man zum Musikmachen zwingend bestimmte Voraussetzungen wie eine Ausbildung oder ein Studium braucht. Dieser Gedanke enge die Kreativität ein. Sebastian und Daniel haben das am eigenen Körper erlebt. 

Aufgewachsen in Ost-Berlin

Sie wuchsen in einer Plattenbauwohnung in Ost-Berlin auf. Wer hier Musik machte, bespielte immer auch die Nachbarn. Und doch haben sie damit angefangen. Und dabei gelernt, ihre Umwelt wahrzunehmen und in ihren kreativen Prozess einzubeziehen. Naturgeräusche. Echos. Stille. Einzelne Töne. „Wir haben damals gelernt, mit wenig auszukommen“, sagt Sebastian, „das hilft uns jetzt in der Krise: Die erzwungene Beschränkung, dass man nicht live und gemeinsam spielen kann, sehen wir als Herausforderung“. 

Und in gewisser und irgendwie absurder Weise verkörpert das Musikstreamen aus dem Heim- Studio oder Wohnzimmer genau die Gemütlichkeit und Intimität, die sie sonst künstlich auf der Bühne zu produzieren versuchten.

14 Musiker und Produzenten sind zu hören

Das Q3Ambientfest, benannt nach einem DDR-Plattenbautypus, präsentiert insgesamt 14 Musiker und Produzenten aus aller Welt. Darunter David Allred, Multiinstrumentalist aus den USA, die finnische Solokünstlerin Lau Nau, die für ihre Klanginstallationen international bekannt ist. Zu hören gibt es weiterhin „wortlose Gesänge“ von der polnischen Filmmusikkomponistin und Cellistin Resina, sphärisches Crossover von Elektro, Klassik und Orient vom Duo Melodilalia; Klavier und Elektro vom ungarischen Komponisten Tamás Vághy, aus London schaltet sich der Klangkünstler Ell Kendall dazu und aus Brighton die Musikerin Mara Simpson. 

Losgelöst, unverbindlich aber eben doch da: das passt zum digitalen Festivalkonzept. „Wir werden eben noch mehr aufeinander hören müssen“, sagt Sebastian, aber das ist eigentlich genau das, was sie wollen.  

Q3Ambientfest ab Freitag bis Sonntag. Infos auf https://q3ambientfest.com/

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