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Das Poetenpack hat sich für die „Odyssee“ Laiendarsteller mit ins Boot geholt. Den mythischen Stoff haben diese um persönliche Geschichten erweitert.

© promo

Potsdamer Poetenpack feiert Bürgerbühnen-Premiere: Die Reise ist das Ziel

Mit großer Spielfreude feiert die Poetenpack-Bürgerbühne ihre erste Premiere und zeigt mit „Odyssee“ eine Geschichte über Heimat, Ankommen sowie Familie. 

Potsdam - Ungewöhnlich akrobatisch beginnt die „Odyssee“ beim Theater Poetenpack. Eine junge Frau, mit Brille, geflochtenen Zöpfen und Rollschuhen an den Füßen schlägt unversehens auf der Bühne ein Rad. Kurz darauf ruft sie „Mama“ und fällt dieser sogleich um den Hals. Erst da bemerkt man, dass diese artistische Einlage noch gar nicht zur Inszenierung gehört, sondern von der Protagonistin mit Down-Syndrom mal eben so aus Lust und Laune auf die Bretter, die die Welt bedeuten, gestellt wurde.

Am Freitagabend kam die erste Inszenierung der inklusiven Bürgerbühne, die das Potsdamer Poetenpack in diesem Jahr ins Leben gerufen hat, im lauschigen Q-Hof zur Premiere. Und siebzig Minuten lang standen sechzehn sehr verschiedene Schauspieler auf der dortigen Bühne, welche rund um einen Baum gebaut ist: junge und alte, kleine und große, kräftige und schlanke, Menschen mit und ohne Behinderung, neben Geflüchteten und Alteingesessenen.

Sie alle eint die Lust am Theaterspielen. Das ist von Beginn an zu spüren, denn schließlich haben sie viele Probenwochen, mehrere Wochenenden und eine ganze Endprobenwoche gemeinsam hinter sich gebracht, um dort oben zu stehen und als Gefährten des listenreichen Odysseus zwei Jahrzehnte unterwegs zu sein. Wenn sie nicht als weißgekleideter Chor im Hintergrund agieren, dann verkörpern sie abwechselnd den Haupthelden selbst oder seine Gattin Penelope oder den gemeinsamen Sohn Telemachos. Sie sind aber auch Menelaos, der Odysseus kurzerhand in den Trojanischen Krieg mitnimmt, oder der Gott Poseidon, der ihm zürnt, die verführerische Nymphe Calypso, der Seher Theresias oder die liebestolle Zauberin Kirke. Die Geschichte wird insgesamt mit leichter Hand, oft slapstickhaft erzählt.

Viele musikalische Einlagen

Die wunderbar unterschiedlichen Protagonisten sind aber mehrmals auch ganz bei sich selbst – als sie in dem integrativen Theaterprojekt unter der Regie von Kai Schubert und der musikalischen Leitung von Annegret Hueck Raum bekommen, von ihren individuellen Lebensreisen und Odysseen zu erzählen. Wie die Frau, die nach einer Diagnose alles daran setzte, wieder selbstständig laufen zu können. Oder der junge Afghane, der lange brauchte, um wirklich in Potsdam anzukommen. An diesen Stellen geht die altbekannte mythische Geschichte – ergänzt um die persönlichen – richtig unter die Haut.

Insgesamt werden diese beiden Stränge der Inszenierung durch fast ein Dutzend musikalische Einlagen – von Händel bis Rammstein – zusammengehalten, denn schon im Probenprozess stellte sich heraus, dass die einen lieber sangen und musizierten und die anderen dem Theaterspiel den Vorzug gaben. Wunderbar kraftvoll ist die Gruppenpercussion und abermals berührend der Schlusssong „Die Reise ist das Ziel“, der von einer Mitwirkenden geschrieben wurde, genauso wie der Wellen-Rap, der Odysseus auf der letzten Reiseetappe umweht.

Unter anderem beim Singen wird deutlich, dass hier keine auf Teufel komm raus perfekte Haltung gelebt wird – das ist sehr wohltuend. Und: das Helfen wird sichtbar, beispielsweise wenn mittendrin einer Frau die Hand gereicht wird, damit sie die Bühne verlassen kann. Andererseits hatte man an einigen Stellen doch Probleme, die Schauspieler akustisch überhaupt zu verstehen. Gerade OpenAir-Vorstellungen und lange Texte sind nicht nur für Laien eine besondere Herausforderung.

Konstituierend ist indes die Familien-Geschichte. Odysseus unfreiwillige Reise, sein Wunsch, endlich wieder nach Hause zu kommen. Was ist Zuhause, was Heimat, was Ankommen? Fragt dann auch immer wieder der vielstimmige Chor – um darauf gegensätzliche Antworten zu geben. Eine weitere tragende Rolle ist die von Penelope, die zwanzig Jahre auf Odysseus warten will, doch zum Ende hin, in einem imaginären Zwiegespräch, rotzig-verzweifelt mit ihrem Mann ins Gericht geht. Nachvollziehbar auch, wie sie die Geduld des jungen Sohnes beschwört, bis der sich doch auf den Weg macht, den Vater zu suchen. In dieser Dreier-Konstellation war auch das gute Zusammenspiel von Laien und Professionellen wie Rüdiger Braun zu spüren, der zum Ensemble des Theaterschiffs gehört. Und zu guter Letzt: eine vereinte Familie und sichtbar glückliche Protagonisten, die sich herzlich beim Poetenpack bedankten – mit noch einem Radschlag. 

>>Nächste Vorstellungen am Freitag, 6. September und Samstag, 7. September je um 19.30 Uhr, weitere unter www.theater-poetenpack.de.

Astrid Priebs-Tröger

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