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Am Bahnhof Charlottenhof zeichnen sich viele Zeiträume ab.

© Dieter Röseler

Potsdam am Morgen: Das Leben in der menschenleeren Stadt

Dieter Röseler hat Potsdam in den frühen Morgenstunden abgelichtet. Seine Serie ist nun in der Galerie Blumberg zu sehen.

Von Helena Davenport

Potsdam - Auf Dieter Röselers Fotografien scheinen Potsdams Gebäude ein Eigenleben zu führen. Da wäre etwa das Gemäuer hinter dem bronzenen Faun in den Römischen Bädern. Wie durch den tanzenden Waldgeist inspiriert, geraten auch die Steine in seinem Hintergrund in Bewegung. Nur zum Schein natürlich. Die schwarz-weiße Farbigkeit, die Röseler für seine Fotos gewählt hat, betont die Nuancen im Stein und die feingliedrigen Verästelungen, die sich über das Mauerwerk ziehen. Bei anderen Gebäuden, die der 1966 geborene Kölner abgelichtet hat, rücken hingegen die geometrischen Formen stärker in den Vordergrund, wie etwa bei der Glienicker Brücke oder der Gedenkstätte Lindenstraße. Bei letzterer sind es außerdem zackige Schatten, die den Komplex gar brachial wirken lassen.

Im Jahr 2000 hat Röseler, der auch als Fotojournalist für Zeitschriften wie den Spiegel oder den Stern tätig ist, mit seinem Langzeitprojekt „Deutschland 5 Uhr 30“ begonnen. In diesem Rahmen entstand auch die Potsdam-Serie, die nun bis zum 9. November in der Galerie Blumberg Fotokunst zu sehen ist. Der deutsche Fotograf Chargesheimer, ebenfalls aus Köln, hatte es ihm in den Siebzigern vorgemacht: Chargesheimer porträtierte seine Heimatstadt, wie sie ihm morgens um 5.30 Uhr begegnete – ohne Beschönigung, verlassen, grau, eine Betonlandschaft. Auf Begeisterung stieß er mit dem Ergebnis nicht. Viele Betrachter waren erbost, explizit Kölner, die meinten, ihre Stadt nicht wiedererkennen zu können.

Röseler besuchte 30 Orte am Morgen

Röseler hat auf die gleiche Art und Weise Worpswede festgehalten, die Insel Rügen, wieder einmal Köln, Düsseldorf, Bonn. Insgesamt sind es mittlerweile 30 Städte beziehungsweise Orte, die er besucht und pur porträtiert hat.

2018 habe Röseler in ihren Räumen in der Jägerstraße gestanden, berichtet Karin Tondorf, Inhaberin der Potsdamer Galerie. Wenn er schon so viele andere Städte fotografiert habe, müsse er sich unbedingt auch mit Potsdam beschäftigen, habe sie zu ihm gesagt. Und das tat er dann auch: Mit einem ausgeliehenen Architekturwälzer bewaffnet, kam der Fotokünstler in Kleinmachnow unter und machte sich von dort aus immer wieder auf den Weg, um mit seiner Digitalkamera für die Stadthistorie wichtige Orte festzuhalten. Aber auch Plätze, an denen seiner Meinung nach das sozial-politische Klima der Stadt sichtbar wird. Ein Dreivierteljahr benötigte die Serie. Dass die zugehörige Schau ausgerechnet am 2. Oktober, kurz vor dem Tag der Deutschen Einheit also, eröffnet wurde, und bis zum 9. November lauft, dem Tag, an dem die Mauer fiel, ist kein Zufall – die Erinnerungen an diese politischen Ereignisse sollen der Ausstellung ihren Rahmen geben, sagt Tondorf.

Schwarz-weiß, aber nicht trist

An die Uhrzeit hielt Röseler sich nicht immer ganz genau. Nicht so exakt jedenfalls, wie es auf einem Bild, das den Bahnhof Charlottenhof in Einsamkeit mit seinen Graffitis zeigt, sichtbar wird. Die mit abgebildete Bahnhofsuhr führt dem Betrachter die Zeit zu Gemüte. Abgesehen von diesem Detail ist es aber sowieso eher die Zeitlosigkeit, die Röselers Fotografien charakterisiert. Eine besondere Ruhe, durch die das Erbe der Orte wiederum sichtbarer zu werden scheint. „Die Objekte fangen an zu sprechen“, sagt Tondorf. Die Grautöne unterstreichen zusätzlich ihre Merkmale, heben Kontraste hervor. Menschen sind nie zu sehen.

Besonders eindrucksvoll, ist eine Fotografie, die das Hotel Mercure zeigt. Den Platz vor dem Lustgarten hat man selten so leer gesehen, und selten besaß das Hochhaus einen solchen ästhetischen Reiz. Auch die im vorderen Bildbereich parkenden LKW passen perfekt in die Komposition. Trist, so wie Chargesheimers Fotos bei seinen Zeitgenossen gewirkt haben, erscheinen die Potsdamer Ansichten nicht. 

>>„Potsdam 5 Uhr 30“, Dieter Röseler, Ausstellung bis zum 9. November, Workshop zu Schwarzweißfotografie am 3. November von 12 bis 14 Uhr mit Frank Gaudlitz, die Teilnahme kostet 5 Euro, um Anmeldung wird gebeten.

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