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Peter Handke am 10. Oktober in Chaville, kurz nachdem er die Nachricht erhielt, dass er den Literaturnobelpreis des Jahres 2019 bekommt.

© AFP

Peter Handke über Milošević: „Sein Begräbnis war auch das Begräbnis von Jugoslawien“

Journalistische Literatur ist für ihn das Allerschlimmste: Nobelpreisträger Handke führt ein Gespräch mit der „Zeit“ und äußert sich auch zu Jugoslawien.

Man könnte es so sagen: Es war nicht Peter Handke, der da in den neunziger Jahren nach Serbien und in den Kosovo gefahren ist, der da seine Reise „zu den Flüssen Donau, Save und Morawa“ gemacht hat. Nein, es war ein anderes Ich, eben der Erzähler seiner Jugoslawien-Bücher; Bücher im übrigen, die aus Texten entstanden, die zuerst in einer Zeitung veröffentlicht wurden.

„Das ist Literatur“, hat er jetzt in einem Interview mit der „Zeit“ gesagt, kein Wort über Jugoslawien von ihm sei „denunzierbar, kein einziges“. Und:„Journalistische Literatur ist ein Bastard der schlimmsten Art“.

Die Sätze, die Handke jetzt zu der ganzen Jugoslawien-Sache von sich gibt, sind bezüglich seiner Positionen nicht besonders erhellend oder gar neu – von seinem Beharren darauf, dass die Berichterstattung über Serbien einseitig und nur der Westen an den Kriegen auf dem Balkan schuld gewesen sei, bis hin zu seiner Trauer und seines Ärgers über das Auseinanderbrechens des Vielvölkerstaats Jugoslawiens, die ihn motiviert hätten, eine gegenläufige Position zu beziehen.

Von den "Ketzerbriefen" und seinem jüngsten Belgrad-Besuch kein Wort

Vieles, was in den letzten Wochen zu Tage gefördert wurde, kommt in dem Interview gar nicht zur Sprache.

Etwa das Gespräch, das Handke mit den kruden, am rechten Rand operierenden „Ketzerbriefen“ geführt hat (in dem er gesagt haben soll: „Den Müttern von Srebenica glaube ich kein Wort.“). Oder sein Besuch bei einer internationalen Konferenz in Belgrad anlässlich des 20. Jahrestages der Nato-Angriffe auf Serbien, wo der Schriftsteller eine skurille Rede hielt.

Immerhin äußert sich Handke zu seinem Besuch bei Slobodan Milošević im Gefängnis in Den Haag und dessen Beerdigung. Er streitet ab, jemals Sympathien für den einstigen Präsidenten Serbiens gehabt zu haben (was sich in seiner Schrift „Rund um das große Tribunal“ anders liest).

Und sagt, dass er den Eindruck hatte, Milošević habe ihn in Den Haag bloß benutzen wollen „er kam immer wieder auf dasselbe Thema zurück und wollte mir erklären, was damals auf der Schlacht auf dem Amselfeld geschehen ist.“

Die Teilnahme an der Beerdigung sei für ihn nur „natürlich“ gewesen:„Er hat bei einer der letzten Abstimmungen dafür votiert, Jugoslawien nicht aufzulösen. Sein Begräbnis war auch das Begräbnis von Jugoslawien.“

Verrät Handke die Literatur ?

Es ist ein ziemlicher Starrsinn, der Handke auszeichnet, politisch sowieso, aber auch hinsichtlich seiner Sichtweise des Journalismus, etwa dass das „journalistische Interesse“ ein „angereistes und auch ein Machtinteresse“ sei.

Auf den Gedanken, dass er seinerzeit bei seinen Reisen genau dieselben Interessen verfolgt hat, kommt er nicht, Nimmt er nicht, um Handke-mäßig zu fragen, die Literatur in eine Art Zwangshaft? Übt er mit seinen Texten nicht Verrat an der Literatur?

Lustig aber ist es, als Handke von seinen Befürchtungen kurz vor der Literaturnobelpreisvergabe spricht: „Ich hatte befürchtet, sie geben den Preis an jemanden, den ich für ein Arschloch halte.“

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