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Tilla Kratochwil und Rainald Grebe lesen in der Villa Quandt.

© Klaus-Peter Möller/Theodor-Fontane-Archiv

Mit Schauspielerin Tilla Kratochwil: Rainald Grebe las in Potsdam Fontanes Ehebriefe

Streitgespräche, seltsame Ratschläge zu Schwangerschaften und viele liebevolle Worte: Der Ehebriefwechsel Emilie und Theodor Fontanes ist spannender Lesestoff und birgt viel Potenzial für Grebes Dada-Humor.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Eine Dame in der zweiten Reihe spricht aus, was wahrscheinlich viele Besucher am Montagabend in der Villa Quandt denken: „Hättest du ihn auf der Bühne erlebt, du könntest dir nicht vorstellen, dass er hier ohne dumme Kommentare Fontane-Briefe liest“, sagt sie zu ihrem Sitznachbarn. Mit „er“ ist der Kabarettist und Liedermacher Rainald Grebe gemeint, der  vor Ort gemeinsam mit Schauspielerin Tilla Kratochwil ausgewählte Ehebriefe von Emilie und Theodor Fontane las. Und tatsächlich: Wer Grebe von seinen Konzerten kennt, von den wilden Performances immer nahe am Rande des Wahnsinns, der kann ihn sich nur schwer als ruhig Lesenden vorstellen. Doch wer mit seinen Liedern vertraut ist, ihn auf der Bühne genau beobachtet oder vielleicht sogar schon einmal nach einem Auftritt gesprochen hat, weiß auch, dass die Melancholie bei Grebe stets mitschwingt. Das In-sich-Gekehrte, das Schweigende.

Und so beginnt der Leseabend am Montag, den das Brandenburgische Literaturbüro und das Theodor-Fontane-Archiv - beide ansässig in der Villa Quandt - gemeinsam ausgerichtet haben, erst einmal ruhig. Briefe aus dem Jahr 1852 werden gelesen. Die Fontanes waren damals frisch verheiratet, Theodor Fontane weilte in London, Emilie war zum zweiten Mal schwanger. Tilla Kratochwil besticht sofort mit ihrer ausdrucksstarken Stimme. Emilies „Mein Herzensmann“ – ihre Briefanrede für den Ehemann – liest sie genau im richtigen Ton, so wie sie überhaupt immer den richtigen Ton findet an diesem Abend. Auch Grebe beginnt liebevoll mit einem „Meine liebe Herzens-Emilie“ und trägt zunächst etwas brav Fontanes Beschwerden über das Essen in England vor.

Tilla Kratochwil und Rainald Grebe signieren Fontanebücher und Cds.
Tilla Kratochwil und Rainald Grebe signieren Fontanebücher und Cds.

© Klaus-Peter Möller/ Theodor-Fontane-Archiv

Fontane-Tee und Fontane-Döner

Einen Kommentar zu Beginn kann er sich dann aber doch nicht verkneifen. „Willkommen in der Zentrale“, sagt er zur Begrüßung, traut sich aber doch nicht zu viel Frechhheiten: "Das sind ja alles Experten hier, die wissen alles viel besser als ich." Trotzdem weist er zur Sicherheit darauf hin, dass das Fontanejahr schon vorbei ist. „Wir haben es glücklich überlebt“, fügt Grebe hinzu. Er und Tilla Kratochwil sind mit der Brieflesung bereits im vergangenen Jahr getourt, Fontane-Tee seien sie dabei begegnet, ja sogar Fontane-Döner. „Nun gleiten wir übergangslos über in das Beethoven-Jahr“, resümiert Grebe.

Für das Programm hat er tatsächlich alle Ehebriefe der Fontanes gelesen, wie er  auf PNN-Nachfrage sagt. Die erstrecken sich immerhin über die Jahre 1844 bis 1898 und füllen in der Großen Brandenburger Ausgabe des Aufbau Verlages drei Bände. „Ich habe mich abgekämpft“, sagt Grebe mit seinem spitzbübischen Lächeln. „Und gespürt, dass es da um etwas geht.“ Bereits in seinem Theaterstück „Fontane 200“, in dem Tilla Kratochwil ebenfalls mitwirkte, hat er einige Briefe eingearbeitet. Für die rund einstündige Lesung hat er das Repertoire nochmal erweitert. Wie viele Briefe die beiden lesen, können sie nicht sagen: „Es sind 20 Seiten mit je ein bis zwei Briefe“, sagt Kratochwil. „Also doch recht viele.“ Einen Bogen zu finden, das sei die Kunst gewesen. Das Faszinierende sei vor allem, wie persönlich die Briefe sind und das sie gleichzeitig fantastische Zeitzeugnisse darstellen. Gedanken zu Frauenrechtlerinnen in London etwa, die Emilie interessant findet, Theodor allerdings eher abtut.

„Die chauvinistischen Bemerkungen sind schon hart"

Die ersten Briefe aus dem Jahr 1852 erzählen hingegen eine traurige Episode: Das zweite Kind der Fontanes stirbt nur kurze Zeit nach der Geburt, Theodor – der in London weilt – hat den Jungen nicht einmal gesehen. Es folgen Briefe aus den Jahren 1855 und 1856, die mit einem betrunkenen Fontane einsteigen. „Ich kann in gar keiner bessren Stimmung an Dich schreiben; ich bin nämlich ein bisschen fisslig und lache in einem fort. Was doch ein Glas Grog alles machen kann (…)“, schreibt er am 14. September 1855, wieder aus London. 

Solchen lustigen Passagen folgen Zitate Fontanes von 1856, in denen er die wieder schwangere Emilie ermahnt, diesmal ein gesundes Kind zur Welt zur bringen. „Es ist eine Art Ehrensache, daß Du das Deine thust, um ein gesundes Kind zur Welt zu bringen. Vielleicht glückt es“, schreibt er etwa am 18. Juni 1856. „Die chauvinistischen Bemerkungen sind schon hart“, sagt Grebe nach der Lesung. „Auch wenn sie damals vielleicht ganz normal gewesen sind. Und die Frau erträgt das alles.“ Es folgen Briefe, in denen Fontane über Emilies „Mutterbänder“ referiert und auch sein bekannter Satz: „Nur keine allzu elenden Würmerchen; es ist eine Art Ehrensache; also nimm Dich zusammen und thu das Deine. Man schreibt mir sonst auf den Grabstein: seine Balladen waren strammer als seine Kinder“ vom 5. Juli 1856 wird zitiert.

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Grebe unterschreibt mit "Theodor Fontane"

Überhaupt dürften Fontane-Kenner nicht viel Neues an dem Abend entdecken, es sind doch immer ähnliche Briefe, die als besonders lesenswert herausgestellt werden. Doch die, sich immer dynamischer steigernde, Performance Kratochwils und Grebes bringt sie höchst unterhaltsam neu ins Gedächtnis. Besonders schön: Die Streitkorrespondenz wegen Fontanes Kündigung bei der Kreuzzeitung wird zu einem lauten, fulminanten Schlagabtausch. Beide haben sichtlich Spaß an dem Spiel mit den Worten. „Die Streits waren so wunderbar direkt, oft auch auf Augenhöhe, fast modern“, sagt Grebe später dazu. Der Abend klingt schließlich mit Briefzeilen aus den 1890er Jahren aus und dazu passenden Gedichtzeilen.

Aus seiner Fontane-Rolle schlüpft Grebe allerdings auch bei der anschließenden Signierstunde nicht heraus: Er unterschreibt kurzerhand mit dem Namen des Dichters. Ein bisschen Dada muss eben immer sein. Zurzeit ist er übrigens mit seinem neuen Soloprogramm „Das Münchhausenkonzert“ unterwegs, das vergangene Woche in Berlin Premiere feierte. Worum es geht? „Um Lüge, um Wahrheit, um alles“, ist Grebes knappe Antwort. Man muss ihn eben live erleben, um dahinter zu kommen.

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