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Max Beckmann im Museum Barberini: „Es ist ein glücklicher Nachlass“

Max Beckmanns Enkelin Mayen Beckmann führte durch die Schau – und gab am Rande Auskunft über ihre Familie, den Kunsthandel und Beckmanns Werk

Frau Beckmann, was für ein Mensch war Ihr Großvater?

Darüber kann ich Ihnen aus direkter Erfahrung nichts sagen: Ich habe ihn nicht kennengelernt. Als er 1950 in den USA starb, war ich gerade zwei Jahre alt.

Und Ihr Vater Peter?

Er war acht, als sich seine Eltern Minna und Max trennten. Max Beckmann hatte mit Kindern wenig am Hut. Erst als mein Vater ihn in seinem Amsterdamer Exil besuchte, in das Max Beckmann 1937 ging, wurde der Kontakt enger. Es gab auch einen regen Briefverkehr zwischen Vater und Sohn, besonders intensiv in den letzten zehn Jahren. Außerdem transportierte mein Vater, der in der Nazizeit Luftwaffenstabsarzt war, Bilder von Max Beckmann nach Deutschland. Das war vom Führer sicher so nicht gedacht. Aber es gab ja unterhalb der Verbotsebene einen durchaus funktionierenden Kunsthandel, der auch an den Bildern meines Großvaters interessiert war. Zum Glück, sonst wäre Beckmann in seinem Exil verhungert.

Neben Hildebrand Gurlitt war es vor allem Erhard Göpel, der ihn unterstützte. Beide waren auch am Kunstraub in den von Deutschen besetzten Gebieten beteiligt.

Gerade dank Erhard Göpel konnte Beckmann weiter Bilder verkaufen und relativ geschützt in seinem Exil überleben. Göpel beruhigte den schwer herzkranken Beckmann auch, als er wie alle Hundebesitzer den Befehl bekam, sich in einem Fußballstadion einzufinden. Dort wurden die Hunde für das Militär gemustert. So auch der Pekinese von Beckmann, oder besser von seiner zweiten Frau „Quappi“. Es wird heute gern nur Schwarz-Weiß gezeichnet. Aber Göpel schrieb noch 1934 über meinen Großvater anerkennend in der Leipziger Zeitung und Gurlitt organisierte 1936 eine Beckmann-Ausstellung in Hamburg, seine letzte in Deutschland bis 1946.

Seit wann kümmern Sie sich um den Nachlass Ihres Großvaters?

Seit dem Tod meines Vaters 1990. Gerade entsteht ein Werkverzeichnis, das online gestellt werden soll. Von den Zeichnungen gibt es noch gar kein Werkverzeichnis.

Fühlen Sie sich von Ihrem Großvater manchmal überrollt?

Ich muss mich als Ausgleichssport schon auch mit anderen Künstlern beschäftigen, um nicht betriebsblind zu werden.

Gab es auch Streit zwischen den beiden Beckmann-Familien?

Nein, das Verhältnis von Max Beckmann zu seiner ersten Frau Minna, also meiner Großmutter, hörte nie auf. Sie blieben immer in Kontakt. Und mein Vater hatte auch zu Beckmanns zweiter Frau Quappi ein gutes Verhältnis. Sie war ja nur vier Jahre älter als er. Es ist also ein glücklicher Nachlass. Nur einen Stolperer hat es gegeben: als zwei Pflegerinnen von Quappi ihr ein Testament vorlegten und sie es unbedacht unterschrieb.

Konnte es rückgängig gemacht werden?

Ja, zehn Millionen und zehn Jahre später.

Heute macht Ihnen das Kulturgutschutzgesetz Sorge. Was befürchten Sie?

Ich halte es für ein sehr schwieriges Gesetz, da es keine eindeutige Definition gibt. Vieles ist matschig. Ich kann damit nicht umgehen. Leipzig hat zum Beispiel etwa 200 Beckmann-Zeichnungen als Dauerleihgabe. Was ist, wenn ich gestorben bin und meine Söhne auch? Kann dann meine Enkelin als einzige Erbin diese Bilder zu sich nach Amerika holen oder müssen sie als schützenswertes Kulturgut in Deutschland verbleiben? Ich habe dazu bislang keine Auskunft bekommen.

Beim Rundgang durch die Ausstellung in Potsdam sagten Sie, dass das Bild „Loge“ unbedingt zum Thema „Welttheater“ dazugehöre. Doch es stehe auf der „schwarzen Liste“. Was bedeutet das?

Es werden viele Bilder aus konservatorischen Gründen nicht mehr ausgeliehen, weil zum Beispiel die Farbe reißt. So auch die „Loge“ aus Stuttgart.

Welches Bild aus der Potsdamer Schau liegt Ihnen besonders am Herzen?

Das Simultanbild „Cabins“: Da ist der ganze Beckmann in einem Bild, eine hübsche Frau vor dem Spiegel, das Exil, das Meer und auch der Tod.

Wie erlebten Sie den Umgang mit Beckmann seitens der DDR?

Alle Künstler hatten Beckmann-Literatur im Regal zu stehen, er war im Privaten ein Leitstern für viele. Eine erste Ausstellung gab es aber erst in den 1980er Jahren. Eine bereits fertige Ausstellung mit Beckmann-Grafiken, die im Kupferstichkabinett in den 1960er Jahren gezeigt werden sollte und für die auch schon die Plakate gedruckt waren, wurde eingestampft.

Beckmann wird gern als der deutsche Picasso bezeichnet. Dabei sagte Beckmann von Picasso, dass seine Kunst Tapetenmalerei und nur dekorativ sei.

Glauben Sie immer Malern? Wenn er sich für einen Maler interessiert hat, dann für Picasso. An ihm hat er sich gemessen.

Das Interview führte Heidi Jäger

Mayen Beckmann, Jahrgang 1948, Papierrestauratorin, arbeitet als Kunsthistorikerin und Kuratorin, seit 1990 betreut sie den Nachlass ihres Großvaters Max Beckmann.

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