zum Hauptinhalt
Schreibt blumig: Autorin Maria Cecilia Barbetta.

© Arno Burgi/dpa

María Cecilia Barbetta erhält den „Kleinen Hei“: Ein Leseerlebnis wie ein langer Tauchgang

Mit ihrem Roman "Nachtleuchten" schaffte es María Cecilia Barbetta auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2018. Für ihre blumige Sprache erhält sie nun den „Kleinen Hei“ vom Potsdamer Literaturladen Wist. Ist der Roman wirklich so herausragend?

Von Sarah Kugler

Potsdam - Abtauchen. Damit lässt sich das Leseerlebnis von María Cecilia Barbettas „Nachtleuchten“ am ehesten beschreiben. Ein intensives, mit vorhergehendem tiefem Luftholen verbundenes Abtauchen in eine Romanwelt, der sich der Leser ganz hingeben muss. Er muss, weil er sonst keine Beziehung eingehen kann mit diesem 500 Seiten langen Potpourri aus Personen, Orten, Eindrücken und einer sehr besonderen Sprache. Sie als blumig zu beschreiben ist fast schon eine Untertreibung, so prall ist sie gefüllt mit Metaphern, Vergleichen, Redewendungen und ausufernden Beschreibungen.

Damit schaffte María Cecilia Barbetta es auf die Shortlist des diesjährigen Deutschen Buchpreises und bekommt dafür morgen Abend den „Kleinen Hei“ verliehen, den „rein subjektiven“ Preis des Potsdamer Literaturladen Wist. „Ein Roman von großer Sprachkunst, in den ein magischer Realismus einfließt und der aus allen Erzählnähten platzt“, sagt Carsten Wist über „Nachtleuchten“, woraus die in Buenos Aires geborene und in Berlin lebende Autorin am morgigen Montag auch vor Ort lesen wird.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Viele Personen, eine bilderreiche Welt

Angesiedelt ist der Roman in Barbettas Geburtsstadt und erzählt von den vielen Menschen, die dort Mitte der 70er Jahre leben. Sie alle sind geprägt von den politischen Umbrüchen im Land, aber doch auch nicht so sehr, dass die Politik vordergründig eine Rolle spielen würde. Sie wabert irgendwie über den Geschichten und tatsächlich setzt Barbetta dabei viel an Wissen voraus. Vielmehr als um die große Revolution, geht es um die kleine. 

Etwa die von Teresa Gianelli, die nicht gerade begeistert darüber ist, ein Geschwisterchen zu bekommen, dafür aber eine Madonna von Haus zu Haus trägt. Oder die Nonne Maria, welche mit dem Moped durch die Stadt braust. Dann ist da noch der Friseur Celio, die geheimnisvolle Ofelia mit ihren Katzen und einige Personen mehr. 

Sie alle werden in den ersten drei Teilen des Buches relativ eigenständig eingeführt, der kurze vierte und letzte Teil bringt sie dann irgendwie noch einmal zusammen. Eine wirklich stringente Geschichte darf hier nicht erwartet werden, Barbetta kreiert vielmehr Erzählwellen, auf denen sich der Leser treiben lassen muss.

Endlose Sätze, viele Vergleiche

Das durchzuhalten, ist nicht immer einfach, was auch an Barbettas ausufernder Sprache liegt. Ihre zahlreichen Ausschmückungen lassen zwar beim Lesen eine wundervoll detailreiche Bilderwelt aufleben, nerven aber auf Dauer auch etwas. Während ihre manchmal schier endlosen Sätze – etwa „Osiris, dreifarbiger Knäuel und darin eingeflochten ein vernarbter Kampf, Osiris’ Pfoten im Hier und Jetzt, seine anderen Existenzen weiß der Geier wohin zerstreut, zerstreuter Osiris, geistesabwesender Kater, an den sich Seth lautlos heranschleicht [...]“ – auf Grund ihrer Kunstfertigkeit Freude bereiten, verlieren die vielen Vergleiche schnell ihren Charme. Ständig ist etwas „wie der neugierige Konzilpapst“, „wie eine Mademoiselle“, „stramm wie ein Soldat“ oder „wie ein Kavalier“, um nur einige Beispiele zu nennen. 

Große Poesie für einen langen Atem

Dann wiederum stößt man auf poetische Sätze, wie „Der Umschlag eines Buches ist eine Grenze, die sich klopfenden Herzens ausloten, verwischen, einreißen, sprengen oder transzendieren lässt [...]“.

Beim Lesen entsteht somit eine gewisse Hassliebe zu diesem Buch, aus dem man am Ende völlig erschöpft wieder auftaucht, nach Atem ringt und sich entscheiden muss, ob diese Erschöpfung gut oder schlecht ist. 

+++

Lesung und Vergabe des „Kleinen Hei“ an Maria Cecilia Barbetta, am morgigen Montag um 19 Uhr bei Wist - Der Literaturladen. Der Eintritt kostet 8 Euro, Getränke sind frei.

+++
— María Cecilia Barbetta: „Nachtleuchten“. S. Fischer Verlag, 2018. Preis: 24 Euro, 528 Seiten, Hardcover.

Zur Startseite