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Literatur: Mit Geistern auf der Schlossterrasse

Die Potsdamer Schriftstellerin Sigrid Grabner legt ihr neues Buch mit Erzählungen unter dem Titel „Sie machte Frieden“ vor

Maria Theresia ist 1991 aus ihrer letzten Residenz, aus dem pompösen Doppelsarkophag in der Gruft der Kapuzinerkirche in Wien, entstiegen. In den Park Sanssouci führt ihr Weg, auf die oberste Terrasse des Weinberges, wo das Schloss Sanssouci ihres Rivalen in Machtfragen steht. Kann sie seit mehr als 200 Jahren in ihrem Sarg mehr oder weniger bequem liegen, so wurde König Friedrich II. von Preußen in seinem Tode hin und hergeschoben, seit den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges von Ort zu Ort transportiert.

Nun, am 17. August 1991, soll er endlich seine letzte Ruhestätte am Schloss Sanssouci finden. Zu dieser Beerdigung haben sich Persönlichkeiten von einst und aus der damaligen Gegenwart eingefunden: Maria Theresia, Präsident George Bush sen., Kanzler Helmut Kohl. Auch Friedrich lässt es sich nehmen, als Geist die aufwendigen Feiern anlässlich seiner endgültigen Beerdigung zu kommentieren und auch Gespräche mit der Habsburgerin zu führen. Als Moderator zwischen den beiden Monarchen fungiert der Vorleser des Königs, Henri de Catt.

Die Potsdamer Schriftstellerin Sigrid Grabner hat diese illustre Geistergesellschaft in ihrer Erzählung „Gäste in Sanssouci“ zusammengeführt und sie in ihrem neuen Buch „Sie machte Frieden“ (Fe-Medienverlags GmbH) dem interessierten Leser präsentiert. Vergangenheit und Gegenwart scheinen bei der Autorin keine Gegensätze zu sein. Die Türen stehen offen, und es ist immer nur ein Schritt von der Historie ins Heute und andersherum. Die Gegenwart ist auch in Grabners in der Vergangenheit angesiedelten Büchern präsent. Sie versucht, die Figuren in ihrer Unverwechselbarkeit zu umreißen, vor allem die Protagonisten Friedrich der Große und Maria Theresia.

Die seit Jahrzehnten in Potsdam lebende und Bücher schreibende Autorin Sigrid Grabner ist mit der preußischen Geschichte eng vertraut, aber auch mit der habsburgischen. Den Eindruck gewinnt man beim Lesen der Erzählung und dem Buchtitel gebenden Essay „Sie machte Frieden“. Kaiserin Maria Theresia, die den demütigen Verlust Schlesiens durch die Preußen hinnehmen musste, war davon überzeugt: „Ohne Schlesien ist die Krone Österreichs kaum wert, dass man sie trägt.“ Mit diesen Worten kommentierte die Habsburgerin den Aderlass, den sie unbedingt wieder rückgängig machen wollte. Ein Streiten um das rechte Wort von gegenseitigen Beleidigungen findet auf der Schlossterrasse von Sanssouci statt.

Sigrid Grabners Sympathien scheinen mehr bei der katholisch-barocken Kaiserin in Wien zu liegen als bei der norddeutsch-protestantischen Herrscherpersönlichkeit in Potsdam. „Nichts ist so nützlich und heilsam wie die Religion“, lässt die Autorin die Monarchin zum Vorleser Henri de Catt sagen. „Kein Geist der Verfolgung, aber noch weniger der Gleichgültigkeit hat mich geleitet, solange ich lebte. Aber ich mochte jene nicht, die auf Kosten all dessen, was heilig und verehrungswürdig ist, ihren Geist glänzen lassen und eine eingebildete Freiheit einführen, die letztlich in eine größere Unfreiheit führt, als sie je eine missbrauchte Religion erzeugen kann.“ De Catt bemerkte, dass er unlängst Ähnliches vom König gehört habe. Maria Theresa resümiert zum Abschluss ihres Geister-Besuches in Potsdam versöhnend, dass sie um nichts besser sei als Friedrich. „Ich habe mit ihm und er hat mit mir gerungen wie Jakob mit dem Engel.“ Grabners Erzählung ist zunächst geheimnisvoll, doch wird sie immer einleuchtender. In ihr werden auf 60 Seiten die Fragen nach Macht, Glaube und Wahrheit erörtert, manchmal etwas pathetisch, doch mit Klarheit. Zum Ende scheint sogar Heiterkeit durch.

Auf den restlichen 200 Seiten sind neben dem Essay „Sie machte Frieden“ Erzählungen zu finden, die von Menschen berichten, die in der mittelalterlichen Glaubenswelt angesiedelt sind. Dabei spielen vor allem auch Frauen die Hauptrolle, ob die italienische Dichterin Vittoria Colonna, die sich gegen Glaubensfanatismus wandte (Stunde mit Michelangelo), die fast 50 Jahre zu Unrecht in Gefangenschaft lebende Königin Johanna I. von Kastilien (Karwoche in Tordesillas), die Mystikerin Caterina von Siena (Die Heilige) und Matilde von Tuscien (Canossa), die um eine Aussöhnung zwischen dem König Heinrich V. und dem Papst Gregor VII. kämpft. Alle Gestalten sind historisch verbürgt. Sigrid Grabner hat sie aus der Ferne der Vergangenheit in das Heute geholt. Die Zeitläufe haben sich geändert, weniger jedoch die Menschen.

Drei der sechs im Buch vorgelegten, atmosphärisch dicht geschriebenen Erzählungen und literarischen Skizzen sind bereits zu DDR-Zeiten erschienen. Aber es lohnt sich, sie wieder zu lesen. Sigrid Grabner gibt uns die Möglichkeit, Frauen, teilweise unbekannte, zu entdecken, die Geschichte geprägt, erlebt und erlitten, aber auch zu verantworten hatten. Klaus Büstrin

Sigrid Grabner: Sie machte Frieden, Maria Theresia und andere Erzählungen. Fe-Medien Verlags-GmbH, 9,95 Euro.

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