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Nina Gummich.

© Sebastian Gabsch

Lesung in der Villa Quandt: Nina Gummich las Texte von Lucia Berlin

Antje Ravik Strubel hat sie übersetzt, Nina Gummich hat ihr eine Stimme gegeben: eine besondere Lesung mit Texten von Lucia Berlin in der Villa Quandt. 

Von Sarah Kugler

Potsdam - Um Lucia Berlins Texte vorzulesen, braucht es keine besondere Stimme. Sie sind schon besonders genug, haben ihren eigenen sachlichen, fast schon nüchternen Klang, gespickt mit tragikomischen Passagen. Schwarzhumorig sind sie, bittersüß, unendlich traurig und komisch zugleich. Um all das auszudrücken, braucht es also vielmehr einen persönlichen Zugang zum Text, einen Identifikationsmoment, der die Geschichten transportieren kann. Nina Gummich hat am Dienstag einen solchen gefunden, und was für einen.

Gemeinsam mit Antje Rávic Strubel und Arche-Verlagsleiterin Ulrike Ostermeyer stellte die Schauspielerin in der Villa Quandt den Erzählband „Was ich sonst noch verpasst habe“ vor. Darin 43 Geschichten der 2004 verstorbenen amerikanischen Schriftstellerin Lucia Berlin. Im Jahr 1936 in geboren, durchläuft sie in ihrem Leben viele Höhen und Tiefen. Drei Mal war sie verheiratet, hat als Putzfrau, Krankenschwester, Lehrerin gearbeitet und mit Alkoholproblemen gekämpft. All das findet sich in ihren Geschichten, die in der Kritik als die Entdeckung des Jahres gefeiert werden. Sie erzählt vom tyrannischen und doch geliebten Großvater, von dem schwierigen Verhältnis zur Mutter oder einfach von ihrem alltäglichen Wahnsinn.

Die Potsdamer Schriftstellerin Antje Ravic Strubel.
Die Potsdamer Schriftstellerin Antje Ravic Strubel.

© Gero Breloer/dpa

Ausgewählt und übersetzt hat sie Antje Rávic Strubel, die den Texten eine deutsche Stimme gibt – ohne dabei den Originalton aufzugeben. Das ging nur, weil sie so begeistert von Berlin gewesen sei, sagte sie. Ohne Begeisterung könne sie nicht übersetzen, aber hier habe es sofort gefunkt. Schon beim Lesen von „Angel’s Laundromat“ („Angels Waschsalon“) habe sie sich gefragt, wie wohl Berlins deutsche Stimme klingen würde, entscheiden konnte sie erst nach der Gesamtlektüre. Fasziniert war die in Potsdam geborene Autorin und Übersetzerin vor allem von den Kippmomenten. Den Umschwüngen von Komik zu Tragik, die manchmal innerhalb eines Satzes passieren. Der spezielle Witz sei auch die größte Herausforderung gewesen, besonders die kleinen Wortspiele, die nur im Englischen funktionieren. Etwa wenn die Protagonistin aus „Angels Waschsalon“ einen Salon sucht, in dem sie färben (Englisch: to dye) darf und bei Angels ein Schild entdeckt: „You can die here anytime.“ Wie übersetzt sich nun dieser phonologische Gleichklang von „dye“ und „die“ – sterben? Es lohnt sich, das beim Lesen des Bandes selbst herauszufinden.

Überhaupt sollte sich jeder seine eigene Stimme, seinen eigenen Identifikationsmoment zu Berlins Texten suchen. So wie Nina Gummich das am Dienstag tat. Die Schauspielerin, die derzeit im Ensemble des Potsdamer Hans Otto Theaters spielt, las nicht theatralisch, nicht überbetont, sondern beobachtend. So wie Berlin in ihren Texten ganz präzise ihre Umgebung beschreibt, so betrachtete Gummich jeden Satz ganz genau und machte ihn zu ihrem eigenen. Auf einer Wellenlänge sei sie mit dem Ton Berlins, vor allem mit dem Humor, so Gummich. Auch sie liebe es zu beobachten und davon zu erzählen. Und so näherte sie sich den Texten ganz natürlich – mit Respekt, aber ohne Distanz. Ulrike Ostermeyers – zum Teil etwas zu literarische – Fragen kommentierte sie dabei mit erfrischend schnoddriger Art. So begründete sie etwa die allgemeine Faszination für den Text „Mama“ mit: „Na irgendwie hat halt jeder so’n Ding mit seiner Mutter zu laufen.“ Bei der Frage, was an Lucia Berlin besonders weiblich sei, reagierte sie noch deutlicher: „Die Genderfrage lehnen wir ab“, rief sie nur und grinste dabei. Genau die richtige Stimme also – für diesen Abend und besonders für diese Texte. 

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