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Die MBS-Arena zeigt im Foyer vier zuvor vernachlässigte DDR-Kunstwerke, unter anderem Herbert Burschiks „Sportlergruppe“.

© Andreas Klaer

Kunst am Bau in Potsdams MBS-Arena: Schaufenster in die DDR

„Es gibt sie noch“: Die Potsdamer MBS-Arena zeigt im Foyer vier zuvor vernachlässigte DDR-Kunstwerke. Als Impulsgeberin mit dabei: Dorothea Nerlich.

Potsdam - Der Mensch hat drei Augen, hat die Autorin Christa Kozik geschrieben: zwei zum Sehen, das dritte für die Fantasie. Auch die Skulptur „Zeitschwangere“ von Wolfgang Knorr verfügt über drei Augen: eines geschlossen, eines halb geöffnet, das dritte weit offen. Vor der Brust hält die Terrakotta-Figur eine Sonnenuhr. Sie stand früher neben der Mensa der Friedrich-Jahn-Gesamtschule. Ab 2009 wurde auf dem Areal des Luftschiffhafens gebaut und sie verschwand.

Seit Mittwoch kann man der „Zeitschwangeren“ wieder ins Gesicht sehen: Gemeinsam mit drei anderen Positionen von Kunst am Bau aus DDR-Zeiten ist sie im Foyer der MBS-Arena zu besuchen. Eine coronagemäße Maßnahme: Man kann die Skulpturen von außen betrachten. Abends wird das Foyer beleuchtet.

Rückkehr der „Sportlergruppe“

„Ja, diese Kunstgegenstände gibt es noch“, sagt Dirk Wolfgramm, Geschäftsführer der Luftschiffhafen Potsdam GmbH. „Das wollten wir mit dieser Ausstellung zeigen.“ Auch die „Sportlergruppe“ von Herbert Burschik (1922–1990), entstanden um 1965, ist wieder da. Zuvor standen die Kanutin, der Diskuswerfer und der Geräteturner auf der Grünfläche vor der alten Turnhalle. Die Halle ist inzwischen so gut wie abgerissen, eine neue soll hier gebaut werden – und ob die Figuren dort dann wieder stehen, ist noch offen.

Zu den Wiederentdeckungen im Foyer der MBS-Arena gehört auch Reginald Richter (Jahrgang 1931), von dem unter anderem die „Gläsernen Blume“ im Palast der Republik stammt: eine Büste von Friedrich Ludwig Jahn, die einst auf dem Vorplatz der Schule stand. Geschaffen wurde sie 1980 anlässlich des 125. Todestages des Sportpädagogen, der als Initiator der deutschen Turnbewegung gilt.

Figurenensemble lag dar, „wie auf dem Müll“

Vierte Position im Foyer ist das abstrakte Figurenensemble „Brunnen“ von Dorothea Nerlich. Die Potsdamer Künstlerin (Jahrgang 1950) war Impulsgeberin der Ausstellung und zur Eröffnung zugegen. „Man muss schon sehr hinterher sein“, sagt sie auf die Frage, ob für den Erhalt von Kunst aus DDR-Zeiten genug getan werde. Ihr „Brunnen“ habe im Zuge von Baumaßnahmen zwischendurch dagelegen „wie auf dem Müll.“ Über die Vernachlässigung hatte die „Märkische Allgemeine Zeitung“ berichtet.

Vier DDR-Kunstwerke sind im Foyer der MBS-Arena am Luftschiffhafen zu sehen.
Vier DDR-Kunstwerke sind im Foyer der MBS-Arena am Luftschiffhafen zu sehen.

© Andreas Klaer

Gerade im Umfeld der Sportschule ist Nerlich an der Sichtbarkeit ihrer Kunst gelegen: „Gute Sportler bestehen nicht nur aus Muckis.“ Kunst könne helfen, das zu vermitteln. „Kunst und Sport haben ja seit der Antike eine gemeinsame Geschichte.“

Nerlichs Brunnen von 1989 wurde für eine Pergola der Sportschule geschaffen. Die drei Skulpturen aus Ton entstanden in einem besonderen Brennverfahren, das nur mit Braunkohle möglich ist – bei Temperaturen bis 1300 Grad. Den Brennofen in Bad Liebenwerda gibt es heute nicht mehr, ebenso wenig wie die dortige Braunkohleförderung.

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Gremium soll über Zukunft der Kunst am Bau entscheiden

Erde, Luft, Feuer und Wasser: Alle vier Elemente gibt es im „Brunnen“, sagt Nerlich. Und Lokalgeschichte auch. Wann oder wo diese und die anderen Skulpturen im Foyer wieder an die Luft kommen, ist noch offen. Auch, wie lange die Ausstellung, die richtiger als Schaufenster für DDR-Kunst zu bezeichnen wäre, zu sehen bleibt. Über die Zukunft der Kunst am Bau soll ein eigenes Gremium entscheiden, sagt Luftschiffhafen-Geschäftsführer Wolfgramm. Das soll aus Vertreter*innen der angrenzenden Elite-Sportschule Friedrich Ludwig Jahn, der Pro Potsdam GmbH, der Luftschiffhafen Potsdam GmbH und der Kunst bestehen.

Dorothea Nerlich schuf 1989 eine Brunnenskulptur für eine Pergola der Sportschule am Luftschiffhafen.
Dorothea Nerlich schuf 1989 eine Brunnenskulptur für eine Pergola der Sportschule am Luftschiffhafen.

© Andreas Klaer

Letztere wird durch Dorothea Nerlich vertreten. Einen Zeitplan gibt es noch nicht, man hofft, in der zweiten Jahreshälfte tagen zu können. Wenn die Kommunikation wieder ohne den Umweg über digitale Konferenzen möglich ist. Die wichtigere Frage als die nach dem Zeitplan ist aber: Wie kann man künftig besser für die DDR-Kunst sorgen? Dorothea Nerlich weiß, dass etwa Bilder ihres Mannes Werner Nerlich aus der neuen Mensa und Kunstwerke von Wolfgang Knorr verschwanden – unter anderem die Wasserspeier, die früher Nerlichs Brunnen versorgten.

Sportpionier Friedrich Ludwig Jahn, porträtiert von Reginald Richter.
Sportpionier Friedrich Ludwig Jahn, porträtiert von Reginald Richter.

© Andreas Klaer

Sorge um Seekruggebäude

Sorge macht Dorothea Nerlich konkret das Seekruggebäude, wo sie und ihr Mann Werner Nerlich seit Mitte der 1970er Jahren aktiv waren. Das historische Gebäude sollte als Mensa genutzt werden, Dorothea Nerlich schuf dafür einen Zyklus aus fünf Keramikplatten: poetische Motive. „Frauenruderer“ zwischen Vögeln, ein Kraftsportler, der Neptun und Nixe stemmt – „Fantasiewelten“, sagt Nerlich. Zehn Jahre später entstand Werner Nerlichs großes Wandmosaik „Der olympische Gedanke“ für die errichtete Mensa.

Noch befinden sich diese Kunstwerke da, wo sie geschaffen wurden. Aber es wird weiter gebaut am Luftschiffhafen, und wer weiß, wie lange das so bleibt. Dorothea Nerlichs Wunsch: Dass über den Verbleib dieser Kunst gesprochen wird, bevor gebaut wird. „Denn ob nun wissentlich oder unwissentlich: mit der Vergangenheit sind wir verbunden.“

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