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Verurteilt. Als die Tochter ihres Hausherren Stecknadeln in der Milch findet, wird die Magd Anna Göldin beschuldigt, die Milch verzaubert zu haben. Im Juni 1782 wird sie hingerichtet.

© promo

Kino im Filmmuseum Potsdam: Die letzte Hexe

Am Ende sprach alles gegen sie – sogar eine rote Strähne. Das Filmmuseum zeigt heute Gertrud Pinkus’ Spielfilm über das Schicksal von Anna Göldin

Von Helena Davenport

Sie verstand sich zu gut mit den Kindern, war zu ausgelassen. Und wohl auch zu nett zu ihrem Hausherrn. Dann wurde sie zum Objekt der Begierde, auch zur besten Freundin, später sogar zur Heilerin. Und zuletzt wurde sie zur Hexe erklärt. Ihre Einfühlsamkeit konnte ihr nur schaden: Anna Göldin gilt als die letzte Frau, der ein Hexenprozess gemacht wurde. Ihre Hinrichtung erfolgte am 13. Juni 1782. Die Regisseurin Gertrud Pinkus hat den Stoff aus Eveline Haslers Roman, der sich an wahren Begebenheiten orientiert, 1991 verfilmt. Heute läuft „Anna Göldin – Letzte Hexe“ im Rahmen der Reihe „Macherinnen – Frauen vor und hinter der Kamera“ um 19 Uhr im Filmmuseum.

Familie Tschudi stellt Anna Göldin an

Ein Kahn gleitet über die spiegelglatte Oberfläche eines Sees, zwischen den Bergen hängt Dunst. Romantisch anmutende Bilder zeigen Göldin in der ersten Szene auf ihrem Weg nach Glarus, einem Kanton in der Deutschschweiz. Auf ihrer Suche nach einer neuen Anstellung nimmt sie der Steinmüller in seiner Kutsche mit, setzt sie vor dem Haus der Familie Tschudi ab. Ohne böse Absicht bestimmt er somit ihr weiteres Schicksal. Vielleicht wäre es ihr woanders ähnlich ergangen, vielleicht ist es aber schon hier ihre Vergangenheit, die zu keiner besseren Zukunft führen kann. Gen Ende wird Steinmüller sich das Leben nehmen – aus schlechtem Gewissen. Zuvor war Göldin als Magd bei der Familie Zwicky angestellt gewesen. Der Sohn hatte sich in sie verliebt, wollte sie sogar heiraten, nachdem sie von ihm schwanger geworden war – für die Mutter eine Sache der Unmöglichkeit, sie schickte die Magd weg. Was mit dem Kind passierte, ist nicht bekannt. Stattdessen geht der Film weiter zurück: Schon vor dieser Geschichte gebar Göldin ein totes Kind, wurde wegen Kindsmordes bestraft.

Beim Arzt Tschudi in Glarus wird die Magd zunächst gut aufgenommen, sie macht ihre Scherze mit den Kindern und knetet der Hausdame die Schläfen. Für die jüngste Tochter ist sie etwas ganz Besonderes, die blüht auf, sofern sie mit ihr allein ist. In der Runde lässt sie allerdings ihrer Eifersucht freien Lauf. Dann erfährt der Vater von Göldins Vergangenheit, setzt sie unter Druck. Als das kleine Mädchen Stecknadeln in ihrer Milch findet, sind die guten Zeiten endgültig vorbei. Göldin wird beschuldigt, der Kleinen schaden zu wollen. Sie wird weggeschickt. Doch in ihrer Abwesenheit wird das kleine Mädchen immer kränker. Ist es etwa die Magd, die aus der Ferne ihr Unwesen treibt? Anna Göldin wird gesucht und schlussendlich auch gefunden. Sie soll das Mädchen heilen. Dieses erwacht schon dann zu neuem Leben, als sie ihre Anna endlich wiedersieht.

Voreilige Schlüsse drehen ihr einen Strick

Der „einzige Schreiber in diesem Jammertal“ soll den Gerichtsprozess dokumentieren und geht vollends in seiner Aufgabe auf: Aus Gegebenheiten macht er einen Krimi. Aber was macht das schon? Kaum einer kann lesen oder schreiben. Hier klafft die Gesellschaft auseinander. Auch Göldin hat nie gelernt, zu schreiben. Als sie einen Brief diktiert, wird dieser ihr zum Verhängnis: Der Schreiber verrät ihren Aufenthaltsort. Doktor Tschudi, der gleich mehrere öffentliche Ämter bekleidet, setzt sich zunächst für seine ehemalige Magd ein. Dann wird ihm klar: Er würde sein Amt verlieren, würde sein außereheliches Verhältnis mit ihr ans Licht kommen. Am Ende scheint es fast so, als hätte jede der Figuren ihren Teil dazu beigetragen, dass Göldin zum Tode verurteilt wird. Die Beweislage verdichtet sich, selbst eine rötliche Haarsträhne – ein Missgeschick beim Haarefärben – deutet darauf hin, dass Göldin eine Hexe ist. Immer wieder macht der Film deutlich, welche Kraft voreiligen Schlüssen innewohnt. Auch als Zuschauer möchte man fast Blut sehen, das den Fluss rot färbt. Als Symbol für den mehrfachen Tod am Ende des Films. Doch dann ist es nur Zeichen für die gelungene Arbeit der Färberei.

Pinkus erster Spielfilm, ebenfalls über eine Frau, nämlich über eine italienische Emigrantin, die sich manchmal allein fühlt in ihrer neuen Heimat Frankfurt, wurde 1981 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. Bekannt wurde die Schweizerin aber durch ihren Film über Anna Göldin.

„Anna Göldin – Letzte Hexe“, am heutigen Donnerstag, 16. August, 19 Uhr im Filmmuseum

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