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Kultur: Keine Schranken errichtet Lonny Neumanns neues Buch „Bin unterwegs“

Opulent ist es nicht, eher schmal: das Buch, das Heft, das 38 Seiten umfasst. Aber auf jeder Seite lohnt es sich, die Texte zu lesen.

Opulent ist es nicht, eher schmal: das Buch, das Heft, das 38 Seiten umfasst. Aber auf jeder Seite lohnt es sich, die Texte zu lesen. Die Potsdamer Autorin und Verlegerin Barbara Wiesener hat es, als Teil einer Reihe, in ihrem Arke-Verlag herausgegeben: Die aktuelle Ausgabe mit dem Titel „Bin unterwegs“ ist der Schriftstellerin Lonny Neumann gewidmet – nachträglich zum 85. Geburtstag im vergangenen Jahr.

Die Potsdamer Autorin Lonny Neumann wendet sich seit Jahrzehnten dem Tagebuch zu. Seit 1963. Durch ihren Lehrerberuf musste damals ihre schriftstellerische Arbeit in den Hintergrund treten, auch die Familie bedurfte ihrer Aufmerksamkeit. Doch das Schreiben von Texten wollte sie nicht vernachlässigen: Mehr als 150 Tagebücher stapeln sich heute in der Wohnung der Schriftstellerin. Und es werden wohl immer mehr. Augenblicke ihres Lebens will sie nicht flüchtig werden lassen. Auch mancherlei Ergebnisse von Recherchen, sei es über den Dichter Hermann Kasack oder den Forte-Kreis, der sich in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts in Potsdam traf und sich für pazifistisches Gedankengut einsetzte. Schnörkellos hat Lonny Neumann dies alles aufgeschrieben. Doch auch Erzählerisches, Schildernd-Bildhaftes und Betrachtend-Reflexives findet man in den Tagebüchern. Die Potsdamerin sagte in einem Gespräch, dass sie sich als Schreiberin gegenüber einer Zeitzeugenschaft verpflichtet fühle. Natürlich könne dies auch etwas Selbstgerechtes sein, weil eine Bewertung der eigenen Sicht auch manchmal mit Unsicherheit verbunden sei. Doch kläre es sich oftmals auf längere Sicht mit neuen Erkenntnissen und Einsichten.

Barbara Wiesener hat die Tagebuchaufzeichnungen von April 1988 bis Oktober 1989 ins Zentrum des Heftes gestellt, Texte, die „von unserer Sehnsucht nach Veränderung und von Bürgermut, als die Zeit einem stehenden Gewässer glich“ berichten. Die Monate und Tage vor der politischen Wende in der DDR werden darin wieder lebendig, vor allem Potsdamer Aktionen. Am 4. Oktober 1989 schreibt Lonny Neumann: „Heute Abend will das Neue Forum seine erste Versammlung zur Information in der Friedrichskirche abhalten. Ohne Propaganda finden sich im Schutz der Dunkelheit Tausende Potsdamer ein. Die ,Parteisoldaten' umstellen in Zivil ,sichtbar unsichtbar' den Platz. Ihre Autorität ist bei der großen Überzahl der friedlich Lauschenden auf ein Minimum geschwunden.“ Noch einmal bei der Demonstration der Bürgerrechtler am 7. Oktober, die von der „Märkischen Volksstimme“ als randalierender Mob beschimpft wurde, wollen die DDR-Oberen ihre Macht unter Beweis stellen. Doch es ist umsonst. 1990/91 hat die Potsdamer Schriftstellerin dieser Zeitung ihre Aufzeichnungen anvertraut. Sie fanden bei den Lesern große Zustimmung.

Lonny Neumann schreibt unspektakuläre Texte mit leisen und zarten Tönen, die ein Plädoyer für ein gutes Miteinander sein wollen. Das Schöne an diesem Heft ist, dass man mit der Schriftstellerin darin direkt ins Gespräch kommen kann, weil es zwischen Autorin und Leser keine Schranke der Erfindung gibt. Klaus Büstrin

„Bin unterwegs“ wird am Mittwoch, 18. Februar, um 19 Uhr in der Stiftungsbuchhandlung, Gutenbergstraße 72, vorgestellt.

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