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Potsdams Kulturbeigeordnete Noosha Aubel.

© Ottmar Winter

Interview | Potsdams Kulturbeigeordnete Noosha Aubel: „Wir Frauen müssen uns stärker mit Frauen solidarisieren“

Zum Frauentag, statt Blumen: Die Kulturbeigeordnete Noosha Aubel (parteilos) spricht über Feminismus, Potsdams weibliche Seite, Macht – und ihre Vorbildfunktion.

Frau Aubel, die Intendantin Bettina Jahnke sagt: Potsdam ist eine weibliche Stadt. Sehen Sie das auch so?
Der Eindruck stimmt mit meinem überein – insbesondere natürlich in der Kultur. Da gibt es ja eine ganze Reihe von sehr starken Frauen. Ob es nun Bettina Jahnke ist, Heike Bohmann, Petra Kicherer oder auch Anja Engel oder Frauke Röth aus dem Rechenzentrum. Dass die Stadtwerke mit Sophia Eltrop auch von einer starken, kompetenten Frau geleitet werden, ist gut. Wir achten grundsätzlich darauf, dass wir Unternehmensleitungen möglichst paritätisch besetzen. In der Kultur also gibt es ganz viele starke, engagierte Frauen. In anderen Bereichen könnte man ruhig noch eine Schippe drauflegen, würde ich sagen.

Die schwierigere Frage: Ist Potsdam, in der Kultur, auch eine feministische Stadt?
Das ist tatsächlich eine schwierigere Frage. Da würde ich sagen, wir sind auf einem guten Weg. Indem zum Beispiel beim Theater ein ganz klarer Fokus darauf gelegt worden ist und gesagt wurde: Wir müssen quotieren, um Frauen sichtbarer zu machen. Ich glaube, das gilt für die anderen Bereiche genauso. Im Potsdam Museum fragen wir uns auch: Wie können wir Frauen aus der zeitgenössischen Kunst stärker dabei helfen, eine Bühne zu finden? Das wollen wir künftig noch stärker unterstützen.

Was tun Sie als Kulturbeigeordnete, um Impulse in diese Richtung zu setzen?
Wichtig ist tatsächlich, dass wir das gemeinsam mit unseren Einrichtungen thematisieren. Dass wir ein Bewusstsein dafür schaffen – und wo es gegeben ist, Maßnahmen ergreifen. Aktuell beschäftige ich mich auf Impuls von Stadtverordneten mit dem Thema Gender-Budgeting. Also mit der Frage: Wie können wir über Haushaltsmittel abbilden, dass an bestimmten Stellen geschlechterspezifische Herausforderungen liegen? Wir haben zum Beispiel eine Unterrepräsentation von Frauen im Sport. Da müssen dann gegebenenfalls auch Mittel umgeschichtet werden. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir versuchen, externe Impulse aufzunehmen und dann auch Ressourcen und Wege zu schaffen.

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Sie bezeichnen sich selbst als Feministin „aus vollem Herzen“. Was müsste passieren, damit das auch für Potsdam gilt?
Frauen stellen 50 Prozent der Bevölkerung. Wenn das in allen Bereichen abgebildet werden würde – dann wären wir soweit. Da haben wir sicherlich noch Nachholbedarf. Wichtig dafür ist, dass wir bestimmte Strukturen schaffen. Denn Frauen übernehmen im Moment ja oft noch wesentlich mehr Care-Arbeit. Mir ist wichtig, dass man Frauen nicht in Rollen hineindrückt, in die sie nicht wollen, aber sie sollen die identischen Optionen haben. Wenn dann noch die Sichtbarkeit im öffentlichen Raum dieselbe ist, dann könnten wir auch selbstbewusst sagen: Wir sind eine feministische Stadt.

Das alles steht aber klar im Konjunktiv.
Ja, denn das wird nicht in der jetzigen Generation vollständig auflösbar sein. Dafür sind bestimmte Dinge noch zu eingeschliffen. Und, um auch mal etwas Selbstkritisches anzumerken, ich glaube, wir Frauen müssen uns stärker mit Frauen solidarisieren. In der Diskussion darum, ob man Annalena Baerbock zur Kanzlerin wählen kann, habe ich oft von Frauen Kritik gehört, die einfach nur die übernommene Sichtweise von Männern war. Das sehe ich sehr kritisch. Da müssen wir uns fragen: Wie kann man die tradierten männlichen Zirkel mit anderen Formaten flankieren und Frauen stärker supporten?

Wichtigstes Stichwort also: Netzwerke?
Ja. Was ich auch ganz wichtig finde bei allen, die Töchter erziehen: Dass wir ihnen von Anfang an vermitteln „Natürlich könnt ihr all das, was Männer auch können.“ Ich erlebe es oft bei Vorstellungsgesprächen, dass Frauen sich viel stärker selbst reflektieren – meines Erachtens eine sehr gute Tugend. Aber es führt dazu, dass Frauen sich viel stärker fragen, ob sie bestimmte Positionen adäquat ausfüllen können. Männer sagen dann eher: „Ich kann im Zweifelsfall alles.“ Da ist es die Aufgabe von Elternhäusern und Bildungssystemen aufzuzeigen: Da kann man als Frau genauso selbstbewusst rangehen.

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Sie sind eine Frau in Machtposition. Gibt es eine spezifisch weibliche Art und Weise, über Macht zu verfügen?
Da würde ich keinen primären Unterschied vor dem Hintergrund des Geschlechts machen wollen. Den Unterschied macht, wie stark man sich mit der eigenen Rolle und der eigenen Führungsrolle auseinandergesetzt hat. Ich würde sagen, an meinem eigenen Führungsstil ist spezifisch weiblich, dass mich das Gegenüber stark interessiert und ich die Themen wirklich durchdringen möchte. Das kann auch manchmal sicher etwas anstrengend sein, wenn ich da beharrlich nachfrage – und erst auf Basis des Dialogs in die geforderte Entscheidung gehe.

Wie haben Sie das erlebt: Müssen Frauen nach wie vor mehr leisten als Männer?
Grundsätzlich ja, vor allem Frauen in Doppelfunktion als Führungskraft und Mutter müssen sich stärker profilieren und positionieren als ein Mann. Bei der Berichterstattung der neuen Bundesminister habe ich mit Schrecken erlebt, dass bei den Frauen erwähnt wird, wie viele Kinder sie haben. Bei keinem der männlichen Minister ist das bemerkt worden. Die Erwartungen an Frauen, diese beiden Aspekte des Lebens adäquat zu bewältigen, ist ungleich höher. Das habe ich in allen Positionen, in denen ich Verantwortung hatte, erlebt. Da kann man nur über Inhalte punkten. Aber ich fand es immer auch wichtig, selbstbewusst zu sagen: Meine berufliche Rolle ist eine Rolle, die ich einnehme – aber es gibt auch ganz viele andere Rollen.

Werden Sie dafür intern kritisiert?
Gerade bei Jüngeren habe ich darin auch Vorbildfunktion, von denen wird das positiv goutiert. Ich habe mich für beide Rollen entschieden und weiß, dass das an manchen Stellen zu Kompromissen führt – aber ich muss hinter den Kompromissen stehen. Wenn andere Menschen andere Lebensmodelle verfolgen, beeinflusst mich das wenig bis gar nicht.

Wie schafft man so eine innere Festigkeit?
Die muss man sich erarbeiten. Das ist nichts, mit dem ich gestartet bin. Dazu kann man sich gut extern beraten und coachen lassen.

Und wie nehmen Sie das auf, wenn ein Politiker über Sie sagt: „Sie sieht nicht nur gut aus, sie ist auch fachlich kompetent“?
Ich habe den Satz nie so kritisch bewertet, wie er dann Widerhall gefunden hat. Der von Ihnen zitierte Politiker hatte mich im Vorhinein gefragt, ob er das so sagen dürfe. Darauf habe ich ihm zurückgemeldet, das sei sehr chauvinistisch, aber so sei er halt. Ich weiß, dass auch seine Frau beruflich sehr erfolgreich ist und weiß, wie er das meint. Es zielt darauf ab, dass man nicht in eine Schublade gesteckt wird. Für mich war das kein Affront. Ich finde es auch immer etwas schwierig, wenn wir uns bei diesen Dingen so verbeißen. Da gerät schnell aus dem Blick, worum es wirklich geht.

Worum geht es denn wirklich?
Gelebte und echte Gleichberechtigung. Ich erlebe, dass Frauen zum Beispiel Sexismus ausgesetzt sind, der deutlich gravierender ist als ein vielleicht etwas unüberlegter Spruch eines Mannes im höheren Lebensalter. Von daher kann mich so ein Kommentar nicht anfechten.

Das Gespräch führte Lena Schneider

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