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Ilka Brombach leitet Moving History und ist seit Oktober 2020 auch kuratorische Leiterin des Filmmuseums Potsdam.

© Andreas Klaer

Interview mit Potsdamer Festivalleiterin Ilka Brombach: „Festivals haben einen prekären Status“

Erinnerungskultur, Festivals und Verleihung des Filmpreises „Clio“ am 12. Dezember: Acht Fragen an Ilka Brombach, die das Filmfestival Moving History leitet und seit Kurzem im Leitungsteam des Filmmuseums Potsdam ist.

Frau Brombach, 2020 findet das Festival Moving History nicht statt – schuld ist ausnahmsweise aber nicht Corona. Was ist der Grund?
Ilka Brombach: Wir waren von dem Anfang im Jahr 2017 an ein Festival, das nur alle zwei Jahre stattfindet. Wir würden es perspektivisch aber sehr gern jährlich umsetzen. Dazu gehört aber eine gute Finanzierung, für das Team, die Logistik. Diese haben wir noch nicht. Stadt und Land haben uns toll unterstützt – aber über kleinteilige Projektfinanzierung. Was im Übrigen die rund 400 Festivals in Deutschland generell betrifft: Sie haben viel Zulauf, aber selten institutionelle Förderung. Auch unter Corona-Bedingungen gehören wir nicht zu denjenigen, denen zuerst Hilfe angeboten wird.

Das klingt, als sähen Sie da Nachholbedarf.
Es wäre wünschenswert. Die Corona-Situation verschärft noch einmal die Frage, wie die Vielfalt von Kultur nach der Coronakrise zu gewährleisten sein wird – wenn dann stark gespart werden muss. Ich bin ja nicht nur Festivalleiterin, sondern seit Oktober als wissenschaftlich-kuratorische Leiterin auch im Filmmuseum Potsdam tätig, insofern kann ich den prekäreren Status von Festivals gut sehen. 

Woher die Entscheidung, auch ohne Festival den Filmpreis „Clio“ zu verleihen?

Die „Clio“ ist ja ein Preis für den besten Geschichtsfilm einer Jahresproduktion. Wir sind ein junger Preis, der erst allmählich in der Branche bekannt wird, aber wenn er seriös vergeben werden soll, dann brauchen wir Kontinuität, dann muss er jährlich vergeben werden. Nachdem wir jetzt das dritte Jahr ein Festival planen, hatten wir den Eindruck, dass wir den Filmpark als Preis-Stifter darum bitten können, den Preis auch ohne Festival zu verleihen.

Den Preis erhält Caroline Link für „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“, die Verleihung ist am 12. Dezember ab 12 Uhr auf www.moving-history.de abrufbar. Was genau ist geplant?
Wir hatten überlegt, ob wir live ein reines Online-Event machen wollen, als Stream. Da Caroline Link aber in München wohnt und in der gegebenen Situation nicht kommen kann und will, war klar, dass wir keine physische Situation einfach abfilmen können. Daher wurde die Verleihung vorproduziert. Die Preisstatue der Clio wurde verschickt und wir haben aufgenommen, wie Caroline Link sie auspackt. Vor allem aber haben wir ein tolles Gewinner-Laudatoren-Paar gefunden. Uns liegt sehr daran, Laudatoren zu finden, die mit dem Thema wirklich eng verbunden sind. Ich glaube, noch nie ist uns das so gut gelungen wie in diesem Jahr.

Die Laudatio hält Susan Neiman, Leiterin des Einstein Forums.
Wir haben vorab ein Gespräch zwischen Preisträgerin und Laudatorin aufgezeichnet und die beiden hatten sich aus dem Herzen ihrer künstlerischen und intellektuellen Arbeit heraus richtig viel zu sagen. Dieses Gespräch wird das Herzstück der Onlinepreisverleihung sein.

Was genau verbindet die beiden in Ihren Augen?
Susan Neimans aktuelles Buch beschäftigt sich mit der deutschen Aufarbeitung von NS-Geschichte. Sie vergleicht das mit dem US-amerikanischen Umgang mit Geschichte. Dabei ist Deutschland ein positives Beispiel, wie eine Gesellschaft das Böse in ihrer Vergangenheit behandelt. Caroline Link hat sich filmisch zweimal mit der NS-Zeit beschäftigt, in „Nirgendwo in Afrika“ und dem aktuellen Film. Sie ist eine besondere Vertreterin dieser deutschen Erinnerungskultur.

Inwiefern ist der Preis im Krisenjahr 2020 auch ein politisches Statement?
Es lag uns als Jury daran, den Film auszuwählen, den wir am gelungensten fanden. Was ich an dem Film bemerkenswert finde, ist, dass er nicht nur ein generationenübergreifender Film ist, sondern zugleich ein grandioser Geschichtsfilm. Wie erzählt man einer jüngeren Generation von unserer grausamen Geschichte? Der Film macht das ungewöhnlich, ohne Schablonen wie Naziuniform und Hakenkreuzflagge oder schockierende Gewalt. Ohne erzieherische Geste. Das kann man auch in der aktuellen Debatte als extrem sinnvollen Ton auffassen.

Weil er auf unpädagogische Art sagt: Geschichte kann sich wiederholen?

Caroline Link ist bekannt dafür, dass sie in keine Kategorie passt, weder Arthouse, noch Unterhaltung. Wenn man sagen kann, dass Spaltung eines der großen Probleme im Jahr 2020 war, dann ist das sicher ein extrem wertvoller Film. Er denkt nicht in Lagern. Er ist für unterschiedlichste Publika zugänglich.

Ilka Brombach, geboren 1969 in Berlin, ist Filmwissenschaftlerin und leitet seit 2017 das neu gegründete Festival Moving History. Seit Oktober 2020 ist sie kuratorische Leiterin des Filmmuseums Potsdam.

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