zum Hauptinhalt
Die Schriftstellerin Sigrid Grabner schrieb den zweiten Teil ihrer Autobiografie.

© Andreas Klaer

Interview mit der Potsdamer Schriftstellerin Sigrid Grabner: „Entwurzelte treffen auf Entwurzelte“

Die Potsdamer Schriftstellerin Sigrid Grabner spricht im Interview über Heimat, Ausgrenzung und Rechtsgeschrei, das für sie hysterisch ist.

Frau Grabner, gerade ist der zweite Teil Ihrer Autobiografie „Im Zwielicht der Freiheit. Potsdam ist mehr als Sanssouci“, erschienen. Er ist prallvoll von Lebensgeschichten und „Glückskatastrophen“. Welche ist Ihre größte Glückskatastrophe?
 

Schriftstellerin geworden zu sein. Es ist ein schöner Beruf, aber anstrengend und mit Anfechtungen versehen.

Ihr neues Buch wird sicher auch bei manchen anecken. Ein Kapitel widmet sich der Projektgruppe, die die 1000-Jahrfeier in Potsdam 1993 vorbereitete, und der Sie angehörten. Sie gaben das hochgelobte Festbuch heraus, wurden dann aber rausgeschmissen. In Ihrer Biografie gehen Sie teils sehr persönlich mit dem ehemaligen Oberbürgermeister Horst Gramlich ins Gericht, ohne ihn namentlich zu nennen. Aber jeder weiß natürlich, was mit „grämlich“ gemeint ist. Das klingt nach Abrechnung.

Das war es ganz bestimmt nicht. Aber diese Projektgruppe ist ein Paradestück für den Umbruch. Als ich in die Gruppe kam, fand ich einen Oberstleutnant der NVA als Leiter vor, denn dieses Vorbereitungskomitee ist ja schon 1987 gegründet worden. Die Leute haben sich redlich bemüht und es stand vieles in ihrer Konzeption, was dann auch in unserer stand. Diese alte kleine Mannschaft gab es bis zur Wende. Aber dann war ein Oberst aus der NVA auf dieser Position nicht mehr en vogue. Also suchte man einen neuen und fand ihn in dem Potsdamer Journalisten Dieter Weirauch. Der suchte sich eine neue Mannschaft zusammen, zu der auch ich gehörte. Wir bemühten uns nun, ein Bürgerfest zu organisieren, den Wiederaufbau Potsdams zu beschleunigen und die Bürger mit einzubeziehen, so dass sie stolz auf ihre Stadt sind. Doch inzwischen fand natürlich auch eine demografische Verschiebung statt. Viele gingen aus Potsdam weg, weil sie Stasi oder Armee waren oder die Mieten nicht mehr bezahlen konnten.

Es kamen Neue aus dem Westen, auch Fachleute.

Was wichtig war: Keiner von uns kannte ja die Gesetze, keiner fand sich in den neuen Verwaltungsstrukturen zurecht. Wir mühten uns redlich, ein Konzept zu erstellen. Dem Oberbürgermeister ging das aber alles zu langsam. Er wollte schnell Ergebnisse sehen. Dieter Weirauch kannte Gott und die Welt und das war sehr wichtig. Er war aber kein großer Organisator und der Oberbürgermeister vertraute ihm nicht. Also suchte Gramlich einen Neuen, der aus dem Westen sein musste. Weirauch wurde von heute auf morgen abgesetzt, der Neue eingesetzt.

Das war die dritte Etappe.

Ja und mit ihr kam die Eventkultur. Börries von Liebermann machte das, was er immer getan hatte: Nicht kleckern, sondern klotzen. Geld ist da, wenn man es braucht. Während wir ja noch vom Osten her dachten, man kann nur das Geld ausgeben, was man auch hat. Ich habe das Ganze nur ausgehalten, weil ich das Festbuch machte, was im Oktober 1992 dann vorlag. Der Grundfehler war, dass man vier Jahre nach der Wende kein solches Fest feiern kann, ohne die Einheimischen mit einzubeziehen. Es hätte ein gleichberechtigtes Team sein müssen.

Darüber haben Sie, ein Dreivierteljahr bevor Sie als erster ostdeutscher Ehrengast für zwei Monate in die Villa Massimo nach Rom fuhren, in einem Vortrag an der Uni Potsdam gesprochen. Das brachte Ihnen seitens Herrn von Liebermanns den Vorwurf „Nestbeschmutzerin“ ein.

Ich stellte in dem Vortrag die Frage: Kann man eine Kultur innerhalb von zwei Jahren wirklich so verändern: von Bürgerfest auf Eventkultur? Beziehen wir Vereine und möglichst viele Mitwirkende der Stadt ein oder holen wir große Künstler aus aller Welt ran, die schrecklich viel Geld kosten? Man setzte den Leuten Sachen vor, mit denen sie oft nichts anfangen konnten. Vieles war auch nicht sehr gehaltvoll. Das war meine Kritik.

Sigrid Grabner.
Sigrid Grabner.

© Andreas Klaer

Es gab Zeitungsartikel mit Überschriften wie „Eklat bei Potstausend“, „Krach um Sigrid Grabner“, woran sich heute kaum mehr jemand erinnert. Obwohl Sie sich wehrten, zu den Opfern der deutschen Einheit gerechnet zu werden, wurden Sie gegangen und fielen in eine Depression.

Der Abgang war verlogen und unrühmlich. Ich kam aus der Villa Massimo zurück, wo ich mit Einverständnis des Magistrats war, und das erste was man mir nach meiner Rückkehr sagte: Sie können gehen. Wir haben kein Vertrauen mehr. Da waren Sie damals überhaupt die erste, der ich das erzählte. Ich saß in meinem Container und da riefen Sie wegen irgendetwas an. Ich konnte nur sagen: „Ich bin gefeuert“. Dann lief die Pressemaschinerie. Alle regten sich furchtbar wegen der Gemeinheit auf. Bis der OB zu mir sagte: „Sie können bleiben“. Ich war immer noch am Zweifeln, ob ich vom Schreiben leben kann und wusste eigentlich, dass es nicht geht und ich wieder in die Arbeitslosigkeit komme.

Aber da hatten Sie schon öffentlich gesagt, dass Sie kündigen. War es Stolz, nicht zurückzurudern?

Wohl auch. Ich wollte zu meinem Wort stehen. Aber ich hatte auch das Gefühl, dass die Sache für mich abgeschlossen ist. Meine Neugierde auf Menschen aus Ost und West war erstmal befriedigt. Es ist aber neben dem Literaturbüro, das ich danach gemeinsam mit Hendrik Röder aufbaute, die spannendste und schönste Zeit meiner Arbeit gewesen. Ich lernte so viele unterschiedliche Menschen kennen. Das war einfach eine Kostbarkeit. Und dieses Abrutschen danach resultierte aus der Überarbeitung, der menschlichen Enttäuschung, dem Nichtweiterwissen.

Was half Ihnen aus dem schwarzen Loch?

Eine Ärztin, ein katholischer Priester und gute Freunde.

Ihre Biografie ist ein liebevoller Nachruf auf weithin Vergessene dieser Stadt, wie Hermann Maaß, Henning von Tresckow oder Emmi Bonhoeffer, die Sie durch Ihr Schreiben wieder ins Bewusstsein zurückholen. Fühlen Sie sich selbst vergessen?

Darüber habe ich überhaupt noch nicht nachgedacht. Irgendwann bin ich ohnehin vergessen, das ist einfach so. Und jetzt, im Leben stehend, sage ich: Nein. Ich habe nie erwartet, dass mich Leute kennen. Es ist aber schön, wenn ab und zu jemand ein Buch von mir liest.

Sigrid Grabner im Jahr 2014.
Sigrid Grabner im Jahr 2014.

© Andreas Klaer

Sie sind ein Flüchtlingskind, strandeten in Merseburg und kamen schließlich über Werder nach Potsdam. Ist Ihnen Potsdam zur Heimat geworden?

Über den Heimatbegriff denke ich auch in dem Buch viel nach: über Böhmen, Merseburg, über Deutschland, das christliche Abendland. Sagen wir so: Ich lebe seit dem Tod meines Mannes, also seit 43 Jahren, in Potsdam, und ich kann mir nicht mehr vorstellen, in einer anderen Stadt zu leben. Dieser zweite Teil meiner Biografie ist eine Liebeserklärung an Potsdam. Ich weiß nicht, ob der Leser das auch so empfindet. Zu DDR-Zeiten habe ich die Landschaft geliebt. Wenn ich aus Rom zurückkam, sah ich in all den Ruinen und in der Verwahrlosung ein Stück Italien. Die Schönheit von Potsdam habe ich erst begriffen, nachdem ich in Rom gewesen war. Die Menschen indes, die kaum italienisch sind, sondern spröde und zurückhaltend, die Brandenburger eben, haben mir lange Zeit Schwierigkeiten bereitet. Bis ich erkannt habe, dass unter dieser Sprödigkeit ein schneller Verstand und ein warmes Herz ist.

Sie mussten sich erst auf die Menschen einlassen.

Ja. Und inzwischen ist es ein so großes Durcheinander von Menschen aus aller Welt: Da ist kaum noch der Potsdamer erkennbar. Es ist eher ein Glücksfall, wenn man auf jemanden trifft, der sagt: Ich bin hier geboren. Kurz nach der Wende habe ich davon geträumt, in den Breisgau zu gehen, da ist es schön warm. Doch dann habe ich mir gesagt: Da kennst du keinen Menschen und für die ist da, wo du herkommst, fast Sibirien. Da versteht dich keiner. Ich bin aus Überzeugung in Potsdam geblieben und auch wenn viele inzwischen gestorben sind, die Bevölkerung gewechselt hat, fühle ich mich noch immer in der Stadt geborgen.

Sie notierten 1990 in Ihrem Tagebuch: „Das Schlimmste aber ist die Entwurzelung: Hinausgeschleudert aus den alten Verhältnissen. Das könnte leicht zu gefährlichen Situationen, gesellschaftlichen Katastrophen führen.“ Ist die zunehmende Macht der AfD, das Auseinanderbrechen Europas die Vorstufe?

Fragen Sie mich etwas Leichteres. Aber die Entwurzelung ist eine große Gefahr. Keiner im Westen kann sich vorstellen, was die Menschen im Osten bewältigt haben. Das hat der relative Wohlstand nicht aufgewogen. Und dazu kommen die entwurzelten Menschen aus aller Welt. Das ist im Osten besonders schwierig, weil Entwurzelte auf Entwurzelte treffen, auf Leute, die eigentlich noch nicht recht im neuen Deutschland angekommen sind und sich benachteiligt fühlen. Allein solche Bemerkungen: „Jetzt müsst Ihr erstmal richtig arbeiten, weil Ihr alles habt verkommen lassen“, hinterlässt Verletzungen. Dazu kommt der normale Neid auf Menschen, die sicher in ihrem Haus leben und schon seit Jahrzehnten SPD oder CDU wählen. Wenn ich morgens beim Schwimmen im Heiligen See auf Leute aus dem Westen treffe, erzählen auch manche, dass sie hier kaum Fuß gefasst haben. Aber sie wählen dennoch die SPD oder CDU, weil es schon immer ihre Partei war.

Und wie ist es bei den Ostdeutschen?

Bei uns ist das anders. Wir fragen: Was will diese Partei? Klar, viele laufen auch nur Parolen hinterher. Aber es gibt eben nicht die Stammwähler. Bei uns gab es keine SPD, CDU oder die Grünen. Die Leute finden also in der Partei keine Heimat. Als ich zu DDR-Zeiten zu meinem Mann sagte: „Tritt aus der SED aus. Die dich verfolgen, sind Lumpen und Verbrecher“, entgegnete er mir: „Ich bin groß geworden bei den Kommunisten. Für ihre Ideale habe ich gekämpft und gelitten“. Sein ganzes Leben war damit verknüpft.

Wir schreiben 30 Jahre nach der Wende: Warum kommt erst jetzt das große Aufbegehren?

Am Anfang wussten viele nicht, wo ihnen der Kopf steht. Die Menschen mussten erst Boden unter die Füße bekommen. Doch alles sollte schnell gehen. Zu schnell. Statt vielleicht erstmal auf eine Konföderation der beiden deutschen Staaten zu setzen, kam gleich der Anschluss. Die Leute wollten eben sofort das Westgeld. Da fällt mir immer wieder Friedrich Engels ein, der sagte: Der eine will das, der andere jenes und herauskommt, was keiner von beiden gewollt hat. Alles hat sich gewandelt für uns im Osten, auch angesichts der rasanten technischen Entwicklung und der Entwicklung in Europa, wo sich die Schwerpunkte der politischen Entscheidungen immer weiter weg von den Menschen bewegen. Es wird immer schwerer, die Welt zu verstehen. Ich ringe nach Verständnis, kann aber keine Prognosen abgeben.

Sie schreiben über eine Rechts-Hysterie, einen „Totalitarismus neuen Typs“. Was meinen Sie damit?

Am besten ist das zu beschreiben an der Ausladung des Chefredakteurs der Zeitung „Junge Freiheit“, Dieter Stein. Er sollte 1993 Gast einer Podiumsdiskussion bei „Potstausend“ sein. Nach der Ausladung schrieb ich einen Artikel über Toleranz, der in den PNN veröffentlicht wurde. Daraufhin rief Klaus Ness von der Landesregierung bei mir an und forderte mich auf, mich von dem Artikel öffentlich zu distanzieren. Mit solchen „Nazis“ wie Stein rede man nicht. Das fand ich ein Unding. Mir ist als Schriftstellerin die Presse- und Meinungsfreiheit ungemein wichtig. Und ich will auch wissen, was der andere denkt, mich mit ihm auseinandersetzen. Toleranz ist nicht, wenn jemand mit mir einer Meinung ist, sondern wenn ich die andere Meinung aushalte. Ich muss sie ja nicht akzeptieren. Was den Nationalsozialismus betrifft, bin ich sehr empfindlich. Mein Mann war im Konzentrationslager und ich weiß ganz genau, was man sich unter Nazis vorstellen kann. Und wenn Leute als Nazis bezeichnet werden, nur weil sie eine andere Meinung haben, werde ich böse. Diese Verengung des Meinungskorridors finde ich bedenklich. Entweder müssen wir die Leute einsperren oder totschlagen – oder aber mit ihnen reden. Ich kann als Schriftstellerin nicht mehr frei denken, wenn ich überlegen muss, bin ich jetzt rechts? Wobei gegen Rechts nichts zu sagen ist. Mein rechter Arm ist genauso wichtig wie mein linker. Wir brauchen beide.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Sie beziehen sich in Ihrer Biografie auch auf den Schriftsteller Imre Kertesz, den Sie beim Literaturbüro kennengelernt haben. Er sollte nach Meinung der New York Times 2014 eine Auszeichnung ablehnen, die ihm Victor Orban überreichte.

Er nahm diese Auszeichnung an und lehnte es ab, die Regierung Orban als Diktatur zu bezeichnen. Deshalb verwehrte die Zeitung ihm ein Interview. Kertesz war ein kluger und geistreicher Mann. Er wusste, was eine Diktatur ist. Er hatte die Nazis erlebt und die Kommunisten. Er widerrief nicht. Diese Verwirrung der Begriffe lehne ich ab. Dieses nicht mehr Differenzieren. Dieses Rechtsgeschrei ist für mich wirklich eine Hysterie. Rechtsextremismus wie Linksextremismus sind hingegen problematisch.

Sie schreiben von Toleranz als einem „schwarzen Engel der Vernunft“. Warum?

Ich meine den Missbrauch von Worten, die negative Seite. Der eine bezeichnet es als human, wenn man vor der lybischen Küste Leute aufnimmt. Der andere bezeichnet es als inhuman, weil die Schlepper gefördert werden. Ich will damit sagen, dass Worte wie Freiheit, Humanität oder Toleranz auch leere Hülsen sein können.

Ihrem ehemaligen Kollegen vom Literaturbüro, Hendrik Röder, warf man einst vor, reaktionär zu sein. Ab wann ist man reaktionär?

Das liegt immer im Auge des Betrachters. Eigentlich ist es ein Schimpfwort. Reaktion heißt aber nur, auf etwas zu reagieren. Man kann heute keine Diskussion mehr führen, wenn man vorher nicht genau die Wörter definiert, die man benutzt. Nicht umsonst ist das Wort Schlagwort erfunden worden. Man schlägt damit auf den anderen ein. Das ist eine Verrohung und Banalisierung der Sprache und macht die Verständigung immens schwierig. Wir leben in einer Kommunikationsgesellschaft und verstehen uns nicht mehr.

Wann stehen Sie auf und sagen: Bis hierher und nicht weiter?

Es gehört zu jeder Diskussion ein Vorschuss an Vertrauen. Auch wenn jemand AfD wählt, will ich wissen, wer ist dieser Mensch, wie ist sein Leben. Wir bleiben immer in der Vorstufe zum Argumentieren stecken, weil wir uns immer etwas an den Kopf schlagen. Es gärt und sumpft, wenn man immer nur eine Meinung hört. Da fällt mir auch die Diskussion um den AfD-nahen Maler Axel Krause ein ...

... der in Leipzig nicht ausstellen durfte, aber im Potsdamer Kunst-Kontor zu sehen war.

In dem Zusammenhang dachte ich an Emil Nolde. Ich würde kein Bild von ihm abhängen, wenn es mir gefällt. Es gibt ganz große Künstler, die politisch blind waren oder anders dachten und denken als ich. Deswegen haben sie trotzdem große Kunst hervorgebracht. Wir können da nicht ein politisches Reinheitsgebot postulieren. Wir sind an dem Punkt angekommen, wo sich Meinungslager unversöhnlich gegenüber stehen. Ich bin kein Abonnent der Jungen Freiheit, ich bin kein Mitglied der AfD, aber ich versuche, die Menschen zu verstehen, die diese Partei wählen. Wenn Politiker kommen und sagen: Das ist das Pack, das ist Dunkeldeutschland – dann geht das nicht. Man verurteilt viel zu schnell. Und es hat jeder das Recht, auch AfD zu wählen. Warum sieht man nur auf der einen Seite das Recht und die Moral? Und auf der anderen den Pöbel. Das ist elitär.

Sie schreiben, dass das christliche Abendland von innen verdorrt, aber auch von Vertrauen, „das am Ende dich umfängt“. Worauf vertrauen Sie?

Auf Gott und auch auf Menschen. Aber nicht auf alle. Ich bin einst angetreten, um die Welt besser zu machen, sie zu verstehen. Dafür bin ich 1989 auch auf die Straße gegangen. Und am Ende dieses Lebens sehe ich: Besser hast du sie nicht gemacht. Das Elend und die Kriegsgefahr haben zugenommen, die Menschen gehen aufeinander los wie die Wilden. Das ist nichts Neues in der Geschichte. Aber wir wollten die Welt doch friedlich einrichten. Ich hoffe, dass nach uns Menschen kommen, die das gleiche Ziel haben. Wunder geschehen immer wieder. Wir haben den Fall der Mauer erlebt und keiner sah das voraus. Ein so einmaliges und so positives Erlebnis! Ich gehe noch immer ergriffen über die Glienicker Brücke. Ich weiß, wie privilegiert ich bin. Mir geht es gut. Ich werde nicht verfolgt. Dafür bin ich dankbar.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false