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Allein auf weiter Flur? Die Dauerausstellung des Potsdam Museums war 2020 coronabedingt 34 Wochen lang geschlossen. Gesundheitsschutz geht natürlich vor, sagt Direktorin Jutta Götzmann.

© Ottmar Winter

Update

Interview | Jutta Götzmann, Direktorin des Potsdam Museums: „Finden wir überhaupt Gehör?“

Direktorin Jutta Götzmann sorgt sich um den Stellenwert der Kultur in der Krise. Ein Gespräch über Probleme, Pläne und auch Erfolge des Potsdam Museums.

Frau Götzmann, 2020 war für das Potsdam Museum geprägt von zwei Superlativen: eine monatelange, coronabedingte Schließzeit – und mit Karl Hagemeister die bislang erfolgreichste Sonderausstellung. Was überwiegt, Stolz oder Bedauern?
Das Jahr 2020 war für uns wirklich ein herausforderndes Jahr, zugleich aber auch ein sehr stilles Jahr. Wenn ich auf die Hagemeister-Ausstellung zurückblicke, dann war die Euphorie bei der Eröffnung am 7. Februar zunächst natürlich sehr groß, es gab eine wunderbare Zusammenarbeit mit unseren Partnerhäusern. Aber dann sind wir im vollen Lauf gestoppt worden, das war schon ein herber Schlag. Natürlich haben wir uns gefreut, dass mit der Wiedereröffnung im Mai das Interesse an der Hagemeister-Schau ungebrochen war. Sie hatte 19 000 Gäste: Ein positives Highlight.

Die Dauerausstellung war 34 Wochen lang zu, die Sonderausstellungen 17 Wochen. Was nehmen Sie aus dieser Krise mit?
Rückblickend wiegt der zweite Lockdown noch schwerer als der erste. Die Schließung streckte sich zunächst bis Ende November, aktuell bis Ende Januar. Der Schatten fällt aber auch schon auf Februar und März. Das ist für uns sehr einschneidend, gerade was die Retrospektive von Frank Gaudlitz angeht. Die kann man nicht einfach ein oder zwei Jahre später wiederholen. Daher wird die Ausstellung auch bis 2. Mai 2021 verlängert.

Hat 2020 weitere Spuren hinterlassen?
Wir haben unsere regelmäßigen Arbeitssitzungen für die Neuausrichtung der Dauerausstellung erst minimiert und dann komplett einstellen müssen. Statt Teamwork stand Depotarbeit und wissenschaftliche Recherche des Einzelnen auf der Tagesordnung. Dann hatten wir das IT-Problem, das im Sommer mehrere Wochen den Betrieb lähmte. Dadurch gab es 2020 große Einschränkungen.

Als der zweite Lockdown einsetzte, war zunächst gar nicht klar, ob Museen auch schließen sollen: Man hatte sie einfach nicht genannt. Werden Museen als Bildungsorte ernst genug genommen?
Natürlich hat die Eindämmung der Pandemie absolute Priorität. Was mir aber tatsächlich eine gewisse Sorge bereitet, ist der Stellenwert, den die Kultur in der gesamtgesellschaftlichen Diskussion erhalten hat. Ich sehe, dass dieser Stellenwert insgesamt minimiert wird. Alle Diskussionen über Bildung beziehen sich derzeit ausschließlich auf Schulen, während die Theater und Museen ganz lapidar zu den Freizeiteinrichtungen gezählt werden.

Was steht Ihrer Meinung nach hier auf dem Spiel?
Die kulturelle und ästhetische Bildung, die Auseinandersetzung mit der Historie ist für die Ausbildung unseres Wertesystems unerlässlich – das brauchen wir als Grundlage für unsere Gesellschaft, greift aber im Moment zu kurz. Ich sorge mich um die Folgeschäden. Wenn wir in Krisenzeiten der Kultur kein Gehör mehr geben, dann minimieren wir auch ihren Stellenwert nach der Krise. In einer Umfrage habe ich gelesen, dass 42 Prozent der Museen in Brandenburg langfristige Schäden durch die Pandemie fürchten. Einige sehen den Bestand ihres Hauses in Gefahr. Das sind sehr alarmierende Zahlen.

Jutta Götzmann beobachtet mit Sorge den minimierten Stellenwert der Kultur in der Krise. Ihre Befürchtung: dass die Geringschätzung auch danach anhält.
Jutta Götzmann beobachtet mit Sorge den minimierten Stellenwert der Kultur in der Krise. Ihre Befürchtung: dass die Geringschätzung auch danach anhält.

© Ottmar Winter

Zählen Sie sich zu den 42 Prozent, die langfristige Schäden befürchten?
Wir haben natürlich den glücklichen Umstand, in der Finanzierung etwas fester aufgestellt zu sein als andere. Daher würde ich mich nicht zu den 42 Prozent zählen. Dennoch frage ich mich: Wie schaffen wir es, die Ausrichtung unseres Hauses, die wir seit Jahren im Bereich Depot und Erweiterungsbau vorantreiben, aufrecht zu erhalten? Wie schaffen wir es, Perspektiven aufzuzeigen? Finden wir mit unseren Anliegen überhaupt Gehör? Das treibt mich um.

2017 nannten Sie als Neujahrswunsch: endlich eine Perspektive für den Depotstandort. Wie nahe ist die Erfüllung heute, 2021?
Es gibt mit der Marquardter Chaussee eine Perspektive für ein Zentraldepot für alle städtischen Sammlungen. Dort sind wir mit unserem Museumsmodul für die Jahre ab 2028 eingeplant. Ich hätte mir aber gewünscht, dass die Perspektive für unser Haus schon konkreter wäre und dass wir schon einen festen Zeitplan haben. Dass wir uns mit einer belastbaren gesamtstädtischen Entscheidung auf einen Umzug des Depots vorbereiten können, derzeit ist es noch sehr vage. Ob wir jetzt in relativ kurzer Zeit in ein temporäres Depot ziehen müssen, darüber gibt es noch keine klare Mitteilung.

Der Umzug in das Zwischendepot sollte womöglich bereits 2021 stattfinden. Wie ist hier der Stand?

Bislang wurde uns noch kein Standort als Zwischendepot genannt, der machbar wäre. Wir haben 2020 noch mit Modellen gearbeitet, inwiefern man die Zwischendepotlösung durch eine Erweiterung mit Containern ersetzen kann. Der Vorlauf für einen Depot-Umzug ist mehr als ein Jahr. Um einen geeigneten Museumslogistiker zu finden und das Vorhaben konservatorisch solide zu planen. Ein Gesamtumzug mit mehr als 250 000 Objekten ist ein Großprojekt. Und solche Projekte brauchen Zeit, einen stringenten Zeitplan und eine gute Kommunikation.

Der Förderverein des Potsdam Museums hat die Befürchtung, dass ein Zwischendepot dann zur endgültigen Lösung werden könnte. Teilen Sie die Befürchtung?

Mir fehlen im Moment die Grundlagen, um mich dazu äußern zu können. Wir haben immer wieder gesagt, dass wir eine dauerhafte und belastbare Lösung für den endgültigen Standort brauchen. Jeder Umzug ist mit enormem Aufwand verbunden und für die Sammlung selber nicht förderlich. Wir versuchen daher, die Sammlung so wenig wie möglich zu bewegen und nehmen zunächst die Dauerlösung in den Blick.

Eine weitere Baustelle: Sie haben 2020 die Platznot des Museums angemahnt und einen Bedarf von bis zu 1000 Quadratmetern für regionale Kunst angemeldet. Was halten Sie von der Idee einer Dependance im neuen Kreativquartier an der Plantage?
Das Potsdam Museum ringt zusammen mit dem Förderverein seit Jahren mit der Aktion „Unsere Kunst ans Licht“ um die größere Aufmerksamkeit für die defizitäre Raumsituation. Wir haben eine große Sammlung mit 13.000 Exponaten mit Schwerpunkten in der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts. Im letzten Jahr haben wir gemeinsam mit der Fachbereichsleitung und der Kulturbeigeordneten geschaut, wie sich das genauer in den Blick nehmen lässt. Da stand zum Einen die Prüfung der Flächen der Genossenschaft „Karl Marx“ am Alten Markt im Zentrum. Im September wurde die Konzeption im Kulturausschuss vorgestellt. Die Option im Kreativquartier ist über Stadtverordnete der Linken eingebracht worden. Ich finde es am wichtigsten, über die Stadtverordneten und den Kulturausschuss erst einmal eine generelle Unterstützung des Vorhabens zu prüfen. Der Standort ist dann der nächste Schritt.

Haben Sie eine Präferenz?

Gerade mit Blick auf die zeitgenössische Kunst würde sich das Kreativquartier sicherlich in mehrfacher Hinsicht positiv auswirken. Die aktuelle Künstlerszene der Stadt bildet sich im Moment nur unzureichend ab, und welches Haus wenn nicht wir sollte auch die zeitgenössische Kunstentwicklung museal repräsentieren? Bei der Suche nach Standorten haben wir aber auch die Optionen an unserem Standort am Alten Markt prüfen lassen. Eine sehr überzeugende Machbarkeitsstudie dazu, die in Kürze auch öffentlich vorgestellt werden soll, liegt jetzt vor.

Also keine Präferenz?
Wir können das als Nutzer ja nicht entscheiden. Die Entscheidung liegt bei den Stadtverordneten, aber der eigene Standort hat schon eine Präferenz. Dennoch ist mit vor allem wichtig, dass wir erst einmal ein generelles Go für die Erweiterung bekommen.

Im Herbst soll ein weiteres Museum mit Fokus auf DDR-Kunst eröffnen: Das Museum Minsk. Sie planen eine Sonderausstellung zu Bernhard Heisig. Ein Zeichen, dass Sie sich das Thema nicht nehmen lassen?
Wir haben in unserer Sammlung den Schwerpunkt der Galerie Sozialistische Kunst, mit Peter Rohn, Stephan Velten, dem Ehepaar Raetsch. Von daher ist die Auseinandersetzung mit Kunst in der DDR Aufgabe unseres Hauses. Aus dieser Sammlung heraus planen wir unsere Ausstellungen, etwa „Die wilden 1980er Jahre“. Die Überlegung ist jetzt, mit Bernhard Heisig den Fokus stärker auf sein Spätwerk in Brandenburg zu lenken. Er besaß ja bis 2011 im havelländischen Strodehne sein Atelier. Ausgangspunkt für die Schau sind die 11 Gemälde der späten Schaffensphase, die dem Potsdam Museum im Jahr 2015 für die Dauer von zehn Jahren aus dem Nachlass von Vera Schreck zur Verfügung gestellt wurden.

Derzeit unterstützt das Potsdam Museum noch das Gesundheitsamt personell in der Pandemie. Wie wirkt sich das aus?
Es ist so, dass seit etlichen Monaten fast die Hälfte der Mitarbeiter im Gesundheitsamt aushelfen. Das sind sieben Kollegen, darunter auch die, die die digitale Betreuung des Hauses in den Händen halten, die Webseite, die Social-Media-Kanäle. Wir unterstützen gerne, aber das schränkt unsere Arbeitsfähigkeit natürlich ein. Die digitalen Projekte müssen wir dann angehen, wenn die Kollegen hoffentlich bald wieder zurück sind. Und auch eine zusätzliche finanzielle Unterstützung ist dafür nötig.

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Stichwort Digitalität: Wie sieht es aus mit digital begehbaren Schauen? Die Nachbarn im Museum Barberini zeigen, wie gut das funktionieren kann.

Mit Beginn des Lockdowns haben wir geschaut, wie sich unser digitaler Auftritt verbessern lässt. Wir haben Filme angeboten und Rundgänge durch die Ausstellung auf unseren Social-Media-Kanälen eingespielt. Wir sind digital sicher noch nicht so aufgestellt, wie wir uns das wünschen würden - auch um das in der Professionalität machen zu können, wie es das Museum Barberini anbietet. Ich würde mir auch 360-Grad-Rundgänge für unser Museum wünschen. Was wir in Sachen Digitalisierung planen ist ein Projekt für Ende 2022: eine partizipative Ausstellung, um unsere Kunstsammlung besser vorzustellen. Unsere Besucher werden aufgerufen, selbst zu Kuratoren zu werden. Das soll niedrigschwellig, leichtgängig werden.

Und Lotte Laserstein? Ursprünglich wollten Sie das berühmte Selbstporträt, das seit 2020 neu im Bestand ist, gern im Januar der Öffentlichkeit zeigen.
Ich weiß gar nicht, wie oft ich alle Zeitpläne schon geändert habe. Wir hatten den Veranstaltungskalender für das erste Vierteljahr schon fertiggestellt und haben alles über Bord geworfen. Ich hoffe es im Mai präsentieren zu können, aber erst einmal brauche ich ein Signal aus der Politik, wie es jetzt weitergeht.

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