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Erinnernde. Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase (r.) und Schauspieler Sylvester Groth beim Filmgespräch nach der Vorpremiere von „In Zeiten des abnehmenden Lichts“.

© M. Thomas

„In Zeiten des abnehmenden Lichts“ im Thalia Babelsberg: Scheitern ist kein Privileg der DDR

Zur Vorpremiere des Films „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ im Babelsberger Thalia-Kino sprachen Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase und Schauspieler Sylvester Groth über Träume. Und die Kunst, Würde zu bewahren, auch wenn diese platzen.

Potsdam - So voll war es noch nie bei den Silberstreifen-Filmvorführungen im Thalia, dem Nachmittagsprogramm für Senioren. Ewa 150 Gäste kamen am gestrigen Mittwoch zur Vorpremiere von „In Zeiten des abnehmenden Lichts“. Das Thema DDR-Geschichte ist offensichtlich fast 30 Jahre nach der politischen Wende noch immer oder gerade jetzt etwas, wozu es Gesprächsbedarf gibt.

Der preisgekrönte Roman von Eugen Ruge, eine große Familiengeschichte, die zudem hauptsächlich in Babelsberg spielt, hatte nach seinem Erscheinen 2011 auch Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase angesprochen. Das wäre Stoff für einen Film, dachte er sich. Und: „Ich gehe einfach mal bei dem Ruge vorbei und lerne ihn kennen.“ Man habe sich sofort sympathisch gefunden.

Viel Applaus für „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ 

Jetzt ist der Film längst fertig, Regie führte Matti Geschonneck. Herausgekommen ist das Gemeinschaftsprodukt eines erfahrenen Teams und ein Film mit vielen Vorschusslorbeeren, auch bei der diesjährigen Berlinale wurde er gezeigt. Nach der gestrigen Aufführung in Potsdam gab es viel Applaus – und beim anschließenden Filmgespräch viele Fragen an Kohlhaase und Hauptdarsteller Sylvester Groth. Auch zur Arbeit am Drehbuch. „Man muss sich erst von der Prosa entfernen und dann wieder zu ihr zurück“, sagte Kohlhaase. Die Schwierigkeit des Romans habe in seiner Vielschichtigkeit bestanden, in seinen zeitlich als auch örtlich zerrupften Schauplätzen. „Da hätte man auch gut einen Mehrteiler draus machen können, aber ich wollte es anders.“ Er habe dabei freie Hand gehabt, so etwas gehe nur mit Vertrauen zwischen Autor, Drehbuchautor und Regisseur. Ein gemeinsamer Grundton habe von Anfang an bestanden. „Wir wollen mit dem Film niemanden belehren. Wir erzählen eine Geschichte, von Menschen, die Träume hatten und auch, als diese nicht wahr wurden, ihre Würde behielten. Das wollen wir zeigen.“

Das Scheitern der großen Idee, des Traums vom Sozialismus, wird hierbei anhand des Zerfalls einer Familie erzählt. Eine Familie, in der nur noch aneinander vorbei erzählt und gelebt wird. Hauptdarsteller Sylvester Groth verkörpert Kurt, Sohn der Kommunisten Charlotte und Wilhelm, dessen 90. Geburtstag im Kreise von Familie und Genossen der Erzählmittelpunkt ist – und als Fiasko endet. „Kurt ist konfliktscheu und will da unauffällig durch“, sagte Sylvester Groth. „Es hat mich herausgefordert, ihn sympathisch zu spielen und trotzdem seine Defizite aufzuzeigen.“ Und so spielt er einen stillen aber einnehmenden Mann zwischen einem übermächtigen Vater, seiner eigenen schwierigen Vergangenheit und einem Sohn, der nach vorne schaut und am Geburtstag des Kommunisten in den Westen abhaut; ein Mann mit einer Geliebten, einer russischen Ehefrau und Schwiegermutter. Eine Konstellation, die schon in Ruges Romanvorlage reichlich komisches Potenzial bietet.

Lachen über DDR-typische Witzeleien

Die komischen Momente im Film machen es den Zuschauern leicht, die Rückblende in die absurde, aberwitzige aber auch grausame Vergangenheit zu wagen. Viele der Zuschauer haben sie selbst erlebt. Kohlhaase fragte in den Saal hinein, wer aus der DDR stammte und fast alle Hände gingen hoch. Man outete sich zudem beim Lachen über DDR-typische Witzeleien, wenn der Stasioberst entlarvt wird, die wichtigtuerischen Parteischranzen sich besaufen oder die Vertreter der Wilhelm-Powileit-Brigade der Molkerei detailliert erklären, man wolle jetzt Ostkäse produzieren, der wie Westkäse schmeckt. Auch solche Details machen den Film authentisch, so Kohlhaase, ein Wiederkennungswert, den die Zuschauer honorieren.

Freilich findet sich nicht jedes Detail, jeder Nebenerzählstrang aus dem Buch im Film wieder, manche Kinobesucher bedauerten das. So würden die Nicht-Aufarbeitung der Nazizeit in der DDR, die Rolle des Wilhelm als früher Kommunist als auch Charlottes traumatische Kindheit zu kurz kommen. Der Film kann nur Angebot sein, sagte Kohlhaase. Und er hoffe, dass er damit nicht nur die ältere DDR-Generation anspricht. Tatsächlich finden sich einige aktuelle Bezüge im Film. "Das Scheitern einer Idee ist kein Privileg der DDR. Die Welt ist nicht gemütlicher geworden.“ 

„In Zeiten abnehmenden Lichts“ läuft ab heute im Thalia-Kino in Potsdam Babelsberg, Rudolf Breitscheid Str. 50

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