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HipHop und Graffiti im Filmmuseum: Fehlt der Leidensdruck?

Das HollyHood-Festival lud im Filmmuseum zu „Fuck the System“– und fragte: Wem gehört die Stadt?

Von Helena Davenport

Potsdam - Ein junger Typ mit Stirnlampe sitzt auf dem Dach eines Hochhauses, irgendwo am Berliner Hermannplatz, drumherum ist es stockfinster. Der Straßenschlucht hat er seinen Rücken zugewandt und rutscht mit dem Hintern gen Abgrund. „Werd nicht nervös, mach dich locker“, ruft sein Freund, der die Szene filmt. Das Bild wackelt, der Kameramann muss auch das Kletterseil am Dach befestigen. Wenig später hat sich der junge Typ abgeseilt und baumelt mit Sprühdose in der Hand neben seinem Kollegen.

Die Szene stammt aus „Fuck the System“, dem zweiten Film der Sprayergruppe Berlin Kidz, der am Mittwoch im Filmmuseum zu sehen war. „Pixação“ nennt sich der aus Brasilien stammende Stil, der die Schriftzüge der Berlin Kidz charakterisiert – erschnörkelte Buchstaben, so riesig, dass sie auch noch im angrenzenden Stadtteil zu lesen sind. Vier Jahre nach dem Erscheinen ihres ersten Films, dokumentiert nun auch der neue Streifen das Treiben der Sprayer-Crew. „Fuck the System“ feierte im Dezember im Berliner Babylon Premiere und wurde im Rahmen des HollyHood-Festivals im Potsdamer Filmmuseum gezeigt.

Was radikale Kunst in Potsdam bewegen könnte, blieb unbeantwortet

„Reclaim your City“ – unter diesem Motto stand der zweite Tag des Filmfestivals um die Entstehungsgeschichte der Hip Hop-Kultur. Die Berlin Kidz haben es geschafft, sich Teile ihrer Stadt zu eigen zu machen, wenn auch meist temporär. Sie brechen in Häuser ein, um sich von deren Dächern hinunterzulassen, sie surfen auf U-Bahnen, sie klettern auf Kirchtürme. Sie überwinden jedes Hindernis und widersetzen sich der Staatsgewalt, meist humorvoll, immer bunt maskiert. Oft riskieren sie ihr Leben. Aber wozu? „Letztendlich möchten wir uns nur frei fühlen“, sagt einer der Gruppe im Film. Adrenalin spielt natürlich auch eine Rolle, diesen Kick stellen die Kidz jeglichen Drogen gleich - jedoch nur im übertragenen Sinn. Sucht- und Rauschmittel lehnen sie vollkommen ab.  Mit ihren Aktionen wollen sie Bewusstsein schaffen, für die Rechte jedes Bewohners. Wie „das System“ gerechter werden könnte, müssen allerdings andere weiterdenken.

Wem gehört die Stadt? Um diese sehr spannende Frage drehte sich die anschließende Podiumsdiskussion am Mittwoch. Vorn saßen Anja Engel, Hausmanagerin des Rechenzentrums, der Berliner Rapper PTK und Achim Trautvetter, Geschäftsführer des Kulturzentrums Freiland. Man redete über die Gentrifizierung Kreuzbergs, über die scheinbar wenig rege Mitgliederbeteiligung im Rechenzentrum – der Leidensdruck sei wohl nicht so groß in Potsdam, so Engel. Trautvetter betonte, man müsse auch bereit sein, Regeln zu brechen. Es sei ein Privileg, mit Kunst Sachen ins Rollen zu bringen, sagte PTK. Was folgt daraus? Welche Möglichkeiten hat Potsdam? Wie kann sich jeder sichtbar machen? Wo kann an einem Strang gezogen werden? Was braucht die Jugendkultur? Konkrete Vorschläge blieben im Filmmuseum leider aus. 

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