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„A B, Still“. Das 1986 entstandene Bild, das Hasso Plattner für das Barberini erwarb, ist Ausgangspunkt der Schau.

© Gerhard Richter 2018

Gerhard Richter im Gespräch: „Das sind aber schwere Fragen“

Gerhard Richter ist ein großer Maler, kein großer Redner. Im Museum Barberini stellte er sich dennoch den Fragen von Leiterin Ortrud Westheider und Journalisten. Versuch eines Protokolls.

Herr Richter, Sie waren kritisch, als Ihnen das Thema „Abstraktion“ vorgeschlagen wurde.

War ich das?

In jedem Fall machten Sie dem Museum Barberini ein großes Geschenk: Als Sie das Modell zur Ausstellung gesehen hatten, sagten Sie: Da müssen wir aber noch ein paar jüngere Werke integrieren.

Es ist doch selbstverständlich, wenn ich ein Modell kriege, dass ich dazu etwas beitragen möchte. Das macht doch Spaß.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie jetzt durch die Ausstellung schreiten?

Es ist schon eine Überraschung dabei. Ich sehe Bilder, die ich gar nicht mehr kannte. Aber ich finde, die passen gut hier hin. Ich war froh, dass es geglückt ist. Man weiß ja nie, ob es so wirkt. Schade ist nur, dass in die Räume kein Tageslicht fällt. Und die Luxzahl in Ausstellungen begrenzt ist. Das ist ein bisschen lächerlich.

Welches ist Ihr Lieblingsbild?

Das würde ich ungern nennen. Es ändert sich auch. Das wäre genauso, als würden Sie mich nach meinem schlechtesten fragen. Mich hat mal ein Architekt gefragt: Wo ist da die Kunst? Und ich habe geantwortet: Die Proportionen müssen stimmen. Der Zufall muss so wirken, als wäre alles prima.

Auch Jackson Pollock arbeitete mit dem Zufall und hatte in den späten 50ern eine große Dominanz. War das für Sie eine Herausforderung?

Ich muss sagen: Eine sehr große. Ich war erschrocken und tief bewegt. Ich habe ihn 1959 bei der II. Documenta gesehen. Ich war damals noch in der DDR und es war nicht leicht, nach Kassel zu kommen.

Pollock behandelte wie Sie jeden Punkt auf der Leinwand gleichberechtigt. Da gibt es doch einen Zusammenhang?

Und Unterschiede. Ich kann ja nicht wie Pollock malen.

Aber man spürt die Auseinandersetzung. Es gibt das Nicht-Hierarchische bei Ihnen beiden.

Das mag sein. Aber wirklich interessant ist es doch nur da, wo man heute immer noch spürt: Das ist ein richtig gutes Bild.

In der DDR galt die Abstraktion als ein bürgerlich verschrieenes Medium. Es ist interessant, wie Sie durch die Kunstgeschichte diesen Stil weitergetragen haben.

Es ist schon eine gewisse Verzweiflung über unsere kulturelle Vergangenheit. Die ist so großartig, dass man sich ohnmächtig fühlt. Und trotzdem geht es weiter.

Es gibt das Zitat, dass durch Ihre Bilder eine unveränderliche Haltung gehe. Wie würden Sie diese Haltung beschreiben?

Das sind heute aber schwere Fragen. Das ist was für Analytiker und Philosophen. Es ist mein Hauptinteresse, zu malen. Und es ist ein gewisse Freiheit, dass ich tue, was ich will.

Herr Richter, was geht Ihnen beim Arbeiten durch den Kopf und wann wissen Sie, dass ein Bild fertig ist?

Ob es gut aussieht oder nicht. Und manchmal täuscht man sich auch. Dann ist man am nächsten Tag nicht mehr zufrieden. Es ist kein Denkvorgang. Es ist Malen. Auf keinen Fall geht mir durch den Kopf, wo ich das Bild ausstellen kann.

Wenn Sie durch Ihre Werkschau gehen, finden Sie da Anregungen in Ihren alten Bildern, die Sie wieder aufgreifen möchten?

Nein, es ist eher so, dass ich denke: Du solltest mal wieder malen.

Es gibt den Satz von Ihnen: „Ich mag alles, was keinen Stil hat.“

Das war ein bisschen Zeitgeist. Ich komme aus einem rigiden strengen System: erst Hitler, dann die DDR, diese Bevormundung war furchtbar. Da kommt vieles her.

Sie malten zu Themen wie Birkenau und RAF, die jetzt nicht in der Ausstellung vertreten sind. Sind Sie ein politischer Maler?

Ich glaube nicht. Ich greife Sachen auf, die mich berühren. Politisch malen, das hat ein bisschen einen negativen Klang.

Sie betiteln Ihre Werke oft „Abstraktes Bild“. Wir sehen aber auch ganz viel Landschaft darin, gerade in Ihren letzten Werken. Spinnen wir das rein?

Das ist so gedacht. Abstrakt ist aber nicht ganz exakt. Es klingt so wissenschaftlich. Ungegenständlich wäre richtiger. Aber das klingt bieder.

Bei Ihrer Ausstellung in den USA wurde geschrieben, dass Sie der Picasso des 21. Jahrhunderts seien. Picasso hat seine eigenen Museen. Es gibt aber kein Gerhard-Richter-Museum.

Ein Ein-Mann-Museum möchte ich nicht. Ich möchte mit anderen Künstlern zusammen gezeigt werden. Picasso ist da eine Ausnahme.

Woran arbeiten Sie derzeit?

Momentan an gar nichts. Ich komme ja nicht zum Malen.

Sie stehen immer wieder in der Öffentlichkeit, werden als Deutschlands erfolgreichster Maler bezeichnet. Wie fühlt es sich an, wenn 50 Kameras auf Sie gerichtet sind?

Als schwierig. Aber es ist eben so.

Herr Richter, seit wann war Ihnen klar, dass Sie ein großer Maler sein würden?

Angefangen zu malen habe ich mit 14. Ich dachte immer, was die anderen machen, ist alles Pfusch. Ich habe also immer versucht, besser als die anderen zu malen. Man pendelt ein bisschen zwischen Größenwahn und Verzweiflung.

Notiert von Heidi Jäger

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Gerhard Richter, geboren 1932 in Dresden. Studium an der dortigen Kunsthochschule. 1961 Flucht in den Westen. Von 1971 bis 1993 Professor für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf.

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