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Torsten Schumann zeigt in der Galerie „blumberg“ Fotos voller alltäglicher Wunder.

© Repro: Andreas Klaer

Fotoausstellung in der Galerie 'blumberg": Eine übergroße Wurst und traurige Pandabären

Der Fotograf Torsten Schumann zeigt in der Potsdamer Galerie „blumberg“ Fotos voller alltäglicher Wunder, die zum Nachdenken anregen.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Auf den ersten Blick sieht sie drollig aus. Diese Pandabärfigur, die an einer grünen Rasenrolle sitzt. Die erinnert an die Bürsten in Autowaschanlagen. Da lässt sich der Bär wohl den Rücken massieren, ist der amüsierte Gedanke. Doch dann geht der Blick näher heran und fällt auf einen schwarzen Ring, der um den Hals der Pandafigur gelegt und an eine Eisenstange angeschlossen ist. Der Bär ist gefangen, das kleine Rasenstück an seinem Rücken sein einziger Kontakt mit der Natur.

Mit diesem Schwanken zwischen Komik und Tragik spielen einige Fotografien von Torsten Schumann, die derzeit unter dem Titel „More Cars, Clothes and Cabbages“ („Mehr Autos, Klamotten und Kohlköpfe“) in der Galerie „blumberg“ zu sehen sind. Skurrile Details zeigt er dort. Solche, die überall versteckt sind: an den Häuserwänden, in den Straßen, in Vorgärten. Im Alltag werden sie gerne übersehen. Schumann hingegen, der 1975 in Dresden geboren wurde, spürt ihnen nach und hält sie fest. Das Absurde interessiert ihn, das ist seinen Fotografien deutlich anzusehen.

Diese Pandabärfigur lehnt sich an eine Rasenrolle  – doch sie ist angekettet und hat gar keine andere Wahl. 
Diese Pandabärfigur lehnt sich an eine Rasenrolle  – doch sie ist angekettet und hat gar keine andere Wahl. 

© Repro: Andreas Klaer

Alltägliche Objekte werden lebendig

Nicht nur am Beispiel der angeketteten Pandafigur, die an die vom Aussterben bedrohte Tierart erinnert. Auch scheinbar langweilige Objekte werden in Schumanns Bildern lebendig. Eine rote Schnur zum Beispiel, die eine über einen Parkscheinautomaten gestülpte Mülltüte zusammenhält. In einer ebenfalls roten Graffitiwellenlinie an der Hauswand sieht Torsten Schuman ihre Verlängerung. Auf seinem Foto darf sie im Wind flattern, aus ihrer Unbeweglichkeit fliehen und mit einem ebenfalls roten, hinter einem Fenster vorguckenden Vorhang flirten. Die Schönheit, die Lebenslust in der Tristesse.

Immer wieder findet Schumann solche Leuchtmomente: farbige Keramiktöpfe, die ein Abflussrohr umschmeicheln oder zwei Einkaufswagen, die vor einer grauen Hauswand stehen und bis zum Anschlag mit grünen Kohlköpfen gefüllt sind. Besonders bizarr: ein übergroßer Gabelkopf, der eine Wurst aufspießt. Vermutlich war diese Skulptur mal Werbeträger für ein Restaurant, nun liegt sie vergessen vor einem wackeligen grünen Lattenzaun.

Für seine Fotos ist Torsten Schumann bereits mehrmals ausgezeichnet worden, zuletzt 2017 mit dem PDN Annual Photo Award für sein Fotobuch zu „More Cars, Clothes and Cabbages“. Das ist bereits 2016 im Berliner Peperoni Books Verlag erschienen, inzwischen aber vergriffen. Lediglich eine Spezialauflage für 120 Euro kann auf der Webseite von Torsten Schumann noch bestellt werden – und natürlich Einzelbilder. Die in der Galerie „blumberg“ ausgestellten bewegen sich je nach Größe zwischen 410 und 870 Euro.

Ein bunter Lichtblick inmitten von Tristesse.
Ein bunter Lichtblick inmitten von Tristesse.

© Repro: Andreas Klaer

Schumanns Bilder bergen einen Zauber

Das Wertvolle für den Betrachter: Die Bilder kommen vollkommen unaufgeregt daher. Weder sind dramatisch verfremdende Effekte darüber gelegt, noch sind sie mit irgendwelchen Filtern versehen. Einige von ihnen wirken eher wie ein spontaner Schnappschuss – aber eben darin liegt der Zauber. Die kindliche Entdeckungsfreude des Fotografen überträgt sich beim Betrachten. Das Jubilieren über ein erhaschtes buntes Wunder wird mit jedem Bild größer. Hier ist es ein orangeroter Fahrradsattel, der mit den Goldfischen auf einem Plakat im Hintergrund um die Wette schwimmt. Dort ein bunter metallener Heißluftballon, der aus einem vernachlässigten Wiesenstück herausragt. Wahrscheinlich gehört er zu einem verlassenen Karussell – es bleibt ein Geheimnis. Und dann sind da immer wieder diese nachdenklichen Momente. Bei der alten Dame etwa, die sich, ganz in Grau gekleidet, in einem grauen Wohngebiet auf einem ebenfalls grauen Betonklotz abstützt. Von hinten hat Schumann sie eingefangen, mit krummem Rücken und wehendem Rock. Sie sieht einsam aus inmitten all des Betons und strahlt doch Stärke aus. Fast erwartet und hofft man, dass sie sich gleich wieder aufrichtet und energisch weiterläuft. Hinaus aus dieser Tristesse.

Ganz anders der Pandabär. Nicht jener an der Rasenrolle, sondern ein zweiter: Ein überdimensionales Plüschtier diesmal, das eingezwängt zwischen Warenauslagen in einem Geschäft steht. Nur sein Rücken ist zu sehen, aber schon der sieht traurig aus. Mitnehmen möchte man dieses riesige Kuscheltier und ihm seine unbeschwerte Drolligkeit zurückgeben.

>>„More Cars, Clothes and Cabbages“, bis zum 24. August in der Galerie „blumberg“, Jägerstraße 20, geöffnet Mittwoch bis Samstag von 14 bis 18 Uhr. Eintritt frei

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