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Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Oma Bertha (Ursula Werner) kümmert sich um Hans-Peter (Julius Weckauf) und seinen Bruder.

© Warner

Film über Hape Kerkeling: Lachen gegen den Schmerz

Caroline Link erzählt in der Familienkomödie „Der Junge muss an die frische Luft“, wie Hape Kerkeling den Tod seiner Mutter überwand.

Von Andreas Busche

In der Comedy steht selten wirklich etwas auf dem Spiel. Der Witz, der für ein großes Publikum funktioniert, dreht sich meist um Alltagssituationen, die das Publikum aus dem eigenen Leben kennt. Oder er basiert, zuletzt wieder besonders inflationär, auf Parodien von Stars, mit deren Macken man aus dem Fernsehen vertraut ist. Dieser Humor ist sicher, er hat nichts zu verlieren.

Der siebenjährige Hans-Peter, gespielt vom Newcomer Julius Weckauf, ahnt dagegen früh, das er über eine Gabe verfügt, die Menschenleben retten kann: Er bringt andere zum Lachen. Und er spielt um sein Leben – und das seiner Mutter Margret (Luise Heyer). Der Junge muss hilflos mit ansehen, wie die Mutter dem Leben entgleitet. Sie verbringt Tage im Bett, wenn der Vater wieder beruflich unterwegs ist. Oder sie sitzt apathisch am Küchentisch. Hans-Peter versteht nicht, was ihre Schwermut verursacht; die Erwachsenen sagen, dass sie operiert werden muss. Also schwört er, seine Mutter zu retten. Schon der kleinste Anflug eines Lachens ist ein Hoffnungsschimmer. Er verkleidet sich, imitiert die Erwachsenen, stolziert in Frauenkleidern durch die Küche. Vergeblich. Irgendwann kommt die Mutter nicht mehr zurück. Sie hat sich am Ende nicht mal verabschiedet.

Der Tante Emma Laden ist seine Bühne

Der Suizid der Mutter ist gewissermaßen die Urszene des Komikers Hape Kerkeling. „Manchmal denke ich, ich hätte mich mehr anstrengen müssen“, sagt Hans-Peter in Caroline Links „Der Junge muss an die frische Luft“, der auf den gleichnamigen Kindheitserinnerungen Kerkelings basiert. So wie der Opa, der nach Kriegsende über 300 Kilometer durch den Schlamm nach Hause lief, um seine geliebte Änne (Hedi Kriegeskotte) wiederzusehen. Der Tante Emma-Laden der Oma in der Arbeiterstadt Recklinghausen ist in den frühen siebziger Jahren der Dreh- und Angelpunkt im Leben Hans-Peters. Die weibliche Kundschaft liefert ihm sein frühes Comedymaterial, der Laden ist seine erste Bühne.

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Das verzweifelte Gefühl des Versagens beschleicht Links Film in seinen stilleren Momenten, aber trotz des kindlichen Traumas in seinem Zentrum ist „Der Junge muss an die frische Luft“ eine Komödie. Die Tragik entwickelt immer wieder eine Leichtigkeit, was nicht zuletzt an Weckauf liegt, ein properes Kerlchen, das einer Schachtel Kinderschokolade – das ikonische Werbegesicht der jungen Bundesrepublik – entsprungen sein könnte. Ihm scheint die Kerkelingsche Verschmitztheit im Blut zu liegen: hier ein Augenaufschlag, da ein Hüftschwung, im Wohnzimmer trällert er Roy Black. Als sich Hans-Peter zum Karneval als Prinzessin verkleidet, sorgt das allenfalls für einen kurzen Moment der Irritation. „Hans-Peter wird immer Junggeselle bleiben,“ sagt Oma Bertha (die großartige Ursula Werner) schon wissend.

Die Frauen haben im Ruhrpott das Sagen

Kerkeling hat sich schon ein paar Jahre aus dem Fernsehen zurückgezogen – die Veröffentlichung seiner Kindheitsbiografie bedeutete für ihn 2014 auch beruflich einen Einschnitt. „Der Junge muss an die frische Luft“ erinnert jetzt noch einmal daran, was ihn als Komiker von den deutschen Humornasen der Neunziger unterschied. Kerkelings Witz mag nie sonderlich speziell gewesen sein, eher skurril als böse. Aber er bediente auch nie, nicht mal in seinen großen Samstagabendshows, blöde Allgemeinplätze. Sein Humor kam immer von Herzen, grundiert in persönlichen Erfahrungen.

Hier findet auch Link das beste Material für ihren Film, der eine resolute Herzlichkeit besitzt, ohne Lokalkolorit aufdringlich auszustellen. Denn weil die Männer in der Malocherhochburg eben ständig schuften müssen, haben in „Der Junge muss an die frische Luft“ die Omas und Tanten das Sagen. Sönke Möhring als meist abwesender Vater, die Opas (Joachim Król, Rudolf Kowalski) und Onkels bekommen zwar ihre Szenen, aber Link hat in erster Linie einen weiblichen Ensemblefilm gedreht, in dem die Flamboyanz des jungen Hape aufblühen darf. Kerkeling weiß, was er den Frauen in seinem Leben zu verdanken hat. Link vermittelt ein Gefühl dieser familiären Wärme, und schreckt dabei auch nicht vor Ruhrpott-Folklore und Hanni-und-Nanni-Pferdekitsch zurück. „Das ist alles, was ich bin“, sagt der erwachsene Hape am Ende in die Kamera. Und er hat allen Grund, darauf stolz zu sein.

In 23 Berliner Kinos

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