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Wrestling der Geschlechter

© Kambli

Festivalzeit bei Unidram Potsdam: Schadenfreude, schönste Freude

Das internationale Festival Unidram Potsdam setzt am dritten Tag seiner Jubiläumsausgabe vor allem auf Oberflächen und visuelle Effekte.

Potsdam - Mit der Halbzeit bei Unidram kommt die Hoffnung, dass es so engagiert, magisch und verrückt weitergeht wie zu Beginn des 25. Jubiläumsfestivals. Doch schon „Deep“ von Daan Mathot, das laut Programm versprach, „dass hier die Tiefe ungeahnte Höhen erreicht“, hinkte unter der Latte solch hochgeschraubter Erwartungen hindurch. Was es in der surrealistischen Box, in der die Schwerkraft außer Kraft gesetzt zu sein schien, sehr wohl gab: starke visuelle Eindrücke. Aber das ist noch lange nicht alles, was Theater ausmachen kann.

In "Freude" wird gehauen, gestochen, gekämpft

In der Schweizer Tanztheaterproduktion „Freude“ von Joshua Monten, die am Donnerstag in der Waschhaus-Arena zu sehen war, machte jedenfalls der Beginn neugierig. Fünf junge Leute stehen auf der Bühne und erwarten (ihre) Gäste. Vielleicht zu einer Party, einem gemeinsamen Konzertbesuch? Sie wirken relaxt und freundlich. Dazu passt, dass kurz darauf ein Mann seinem Nachbarn einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter erteilt. Noch lachen beide und tun dies auch noch, als dieser Schlagabtausch die ganze Gruppe erfasst. Auch als die Knüffe härter werden, und sogar die Männer augenscheinlich die Zähne zusammenbeißen müssen. Und als einer der Tänzer ins Publikum steigt und auch dort jemanden boxt, landet prompt eine klatschende Hand auf seinem Hintern.

Schon immer hat es Zuschauern (Schaden-)Freude bereitet, wenn auf dem Theater gehauen, gestochen, gekämpft wurde. In „Freude“ kloppen sich die zwei Frauen und drei Männer den ganzen Abend lang, sodass es ausdauernd klatscht und kracht und manchmal nicht nur die Zähne wackeln.

Stilisierter Bühnenkampf

Und ja, es ist eine artistische Herausforderung, so aggressiv miteinander in den Dialog zu treten. Angreifen, Reagieren, Fallen sind starke körperliche Aktionen, die auf dem Theater eine spezielle Ausbildung – stilisierten Bühnenkampf – erfordern. Ähnlich wie beim Bühnenfechten geht es dabei um die Kausalität von Aktion und Reaktion und überaus kontrollierte Partnerbeziehungen. Grundlegende Elemente sind Schläge, Tritte, Sprünge und Würfe aus verschiedenen Kampfsportarten.

Dies alles beherrschen die Akteure von „Freude“ meisterhaft und es macht einige Zeit auch Spaß, ihnen dabei zuzusehen. Wenn sie sich mit zwei langen Latten verhauen oder ihre Köpfe immer wieder an Kanten stoßen oder laut auf Tischplatten krachen lassen.

Doch langsam aber sicher wird das vordergründig Effektvolle – fast wie beim Wrestling – langweilig und die sich wiederholenden Vorführungen davon, wie Schläge akustisch verstärkt oder in ihrer Wirkung vom Opfer maßlos übertrieben werden – wie der berühmt berüchtigte männliche „Eiertanz“ – ermüden zusehends. Man erhofft sich eine wenigstens klitzekleine Story, die die formvollendeten und ausgestellt theatralischen Kampfszenen irgendwie einbindet.

Femme fatale mit roten Boxerhandschuhen

Vielleicht ist ja der laszive Tisch-Tanz der Femme fatale mit den roten Boxhandschuhen und dem Glitzerrock, der effektvoll von Ravels „Bolero“ untermalt wird, der Auftakt dazu? Leider Fehlanzeige. Auch dies nur eine weitere Episode, die zwar ein gutes Bild, jedoch noch lange keine Geschichte abgibt.

Oder die Schlussszene, als alle Beteiligten, jetzt eingekleidet in Camouflage-Anzügen, um einen Tisch herum versammelt sind. Aber auch hier nur ein perfekt choreografiertes Kampfballett, das alles vorher Gezeigte noch einmal wiederholt und nur oberflächlich, rein äußerlich zusammenbindet. Und auch diesmal reagiert das Publikum in der vollbesetzten Waschhausarena – wie so oft bei Unidram – gegensätzlich: Während eine Seite lautstark jubelt, applaudiert die andere höflich.  

Astrid Priebs-Tröger

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