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Klänge und Bewegung. Tänzerin Bára Sigfúsdóttir und Trompeter Elvind Lønning verschmelzen in „Tide“ Musik und Bilder. 

© Nanna Dis

Festival „Jazzoffensive #4“ in Potsdam: Neun Konzerte und eine Party

Die vierte Ausgabe des Festivals „Jazzoffensive“ in der Schiffbauergasse überzeugte mit einer gelungenen Mischung von Swing über Blues bis Bossa Nova und dem Spagat zwischen verschiedenen Sparten. Nur der Besucherzuspruch ließ zu Wünschen übrig.

Schon zum vierten Mal präsentierten die vereinten Kulturinstitutionen der Schiffbauergasse mit „Jazzoffensive #4“ ein Festival für die unterschiedlichen Spielformen des Jazz und seiner Erben in der Gegenwart. Eine gute Idee, zumal die Darbietungen überzeugend ausgewählt waren. Alle neun Konzerte sowie die abschließende Swing-Party am Samstagabend konnten zudem zum zivilen Preis für 15 Euro besucht werden. Dass es dabei Überschneidungen gab, gehört zum Konzept. So wanderte man im Dunkeln von einem Spielort zum anderen – ziemlich vereinzelt indes, denn von einem Massenandrang konnte am Samstag nicht gesprochen werden.

Wie sehr der Jazz das 20. Jahrhundert musikalisch geprägt hat, zeigte sich dabei immer wieder. Ebenso, dass wohl nur diese Musikform den Zwängen des technischen Zeitalters etwas Spielerisches, Offenes, eine Idee von Freiheit entgegen setzen kann. Immerhin gehört die Kunst der Improvisation, die im Free Jazz kulminiert, seit jeher dazu. Auf der anderen Seite existieren schon viele Jazz-Standards, deren Codes in aller Welt erkannt werden. Klassiker aus Jazz, Blues und Bossa Nova trugen Nina Ortlepp und Luise Baumhauer mit der Band The Acoustic Friends sehr stimmungsvoll im Café des Fluxus Museums vor. Es geht eben nichts über ein lebendiges, analoges Livekonzert.

Rasantes Duett von Körpern und Klang

Innovativ und experimentell ging es in der fabrik zu, wo zwei Duos aus je einem Tänzer und Musiker eindrucksvolle Performances präsentierten. Das erste etwa halbstündige Stück "Kudoku" erweist sich als rasantes Duett von Körper- und Klang-Sprache. Aus tiefem Dunkel von Bühne und Zuschauerraum pocht und zischt es, lange bevor in einem Lichtkegel eine einzelne Person erscheint. Ob es ein Mensch oder eine von außen gesteuerte Puppe ist, weiß man nicht so genau. 

Der Tänzer Daniele Ninarello bewegt seine Armen so schnell und präzise abgezirkelt, dass aus seinen Bewegungen Flächen werden – eine großartige visuelle Täuschung. Langsam vergrößert sich der Lichtkegel, ebenso schwillt die Lautstärke der flächigen Geräusche von Saxophon und Stimme (Dan Kinzelman) an, während der Tänzer wie aufgezogen herumkreiselt, bevor er schließlich zu veritablen Klanggewittern eine Art von kontrolliertem Veitstanz präsentiert. Das rigide Ausloten der Körpermechanik reflektiert kühne Abstraktion und transzendentale Konzentration im offenen Raum. Großer Beifall für diese deutsche Erstaufführung.

Sonate mit Tänzerin und Trompeter

Ebenfalls ein Spiel zwischen Klängen und Bewegung ist das Stück „Tide“ von Bára Sigfúsdóttir (Choreografie und Tanz), doch von ganz anderem Charakter, verspielt, leichtfüßig, leise humorvoll. Zwischen der Tänzerin und dem Trompeter (Elvind Lønning, Musik) entspinnt sich eine kuriose Kommunikation aus gegenseitiger Imitation und Inspiration. Mal gibt die Tänzerin, mal die Trompete den Rhythmus vor. Er wird ebenso sichtbar in den abgehackten Bewegungen wie er akustisch in Erscheinung tritt: synchron, asynchron, mal gibt es ein Solo für jeden. Das in mehreren Sätzen wie eine Sonate aufgebaute Stück zeigt immer wieder neue Wendungen und Bilder. Hoch beweglich wie Bára Sigfúsdóttir ist, scheinen selbst ihre Füße und Hände ein Eigenleben zu führen. Zum Finale schlüpft sie in die Rolle des Trompeters und pustet mit vollen Backen. Viel Applaus für diese originelle Aufführung.

Sphärig, jazzig, rockig: Lea W. Frey

In der Reithalle trat die Berliner Sängerin und Songschreiberin Lea W. Frey auf. Sie besitzt eine markante ausdrucksvolle Stimme, mit der sie ihren Liedern prägnante Gestalt gibt. Mal tönt es sphärisch, mal jazzig, mal rockig. Angeregt von verschiedenen Genres formt sie ihren eigenen, leicht hypnotischen Musikstil jenseits von gängigen Klischees. Unterstützt wird sie von den Brüdern Peter und Bernhard Meyer an Gitarre und Bass, Andi Haberl am Schlagzeug sowie Liz Nosack am Synthesizer. Mit ihrer Vogelmaske wie in den Gemälden von Hieronymus Bosch setzt die New Yorker Musikerin ein kleines bizarres Detail. 

Tief entspannt geht es anschließend bei Black Bear Basement im Waschhaus zu. Das vierköpfige Musikkollektiv pflegt eine äußerst coole Mischung aus Jazz und Hip Hop. Über TurnTable-Rhythmen und Scratches erklingen Improvisationen an Vibraphon, Saxophon, Querflöte und Keyboard – einfach gut ist dieser spezielle Live Instrumental Hip Hop Sound. So bleibt der Wunsch, dass die Potsdamer Jazzoffensive erhalten und künftig mehr Publikum finden möge.

Babette Kaiserkern

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