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Kultur: Ein Geschenk für diese Stadt

Hasso Plattner plant eine Kunsthalle für Potsdam – Es wäre die Erfüllung eines lang gehegten Traums

Es war sehr still geworden um das Thema Kunsthalle in Potsdam. Fast schien es, als sei der Traum davon – denn nichts anderes waren die zahlreichen Gedankenspiele in den vergangenen Jahren – längst ausgeträumt. Und jetzt das! Hasso Plattner, Softwareunternehmer und einer der bedeutendsten privaten Wissenschaftsförderer in diesem Land, möchte in Potsdam eine Kunsthalle bauen lassen, in der eine eigenständige Sammlung gezeigt werden soll. In der Mitte der Stadt. Genau dort, wo jetzt noch das Hotel Mercure verloren in den Himmel ragt. Vielleicht sogar Gegenwartskunst, die hier auf historische Rekonstruktion trifft? Was für eine Vorstellung! Darüber könnte man glattweg ins Träumen geraten. Wäre da nicht diese Vorgeschichte.

Mit einer Kunstgalerie oder einer Kunsthalle, die von der Kommune verantwortet wird, hat es sich Potsdam nie leicht gemacht. Es blieb immer der Eindruck, der Stadt genüge die Kunst, die die Preußen-Könige in Auftrag gaben. Zwar gab es im Städtischen Museum, das vor über 100 Jahren eröffnet wurde, Möglichkeiten, auch moderne Kunst zu zeigen, jedoch nur in Grenzen. Geschichtliche Darstellungen hatten hier Vorrang. Doch gab es schon damals unter den Kulturleuten der ehemaligen Residenzstadt auch Galeristen, Künstler und progressive Intellektuelle, die sich gegen Preußenbeseeler und Heimatkunst wandten. Sie wirkten Anfang der 20er Jahre als Initiatoren des „Potsdamer Kunstsommers“, der in den leeren Pflanzenhallen der Sanssouci-Orangerie stattfand. Aktuelle Kunstströmungen jener Zeit wurden vorgestellt. Künstler wie Otto Mueller, Karl Hagemeister, Max Kaus oder Charles Crodel stellten aus. Natürlich konnte auch die Orangerie keine Kunsthalle ersetzen, zumal die Wintermonate sowieso den exotischen Pflanzen vorbehalten waren.

An die Einrichtung oder sogar den Neubau einer städtischen Kunstgalerie wagte niemand in den folgenden Jahren vor dem Hintergrund der komplizierten finanziellen Lage der Weltwirtschaftskrise zu denken. In der Hitler-Zeit gab es ebenfalls dafür kein Interesse und in den Jahren des Zweiten Weltkrieges musste sogar das Städtische Museum teilweise schließen. Für die meisten Künstler, die beim „Potsdamer Kunstsommer“ dabei waren, gab es selbst in den Galerien offiziell keinen Platz mehr.

Erst 1945 konnten Künstler wieder ihre Kunst präsentieren. Auch Otto Nagel, Walter Bullert oder Hans Klohss gehörten dazu. Das Kulturbundhaus in der Mangerstraße war einer der zentralen Orte für Kunstausstellungen in Potsdam, dann auch der Marstall, in dem das Städtische Museum untergebracht war. Als es in die Breite Straße unter dem Namen Potsdam-Museum zog, wurden neben den Geschichts- und Naturkundedarstellungen auch Sonderausstellungen veranstaltet. Alles auf beengtem Raum. Viele Potsdamer waren aber froh, dass sie hier neben ideologisch orientierten Kunstwerken auch Bildern und Skulpturen begegneten, die für kontroverse Gespräche innerhalb der Kunstrezeption sorgten. Beispielsweise über den Leipziger Maler Sighard Gille. Das Potsdam-Museum richtete eine Galerie der sozialistischen Kunst ein, in der Gemälde, Grafiken und Plastiken vornehmlich von Künstlern des damaligen Bezirkes Potsdam gesammelt wurden. In der neu entstandenen Staudenhofgalerie, betrieben vom Volkseigenen Betrieb Umweltgestaltung und bildende Kunst, sowie im städtischen Kulturhaus „Hans Marchwitza“ im Alten Rathaus konnten ab Ende der 70er Jahre und selbst noch nach 2000 zum Teil spannungsreiche Gegenwartskunst gezeigt werden, ebenso in den Hiller-Brandtschen-Häusern in der Breiten Straße, die das Potsdam-Museum beherbergten – jedoch in Räumen, die den Ansprüchen einer Galerie letztendlich kaum genügten. Da schaute man neidisch auf andere Städte des Landes, beispielsweise nach Frankfurt an der Oder oder nach Rostock.

Die Diskussionen, ob Potsdam eine städtische Kunsthalle haben sollte, versiegten nicht, wurden nach der Wende von 1989 sogar noch intensiver geführt. Anfang der 90er Jahre aber vertrat die Stadtverwaltung die Meinung: Keine kommunale Galerie, sie kostet Geld, die privaten reichen. Auch die Anfrage eines süddeutschen Kunstfreundes, ob Potsdam seine wertvolle Expressionisten-Sammlung aufnehme, wurde abschlägig behandelt. Grund: Fehlende Finanzen für den Umbau des vorgeschlagenen Kutschstalls, in dem heute das Haus der Preußisch-Brandenburgischen Geschichte zu Hause ist.

Mitte der 90er Jahren kam der Persius-Speicher in der Zeppelinstraße ins Gespräch. Zunächst öffnete dort eine „Landesausstellung“. Doch die Stadt hätte investieren müssen, um in dem Gebäudeensemble eine Kunsthalle einzurichten. Außerdem fehlte ein tragfähiges Konzept. Hinzu kam, dass man die Schiffbauergasse als städtischen Kulturstandort im Visier hatte. Nur dort sollte nach dem Willen der Stadt vor allem Kunst stattfinden, die kommunal gefördert werde. Und wenn dann mal wieder die Debatte aufkam um das Für und Wider einer Kunsthalle, groß und prächtig und repräsentativ, wurde auf die Schiffbauergasse verwiesen. Doch ein Ruf begleitete die Diskussion in all den Jahren immer wieder: „Die Kunsthalle gehört in die Stadtmitte!“

Anfang 2004, mit Potsdams Bewerbung um den Titel „Kulturhauptstadt Europa 2010“, wurden die Diskussionen wieder intensiver geführt. Wenn Potsdam sich um diesen Titel bemühe, brauche die Stadt selbstverständlich auch eine Kunsthalle, in der Modernes gezeigt werde, so das Argument. Es gelte, sich aus dem Schatten Sanssoucis zu lösen und zu zeigen, dass Potsdam nicht nur Schlösser habe. Mal wurde das Gebäude der Fachhochschule als möglicher Standort genannt, dann der Innenhof des Brockeschen Palais. Das Eckgebäude Hebbelstraße/Gutenbergstraße wurde damals von der Fraktion Bündnis90/Die Grünen sogar in einem Antrag in der Stadtverordnetenversammlung angeführt. Mancher sah eine Kunsthalle sogar schon an der Rückseite des Alten Rathauses. Und die ganz Mutigen bauten regelrechte Luftschlösser, wenn sie statt des wiedererrichteten Stadtschloss am Alten Markt ein futuristisches Gebäude für die Gegenwartskunst entwarfen.

Was bei all diesen Diskussionen immer wieder auffiel, war, dass man sich herrlich über die Standortfrage zu streiten wusste. Was aber nun genau in besagter Kunsthalle gezeigt und wie dieses Prunkstück finanziert werden sollte, darüber schwieg man lieber. Mit der gescheiterten Bewerbung um den Titel „Kulturhauptstadt“ verebbte auch langsam die Diskussion. Sprach man dann doch einmal von der Kunsthalle, dann eher mit ironischem Unterton. Und nun das!

Es sind nur vorsichtige Gedankenspiele, denen man sich zum jetzigen Zeitpunkt hingeben kann. Und oft genug will man sich kneifen, weil das vielleicht doch nur wieder ein Traum ist. Aber eine Kunsthalle mit eigenständiger Sammlung, vielleicht mit zeitgenössischer Kunst, direkt neben dem Stadtschloss. Das wäre ein Geschenk für diesen Standort und würde die Attraktivität der historisierten Mitte, die Attraktivität unserer Stadt in eine neue Dimension katapultieren.

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