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Ebenezer Scrooge wandelt sich in Charles Dickens „Eine Weihnachtsgeschichte“ zu einem besseren Menschen.

© Illustration: John Leech ( 1843) /promo

Dickens Weihnachtsgeschichte im Nikolaisaal: Der fröhliche Geist der Weihnacht

„Eine Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens wurde im Nikolaisaal mit dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt und Joachim Berger vom Hans Otto Theater als Sprecher höchst unterhaltsam interpretiert.

Potsdam - Wohl kein anderer Autor hat den „Geist der Weihnacht“ so trefflich beschrieben wie der englische Schriftsteller Charles Dickens. Sein „Weihnachtslied in Prosa“ erzählt von der wundersamen Bekehrung des kaltherzigen, egoistischen und geizigen Geschäftsmanns Ebenezer Scrooge zu einem guten Menschen. Diesem ebenso fantastischen wie klugen Märchen hauchten am ersten Weihnachtsfeiertag Joachim Berger als Sprecher, das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt sowie das zum Schluss lauthals singende Publikum im Nikolaisaal so viel Leben ein, dass wohl niemand unberührt nach Hause gegangen ist.

Hinter der Aufführung, die Text und Musik überaus sinnfällig miteinander verband, stand der kreative Geist von Michael Dühn. Schon der Originaltitel von Dickens ebenso herzergreifendem wie sozialkritischem Märchen „A Christmas Carol“ enthält einen Hinweis auf die Musik, die auch im Text an vielen Stellen auftaucht. „Carol“ bedeutet in der deutschen Übersetzung „Lied“ oder sogar „Weihnachtslied“. Kein Wunder, dass schon zahlreiche Musicals und Filme das Märchen mehr oder weniger gelungenen vertont haben. Doch die Idee, die fünf „Strophen“ des Textes mit Werken aus der klassischen Musik zu verbinden, ist neu. Dabei erscheint sie so naheliegend. Keine andere Kunst kann so tief in das Innere eindringen wie die Musik. 

Kettenrasseln, echte Geister und britischer Humor

Denn „das Ohr ist der Weg zum Herzen des Menschen“, wie einst die französische Schriftstellerin Madeleine de Scudéry erkannte. Und die Musik unterscheidet nicht zwischen Gut und Böse. Über die Fragen der Moral verhandelt das Wort. Und erst lange nach den nützlichen Gerüsten von Gesetzen und Vorschriften beginnt die Kraft des Erzählens, die Charles Dickens in so hohem Maß gegeben war. Wie die Musik zielte er damit in die Herzen der Menschen. In seinem „Christmas Carol“ übersetzt er die christliche Botschaft von Barmherzigkeit, Mitgefühl und Nächstenliebe in ein fantastisches Märchen, inklusive Kettenrasseln, Kirchturmglocken, echten Geistern und britischem Humor.

Ausgerechnet an Heiligabend erscheint dem Scheusal Scrooge, der Weihnachten hasst und deshalb allein zu Hause ist, sein vor sieben Jahren verstorbener Compagnon Jacob Marley und prophezeit ihm Höllenqualen, sollte er sich nicht ändern. Dreimal kommt daraufhin der Geist der Weihnacht – jeweils in neuer, fantasievoller bis makabrer Gestalt – und nimmt Scrooge mit auf eine Reise in seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Einst war er selber jung, verliebt und glücklich. Doch nachdem er sich für die „Gewinnsucht“ entschieden hatte, verließ ihn seine Verlobte, die später mit einem anderen Mann eine glückliche Familie aufzieht. 

Eine rundum gelungene Aufführung

Der Geist der Gegenwart führt Scrooge in die vielköpfige Familie seines Angestellten, wo trotz Armut und anderem Leid viel Spaß und Liebe herrschen. Die angeschauten Szenen tauen das Herz von Scrooge ganz langsam auf. Der Anblick von Tiny Tim, dem jüngsten, verkrüppelten Sohn, löst sogar Mitleid bei ihm aus. Doch erst in letzter Sekunde wird Scrooge zu einem wirklich guten, großzügigen und liebevollen Menschen bekehrt.

Von der kurzweiligen, 80-minütigen Aufführung im Nikolaisaal gibt es nur Lobendes zu berichten: die kluge Auswahl der Texte und deren wunderbare Spiegelung in ausgewählten Werken der sinfonischen Musik von Mozart, Beethoven, Mendelssohn Bartholdy, Brahms, Tschaikowsky, Rachmaninow und anderen Komponisten. Das angeregte und empfindsame Spiel des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt unter der inspirierten Leitung von Ulrich Kern.

Mit klarer Diktion und Erzählleidenschaft überzeugte der Sprecher Joachim Berger, Schauspieler des Hans Otto Theaters. Da erhellten sich Wort und Musik gegenseitig aufs Trefflichste. Der eindringlichste Moment ergab sich, als an dramaturgisch schlüssiger Stelle kurz vor Schluss das Publikum miteinbezogen wurde. Befeuert von Erzählkraft und erfüllt von der Macht der Musik landete da der Geist der Weihnacht mitten im Nikolaisaal. Aus voller Kehle sangen Groß und Klein drei der schönsten Weihnachtslieder: „Ihr Kinderlein kommet“, „Stille Nacht“ und „O du fröhliche“. Mit dieser gelungenen Darbietung machte der neue Programmdirektor des Nikolaisaals Michael Dühn den Potsdamern und Potsdamerinnen sicherlich eines der schönsten Weihnachtsgeschenke. 

Babette Kaiserkern

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