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Élodie (Beate Kurecki) und Felix (André Kudella), sind eigentlich kein Paar mehr, sondern nur noch Eltern. 

© Andreas Klaer

Deutsche Erstaufführung im Q-Hof: In der Pärchenfalle

Mit „Bärenfalle“ zeigt das Poetenpack seine erste Premiere für Erwachsene nach dem Lockdown. Das musste kein großer Wurf sein, um trotzdem zu beglücken.

Potsdam - Am Ende, nach der Verbeugung Richtung Publikum, Regie und Technik, geht auch ein Gruß von denen auf der Bühne nach oben, himmelwärts: Es ist trocken geblieben. Zwar nur zwölf Grad, aber kein Gewitter, kein Sturm, nicht mal ein Tröpfchen Regen. Dafür bekommt die erste Erwachsenen-Premiere auf der Bühne im Q-Hof, der Noch-Heimstätte des Poetenpack bis zum Umzug im September, sogar ein paar Sonnenstrahlen ab. Nicht viel, aber viel mehr als erwartet.

Dass Kunst nicht selbstverständlich ist, sondern allen möglichen Widrigkeiten abgerungen werden muss – daran hat man sich im letzten Jahr gewöhnt. Da passt es, dass sich das Wetter jetzt in die Reihe der Widrigkeiten einfügt: Wo einem nichts geschenkt wird, da sorgt auch die kleinste Gabe für Freude – weil es einfach unerhört schön ist, wenn überhaupt jemand gibt. So ähnlich verhält es sich auch mit der „Bärenfalle“.

Kein großer Wurf

Die Komödie der Kanadierin Rébecca Déraspe, eine Deutsche Erstaufführung, ist kein großer Wurf. Zumindest nicht in der deutschen Übersetzung. Die Figuren stecken auch in der Regie von Simone Kabst bis zum Hals in Klischees, und kommen nicht von ihnen los: Man sitzt vor ihnen wie vor amüsanten Abziehbildern, die einen meinen könnten, aber nicht meinen. Dafür sind sie zu eindimensional.

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Da ist das Pärchen Élodie (Beate Kurecki) und Felix (André Kudella), die eigentlich kein Paar mehr sind, sondern nur noch Eltern. Die drei Töchter haben sie aber ausnahmsweise zuhause gelassen, ein Wochenende lang soll die alte Leidenschaft wieder aufflammen. Im Landhaus im Wald, zu zweit. Sie vom Scheitel bis zur Sohle überspannte Hausfrau. Er der Geldverdiener, saturierter Psychotherapeut. Sie mit Tupperdosen, eher mit einer Flasche Wein, Preis 45 Dollar.

Zu viel Ballast für eine leichte Sommerkomödie

In die Zweisamkeit aber platzt Felix’ Bruder Sylvain (Richard Voelkel), im Fellmantel sieht er aus wie der titelgebende Bär. Statt ihn wegzuschicken, entscheidet Felix, ihn zu ignorieren – was natürlich nicht gelingt. Und noch jemand stört das Idyll: Anna (Julia Borgmeier), eine Hypochonderin im verordneten Schweige-Retreat – und zufällig Patientin von Felix. Zufällig verirrt sie sich in die Nähe seines Landeshauses und tappt in eine von Sylvain ausgelegte Bärenfalle. Das Auto hat Anna versehentlich im See versenkt. So sitzen die vier also fest.

Während Felix seine Frau aufs Klo vorschickt, weil er jetzt doch wieder Lust auf sie hat (es wird nichts draus), kommen sich Sylvain und Anna näher (daraus wird etwas). Sylvain und Anna, die scheinbar Versehrten (er Krebskrank, sie depressiv) werden am Ende gestärkt aus der Bärenfalle hervorgehen. Élodie und Felix sind als Paar aber nicht mehr zu retten.

Für eine leichte Sommerkomödie ist da deutlich zu viel Ballast (Kindheitstraumata auf allen Seiten) und zu wenig Poesie, und auch der Dialogwitz will nicht so richtig zünden. Nur ganz selten schlägt er doch Funken, und das liegt vor allem an den beiden Frauen. Julia Borgmeiers Anna und Beate Kureckis Élodie sind beide tragikomische Clowninnen, die ihr Handwerk aufs Beste verstehen. Hier scheint auch manchmal die Yasmina Reza’sche Fallhöhe durch, die diese Komödie womöglich sucht: eine gesellschaftliche Dimension, ein Abgrund, der größer ist als die einzelnen Figuren. 

Die Verzweiflung der Hausfrau Élodie zum Beispiel, die mal Architektin werden wollte und auf die Frage, was der Ehemann ihr einst auf den Grabstein schreiben wird, zu hören bekommt: „Sie war eine vorbildliche Frau und Mutter, das ist doch was.“ Folgerichtig, dass Élodie später in den Ecstasy-Rausch flüchten und mit einem Strick um den Hals herumlaufen wird, bevor sie sich nüchtern verabschiedet mit den Worten: „Ich komme wieder, wenn ich etwas zu erzählen hab.“

Poetenpack will vier Stücke zeigen

Dass diese zwischendurch durchaus wohltuend böse Komödie am Ende moralisierender daherkommt als das großartige Kinderstück „An der Arche um Acht“, das vor rund einer Woche am gleichen Ort Premiere hatte, spricht sehr für das Kinderstück. Und trotzdem: Vier Spieler:innen haben in der „Bärenfalle“ alles gegeben, sich ans Publikum verschenkt und ihre Lebenszeit mit uns geteilt. Wer wollte da wirklich meckern, im Mai 2021?

Außerdem ist diese durchwachsene „Bärenfalle“ erst der Auftakt in die Open-Air-Saison. Das Poetenpack will im „Theatersommer Sanssouci“ vom 30. Juni bis 31. Juli im Heckentheater insgesamt vier Stücke zeigen. Eröffnet wird mit der Premiere von „Ab in die Sommerfrische!“ nach Carlo Goldoni am 30. Juni. 

Die Adaption von Goldonis „Trilogie der Sommerfrische“ soll insgesamt 14 mal im historischen Heckentheater gespielt werden, Regie führt Kai O. Schubert. Nachdem im Corona-Jahr 2020 nur ein Stück gezeigt werden konnte, legt das Poetenpack 2021 noch drei aus dem Repertoire drauf: Molières Komödie „Der eingebildete Kranke“, „Eine Mittsommernachts-Sex-Komödie“ von Woody Allen und „Das Spiel von Liebe und Zufall“ von Pierre Carlet de Marivaux.

„Bärenfalle“ im Q-Hof, Lennéstraße 37, weitere Vorstellungen am 30. Mai sowie am 3., 4. und 5. Juni

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