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Hubert Globisch auf einem Passbild aus den 1940er Jahren.

© Andreas Klaer

Der Maler Hubert Globisch als Hobbyfilmer: Er war viele

Maler, Lehrer, Hobbyfilmer, aber auch NSDAP-Mitglied: Hubert Globisch vereinte viele Facetten in sich. Das Filmmuseum zeigt nun eine weitere: Filmmaterial aus dem besetzten Paris.

Potsdam - Wer war Hubert Globisch? Die einfache Antwort lautet: ein Maler und Kunstlehrer. Geboren 1914 in Potsdam, neunzig Jahre später hier gestorben. Ein Potsdamer Urgestein. Als Lehrer prägend für Generationen von Schüler:innen, auch für viele Künstler:innen wegweisend. Als Maler war Globisch ein Chronist märkischer Landschaft. Als Filmemacher ein Chronist des alten Potsdam. Das war Interessierten bereits bekannt. Dass er aber auch ein Chronist des besetzten Paris war: Das ist neu.

Ein Film, den Globisch in den 1940er Jahren in Paris drehte, wird am Sonntag erstmals im Filmmuseum gezeigt. Er läuft in der von Ralf Forster kuratierten Reihe „Brandenburgs Filmerbe entdecken", die Dokumentar- und Amateurfilmen nachspürt. Und Hubert Globisch war leidenschaftlicher Hobbyfilmer. 1939 hatte er sich eine eigene Kamera gekauft, 8mm. 

Hubert Globisch mit seiner 8mm-Kamera im Haus von Margit und Hermann Liebsch. Er filmte auch im Familienkontext viel.
Hubert Globisch mit seiner 8mm-Kamera im Haus von Margit und Hermann Liebsch. Er filmte auch im Familienkontext viel.

© Andreas Klaer

Im Dienst der Wehrmacht nach Paris

Die Kamera nahm er mit, als er im August 1942 nach Paris ging. Nicht als Tourist natürlich, sondern als Angestellter der Reichspost-Fernsehgesellschaft – im Dienst der Wehrmacht. Hubert Globisch war zeitweise nämlich auch: Besatzer. Als Fernsehen noch eine Sache für verschwindende Minderheiten war, programmierte er Unterhaltung für den „Fernsehsender Paris“. Es war der Sender, den die Nazis im besetzten Paris eingerichtet hatten. 

Gesendet wurde, zweisprachig, vom Eiffelturm. Die Büros, auch das von Hubert Globisch, befanden sich in unmittelbarer Nähe. Zielpublikum waren vor allem deutsche Soldaten in den Lazaretten. Endgeräte gab es ohnehin nur einige hundert – so wenige, dass Propagandaminister Goebbels das Fernsehen nicht für voll nahm. Radio und Print waren ihm wichtiger.

Ein Potsdamer Gemälde Hubert Globischs aus späteren Jahren: "Am Schafgraben 1".
Ein Potsdamer Gemälde Hubert Globischs aus späteren Jahren: "Am Schafgraben 1".

© Manfred Thomas

Ein Soldat mit NSDAP-Parteibuch 

Dennoch, wer dort arbeitete, trug Uniform. War sichtbar Besatzer, und im Falle Hubert Globischs auch einer mit NSDAP-Parteibuch. Das machte der Kurator und Globisch-Biograf Thomas Kumlehn vor einigen Jahren publik: Im Jahr 1939 war Hubert Globisch Mitglied der Nazi-Partei geworden – zwei Jahre, nachdem die Nazis im Zuge der Aktion „Entartete Kunst“ ihre Kunstfeindlichkeit unübersehbar demonstriert hatten. Wenige Monate, nachdem die Wehrmacht in Polen einmarschiert war. 

Warum also schloss Globisch, der beim Abitur bereits „Berufswunsch: Kunstmaler“ angab, sich dieser Partei an? Der Kunsthistoriker Andreas Hüneke fragt auch: „Wie vertrug sich sein am Potsdamer Realgymnasium durch Negativbeispiele geschulter Antimilitarismus mit der Uniform, die er trug?“

Kurator Thomas Kumlehn, der stellvertretende Vorsitzende des Potsdamer Kunstvereins, hat sich intensiv mit Hubert Globisch befasst.
Kurator Thomas Kumlehn, der stellvertretende Vorsitzende des Potsdamer Kunstvereins, hat sich intensiv mit Hubert Globisch befasst.

© Andreas Klaer

Flucht nach vorn

Fragen wie diese wird niemand mehr abschließend beantworten können. „Es gibt keinen direkten Bezug im Nachlass, der darauf hinweist, wie er seine Mitgliedschaft bewertet und warum er eingetreten ist“, sagte Biograf Kumlehn 2015. Und ergänzt heute: „Als Globisch sich nach Kriegsende in Potsdam als Bildender Künstler registriert, ist er der einzige, der neben seinen Namen schreibt: ehemaliges Mitglied der NSDAP.“ Eine Kopie der Liste kann Kumlehn vorzeigen: Sie ist sehr lang. Dass keiner der anderen Künstler:innen der Nazi-Partei angehört hatte – unwahrscheinlich. Dagegen wirkt Globischs Notiz wie eine Flucht nach vorn. 

Thomas Kumlehn glaubt, dass Hubert Globisch sehr mit der Vergangenheit, mit der eigenen Rolle haderte, auch Scham empfand. Er verweist darauf, dass Globisch bis zum Ende seines Wehrdienstes den untersten Dienstgrad behielt: ein Karrierist in Uniform jedenfalls war er nicht.

Hubert Globisch mit seiner zweiten Frau Suse Globisch-Ahlgrimm in seinem Atelier.
Hubert Globisch mit seiner zweiten Frau Suse Globisch-Ahlgrimm in seinem Atelier.

© Promo

Das Kriegsende, ein Neubeginn

Vor 1939 war er Buchhalter gewesen, ein Wunsch des Vaters. Die Berufsbezeichnung „Kunstmaler“ trug er erstmals im Mai 1945. Das Kriegsende, ein Neubeginn. Ein frühes Werk trägt den Titel „Der leere Raum“, entstanden 1946. Ein Mann im Halbdunkel auf einem Stuhl, das Gesicht von den Händen gestützt. Daneben ein anderer Stuhl, leer. Ein Bild der Ratlosigkeit, des Verlorenseins. Es stützt Kumlehns These, dass hier jemand sich und die Welt grundsätzlich befragte.

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In den 1950er Jahren galt Hubert Globisch Verfechtern des Sozialistischen Realismus als Formalist. Er habe sich „nie zum penetranten Realismus verleiten“ lassen, schreibt Hüneke. Auch in dieser Zeit der Neufindung kommt der Hobbyfilmer Globisch zum Zuge. Zwischen 1944 und1957 entstehen Aufnahmen in Potsdam, die nun ebenfalls am Sonntag im Filmmuseum gezeigt werden. 

Siebzehn Filmminuten lang altes Potsdam

Es sind siebzehn Minuten, gefilmt vor und nach der „Nacht von Potsdam“ am 14. April 1945. Das Schloss, die Garnisonkirche, der Palast Barberini. Dann brennende Giebel, die ausgebombte Nikolaikirche. Eine Frau (seine) mit Handwagen auf der Suche nach Kohlen. Im Jahr 2000 war der Film bereits im Potsdam-Museum zu sehen. Der Andrang war so groß, dass Globisch den Vortrag dreimal hielt.

Und Paris? „Sicher sind die Kunsterlebnisse seiner Pariser Zeit nicht ohne Wirkung geblieben“, schreibt Hüneke. Der Globisch, der nach Paris kam, war einer, der Caspar David Friedrich verehrte. Einer, der kurz zuvor ein Romanmanuskript verfasst hatte, dessen Ich-Erzähler es gefiel, „unmodern“ zu sein. Der Globisch, der Paris filmt, ist ein Hobbyfilmer mit Lust am Experiment. Er probiert Überblendungen aus, arbeitet mit Verlangsamung und Beschleunigung. Filmt die Champs-Èlysées, den Arc de Triomphe, Kinder, die im Jardin de Luxemburg mit Booten spielen. Hoch oben am Eiffelturm winken deutsche Soldaten fröhlich in die Kamera. 

Am 27.2. um 11 Uhr findet im Filmmuseum Potsdam eine Wiederholung der Veranstaltung am 23.1. statt.

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