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Gudrun Brüne verschlüsselte wie viele Künstler in der DDR mithilfe der Ikonografie ihre Bilder – wie bei „Judith und Holofernes“. 

© Heidi Jäger

DDR-Kunst im Museum Barberini: Die Farbe der Zeit

Noch bis 2. Februar sind im Barberini „Künstler aus der DDR“ zu sehen. Die Schau macht Appetit auf das neue Museum im Minsk.

Potsdam - Die meisten Besucher lassen die Ausstellung „Künstler aus der DDR“ links liegen. Vincent van Gogh überstrahlt mit seinen kleinen intimen Stillleben die teils wuchtige Ost-Malerei, die zwischen kollektiver Anpassung und rebellischem Eigensinn mäandert. Bis 2. Februar sind diese so unterschiedlichen Schauen noch im Museum Barberini zu sehen.

Die Werke von Künstlern aus der DDR stammen aus der hauseigenen Sammlung und werden künftig ihren Platz im Museum für zeitgenössische Kunst und Kunst aus der DDR finden, das derzeit im einstigen Terrassenrestaurant Minsk entsteht und im Herbst 2021 eröffnen soll. Die jetzige, im ganzen Haus Barberini unübersichtlich verstreute Ausstellung könnte also so etwas wie das Herzstück der künftigen Präsentation werden: Genaue Informationen, was den Besucher auf den 900 Quadratmetern im Minsk erwartet, gibt es von der Stiftung des Mäzens Hasso Plattner noch nicht.

Die Namen der bislang gesammelten Künstler sind aber durchaus ein Wegweiser. Ebenso wie die Interviews, die Museumschefin Ortrud Westheider mit einigen dieser Maler führte und die auf der Internetseite des Barberini aufgerufen werden können. Sie liefern den Hintergrundstoff, der auch DDR-ungeschulten Besuchern den Blick weitet.

"Die digitale Zeit führt zu einem Explodieren der Welt"

Da ist Gudrun Brüne, die 78-jährige „Grande Dame“ der Leipziger Schule, die mit ihrem Bild „Judith und Holofernes“ starken Frauen Tribut zollt. Gemalt hat sie dieses spannungsgeladene Werk 2007 – noch immer in der Ikonografie verhaftet. Damals, in der DDR, diente sie der Verschlüsselung, sodass dem Maler nichts Unlauteres nachgewiesen werden konnte. Bei ihr wirkt dieser Malstil bis heute nach. „Nicht alles streift man gleich ab“, sagt Brüne im Interview. Ihre Puppen, die sie zu DDR-Zeiten immer wieder auf die Leinwand setzte – gern würde man auch davon ein Bild sehen – legte sie indes ad acta. Die friedliche Revolution zeigte, dass die Menschen sich wehren können, keine Puppen sind. Auch viele andere Künstler wie Bernhard Heisig, Johannes Heisig, Arno Rink oder Werner Tübke bedienten sich gern der „Modernen Historienmalerei“. Und das DDR-Publikum war geschult im Entschlüsseln ihrer Botschaften.

Erika Stürmer-Alex: "Selbstportrait" (1981).
Erika Stürmer-Alex: "Selbstportrait" (1981).

© Heidi Jäger

Jüngere Maler wie Trak Wendisch, Jahrgang 1958, der mit seinem Bild „Seiltänzer“ von 1984 bei der großen Barberini-Ausstellung „Hinter der Maske“ 2017 für das sinnträchtige Werbeplakat sorgte, wollten keine Schutzerzählungen mehr. „Wir haben nicht die Bibel herangezogen, uns nicht hinter der Maske versteckt.“ Für ihn war der Osten die konkrete übersichtliche Zeit: die Freund-Feind-Zeit. Darauf folgte in den 90ern die große Freiheit. Doch auch diese sei vorbei. „Die digitale Zeit führt zu einem Explodieren der Welt. Das wird uns beschäftigen. Dagegen ist Ost-West pillepalle“, sagte er in dem Interview mit Ortrud Westheider.

Es braucht Ruhe zum Verstehen

Auf „Kunst aus der DDR“ kann kein Einheitsmarkenzeichen geklebt werden – das zeigt auch diese im privaten Sammlerglück gewachsene Schau. Allein zwischen Willi Sittes übermächtiger Hommage auf den behelmten sozialistischen Arbeiter, für den er sich 1984 selbst auf die Leinwand bannte, und dem starkfarbigen expressiven Selbstporträt von Erika Stürmer-Alex von 1981 liegen Welten. Nach der Wende malte die im Oderbruch lebende Künstlerin plötzlich in Grau und Schwarz-Weiß, „weil das ganze Bunte über uns hereinbrach. Ich hatte keinen Grund mehr, farbig laut zu sein“.

Um in die vielfarbigen, ganz persönlichen Stimmen hineinzuhören, bedarf es Ruhe zum Verstehenwollen – jenseits aller Klischees. Es ist immer wieder spannend, sich in die Melancholie eines Harald Metzkes oder Rolf Händlers hineinzubegeben, in den erträumten Orten von Bernhard Heisig und Wolfgang Mattheuer zu spazieren oder den Verfremdungen von Roland Nicolaus nachzuspüren. Was haben uns diese Bilder heute noch zu sagen, über das Woher, das Wohin? Die Künstler folgten nicht herdengleich dem vom Staat gewünschten Weg vom Ich zum Wir. Viele schauten über die Mauer hinweg auf die europäische Moderne, suchten ihre eigene Sprache. Und viele Werke zeigen sich in einer Frische, die eine Nähe zur heutigen Malerei aufweist, sagt Ortrud Westheider.

Der künftigen Ausstellung im Minsk ist eine klangreiche Erzählung zu wünschen, die räumlich verdichtet Brücken schlägt: mit Werken aus verschiedenen Jahrzehnten und den so unterschiedlichen Malerkreisen. 

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