zum Hauptinhalt
Albrecht Schuch als Thomas Brasch in "Lieber Thomas" von Andreas Kleinert, der an der Filmuni Dozent ist.

© Promo

Das Jüdische Filmfestival in Potsdam: Brückenschläge nach Brandenburg

Vier Spielorte, jeden Tag Präsenz in Thalia-Kino, Defa-Filme im Begleitprogramm: Das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg findet in seiner 27. Ausgabe die Nähe zu Potsdam wie nie zuvor.

Potsdam - In seinem 27. Jahr ist das Jüdische Filmfestival Berlin Brandenburg so präsent in Potsdam wie nie zuvor. Das Festival hat eine neue Programmleitung und findet erstmals täglich auch im Thalia-Kino in Babelsberg statt, sowie an acht von zehn Tagen ebenfalls im Filmmuseum Potsdam. Dazu kommen vereinzelte Veranstaltungen im Waschhaus Potsdam und in der Kolonie Alexandrowka. 

Auch inhaltlich hat das fünfköpfige Programmkollektiv, das in diesem Jahr Gründungsdirektorin Nicola Galliner abgelöst hat, Anknüpfungspunkte an die Filmstadt Potsdam gefunden. Anlässlich des 75-jährigen Gründungstages der Defa entstand die Sektion "Zeitreise": Jüdische Erfahrungen im Kalten Krieg werden anhand einer deutsch-polnischen Zeitreise untersucht. 

Defa-Filme im Rahmenprogramm

Gezeigt werden sechs Filme von den ersten Reflexionen der Shoah kurz nach Kriegsende bis zu Spielfilmen aus den 1980er-Jahren. Zu sehen ist unter anderem Corinna Harfouch in Siegfried Kühns Film „Die Schauspielerin“ von 1988 (20.8. im Filmmuseum). Weniger bekannt sein dürfte Joachim Haslers "Chronik eines Mordes" von 1964 (14.8. im Filmmuseum). Angelica Domröse spielt hierin die Jüdin Ruth, die nach dem Krieg in ihre süddeutsche Heimat zurückkehrt.

Das JFBB will die ganze Vielfältigkeit jüdischen Lebens und Alltags abbilden. Anders als zuvor gibt es kein Festivalmotto mehr. „Wir wollen Vielfalt zeigen“, sagt Bernd Buder, der Teil des neuen Programmkollektivs ist „und wenn man Vielfalt zeigt, ist man automatisch dabei, nicht nach einem Thema zu suchen – oder will sogar ein Thema zu vermeiden.“ Die insgesamt 46 Filme umfassen alle Genres, vom Actionthriller "Plan A" über die düstere Gesellschaftskomödie "Shiva Baby" und Arthouse-Melodramen wie "Painted Bird" bis zu Dokumentarfilmen wie "Displaced".

Ein Film im Dokumentarfilmwettbewerb aus Babelsberg

Letzterer ist ein weiterer Brückenschlag nach Potsdam. Die Regisseurin Sharon Ryba-Kahn promoviert an der Filmuni Babelsberg. Der Film "Displaced" (15.8. im Thalia) begleitet sie auf ihrer Annäherung an den eigenen Vater, Sohn von Shoah-Überlebenden. Der Film ist einer von acht Kandidaten für den erstmals vergebenen Dokumentarfilmpreis des Festivals. 

Mit dem Regisseur Andreas Kleinert ist auch ein Dozent der Filmuni beim Festival vertreten. In "Lieber Thomas" (14.8. im Thalia, 16.8. im Waschhaus) spielt Albrecht Schuch den jüdischen Schriftsteller Thomas Brasch, der aus der DDR flüchtete und 2001 in Berlin starb. Als einer von zehn Filmen ist "Lieber Thomas" im Rennen um den Spielfilmpreis des Festivals.

Volker Schlöndorff im Gespräch mit Shoah-Überlebendem

Eine besondere Empfehlung von Festivalkurator Bernd Buder ist "Singing in the Dark" (18.8. und 19.8. im Filmmuseum), ein Film von Max Nosseck aus dem Jahr 1956. Nossek hatte in den 1930er-Jahren vor allem Operetten inszeniert. Hier erzählt er die Geschichte des Shoah-Überlebenden Leo, der unter Gedächtnisverlust leidet. Betrunken singt er in den Bars und begeistert die Gäste mit seiner Stimme, wodurch langsam seine Erinnerungen zurückkehren. Zu sehen ist die Deutschlandpremiere der restaurierten 35mm-Fassung.

Mit Volker Schlöndorff ist ein weiterer Potsdamer im Rahmenprogramm unter der Sektion "Kino fermished" vertreten. "Zeitzeugengespräch" (18.8. im Filmmuseum) heißt der Dokumentarfilm, in dem sich Schlöndorff mit Leon "Henry" Schwarzbaum unterhält. Schwarzbaum, ein Überlebender der Konzentrationslager Auschwitz, Buchenwald und Sachsenhausen, wurde im Februar 2021 100 Jahre alt. Die Fragen, die der Regisseur ihm stellt, formulierten Auszubildende und Schüler:innen aus Brandenburg.

[Was ist los in Potsdam und Brandenburg? Die Potsdamer Neuesten Nachrichten informieren Sie direkt aus der Landeshauptstadt. Mit dem neuen Newsletter Potsdam HEUTE sind Sie besonders nah dran. Hier geht's zur kostenlosen Bestellung.]

Eine musikalische Diplomatin im Waschhaus

Im Waschhaus ist am 18.8. zudem Marc Boettchers Film "Belina - Music for Peace" zu sehen, eine weitere Empfehlung von Kurator Bernd Buder. Die Sängerin Belina, alias Lea-Nina Rodzynek, gilt als Erfinderin der Weltmusik, als Brückenbauerin zwischen den Kulturen. Trotz traumatischer Erlebnisse während der NS-Diktatur sah die Überlebende der Shoah ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland - und reiste in den 1960er-Jahren als "musikalische Diplomatin“ durch die Welt.

"The War of Raya Sinitsina" von Efim Graboy läuft am 19.8. in der Kolonie Alexandrowka: ein Dokumentarfilm über die Veteranin Raya Sinitsina, die gegen die Belagerung von Leningrad gekämpft hat. Es sollte ein Film über eine sowjetische Kriegsheldin werden, aber die Veteranin ließ sich nicht ohne Weiteres von dem jungen Regisseur führen: Die beiden trennen 62 lange Jahre Lebenserfahrung. Es ist ein Film über Freundschaft geworden.

Pläne für die Filmstadt

Künftig soll sich die Festival-Präsenz in Potsdam noch weiter intensivieren. "Es gibt in Potsdam bekanntlich auch jüdisches Leben, mit mehreren jüdischen Gemeinden", sagt Bernd Buder. "Es ist die Hauptstadt Brandenburgs und hat sehr viel Potenzial für ein Filmfestival – ein Potenzial, das noch nicht ganz ausgenutzt ist."

Jüdisches Filmfestival Berlin-Brandenburg, vom 12. bis 22. August in Berlin und Potsdam. Programm und Karten unter www.jfbb.info

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false