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Otto Wacker (stehend) war wegen der Fälschung von Vincent-Van-Gogh-Gemälden angeklagt worden.

© Leo Rosenthal, Landesarchiv Berlin

Buch über Van-Gogh-Fälschungen: Was Kunstexperten erstarren ließ

Stefan Koldehoff stellte sein Buch über Otto Wackers Van-Gogh-Fälschungen im Barberini vor.

Von Helena Davenport

Potsdam - Verbrechen, welche die Kunstwelt betreffen, haben eine ganz besondere Anziehungskraft. Halb entsetzt und halb gespannt zu erfahren, wie denn der jeweilige Kriminelle seine Tat vollbracht hat, stürzt man sich in die Details des Verbrechens. So ist aktuell der Diebstahl von Dresden in aller Munde. 

Und vor rund 100 Jahren war es der Fall des Otto Wacker: Der Mann mit abenteuerlicher Geschichte – so nannte ihn der Journalist und Kunstmarktexperte Stefan Koldehoff am Mittwochabend im Museum Barberini – brachte seit Mitte der 1920er Jahre Vincent-van-Gogh-Gemälde dubioser Herkunft in den Umlauf. 30 an der Zahl, für – den damaligen Verhältnissen entsprechend – ungeheure Summen zwischen 25 000 und 65 000 Mark.

Berlin als wichtigster Umschlagplatz für Kunst

Ort des Geschehens war Berlin. Die Stadt galt zur damaligen Zeit als der wichtigste Umschlagplatz für Kunst. London und New York hätten noch gar keine Rolle gespielt, allerdings Paris, führte Koldehoff in die Geschichte ein. Und van Gogh war schon zu jener Zeit ein großer Name, der Boom hatte mit der Jahrhundertwende begonnen. Heute würde man für die Summen, die Wacker verlange, nicht einmal mehr eine Zeichnung des Künstlers bekommen, sagte Koldehoff.

Der Kulturredakteur vom Deutschlandfunk hat dem Fall des Fälschers gemeinsam mit seiner Frau Nora Koldehoff ein Buch gewidmet, das im September erschienen ist. „Der van Gogh-Coup. Otto Wackers Aufstieg und Fall“ stellte Stefan Koldehoff am Mittwoch im mehr als gut gefüllten Auditorium des Barberinis vor. Und dabei wurde deutlich: Der Fall hat noch immer seinen Reiz, wirft auch heute noch Fragen auf und eröffnet Diskussionen.

Naturwissenschaftler deckten Fall auf

Über die Zunft des Kunstexperten beispielsweise. Wacker ließ seinerzeit das Expertentum erstarren. Letztendlich war es nämlich nicht die Expertise der Kunstkenner, sondern die von Naturwissenschaftlern, die den Fall aufdeckte. Was die Frage aufwirft: Wie viel kann man dem blanken Auge überhaupt zutrauen?

Otto Wacker sei ursprünglich Tänzer gewesen – schon da habe er mit gefakten Rezensionen versucht, auf sich aufmerksam zu machen, berichtete Koldehoff, und diese seien von keinem Geringeren als Kurt Tucholsky unterzeichnet gewesen. Im Zuge der Recherchen für sein Buch schaute der Journalist auch in der Oldenburger Tucholsky-Gesamtausgabe nach und siehe da: Tucholsky schrieb nie etwas über Wackers Tanz. 1928 fand in Berlin eine große Vincent-Van-Gogh-Ausstellung mit 92 Gemälden in der Galerie Cassirer statt, deren Inhaber zu dieser Zeit schon Walter Feilchenfeldt und Grete Ring, eine der ersten Kunsthistorikerinnen, waren.

Wacker steuerte eine Handvoll Bilder bei und den Ausstellungsmachern fiel zwar sofort auf, dass diese ganz anders aussahen, beweisen konnten sie allerdings nichts. Die Farbe sei beispielsweise augenscheinlich dünner gewesen und die neuen Bilder hätten ähnliche Motive gezeigt wie die schon bekannten, erzählte Koldehoff. Hinzu kam: Wacker hatte sich von Experten die Echtheit quasi zertifizieren lassen, von Größen wie dem belgisch-niederländischen Kunsthistoriker Jacob-Baart de la Faille.

Wacker wurde 1932 verurteilt

Bis 1931 sollte es dauern, bis die Polizei die Eröffnung des Prozesses bekannt gab. Und selbst vor Gericht ging das Hin und Her der Experten weiter. Erst Pigmentproben und Röntgenbilder gaben Aufschluss. Bei Röntgenaufnahmen der Originale war zu sehen, wie van Gogh Gemälde angelegt hatte. Man habe erkennen können, so Koldehoff, dass der Künstler sich seiner Sache sicher war, später nur minimale Änderungen vornahm. Die Röntgenbilder der Fälschungen hätten hingegen eine „Farbwüste“ gezeigt: „Man hatte Pastoses vormodelliert und mit Farbe drüber gestrichen“, erklärte Koldehoff. Am neunten Prozesstag im April 1932 wurde Wacker verurteilt, kam nach einem Jahr und sieben Monaten Haft aber auch schon wieder frei.

Täuschend echt. Der Urheber ist noch unbekannt.
Täuschend echt. Der Urheber ist noch unbekannt.

© image courtesy National Gallery of Art

Wer die Fälschungen gemalt hat, sei noch immer ein Rätsel, sagte Koldehoff. Wacker stammte aus einer Fercher Malerfamilie. Die Bilder seines Vaters Hans Wacker weisen einige Ähnlichkeiten mit den Fälschungen auf. Auch bei den Werken van Goghs, die aktuell im Barberini hängen, waren sich die Experten nicht immer über ihre Echtheit einig, und das liege auch daran, machte Koldehoff deutlich, dass Fälschungen und Originale sich stark ähneln. 

Van Goghs Experimentierfreude stellt Experten vor Rätsel

Außerdem experimentierte van Gogh, man könne also nie mit Bestimmtheit etwas sagen wie: Das hätte er nicht gemacht. „Ich würde nicht auf Ihre Zunft einprügeln“, sagte der Journalist bei einer abschließenden Diskussion mit Michael Philipp, Kurator der aktuellen Potsdamer Schau zu van Goghs Stillleben im Barberini. Dennoch halte er das Amsterdamer Van Gogh Museum für die einzige Kraft, welche die Echtheit eines van Goghs klären kann. Schließlich habe das Museum keine wirtschaftlichen Interessen und es gehe außerdem so weit, einen Meteorologen hinzuzuziehen, um mehr über die Wetterverhältnisse zu erfahren, die bei der Entstehung eines Werks herrschten. Bei diesem Satz mussten so einige im Auditorium schmunzeln.

Rund 15 Anfragen für Prüfungen erhalte das Van Gogh Museum wöchentlich. Und auch er selbst erhalte Anfragen, so Koldehoff. Auch dubiose – bei einer sei ihm gleich ein Auto angeboten worden, würde er die Echtheit eines Werks feststellen. Dabei sei ihm schon bei einem Foto des Werks aufgefallen, dass es nicht von van Gogh stammen konnte. Schließlich habe der keine einzige Arbeit mit vollem Namen signiert. Deswegen finde er aber gerade solche Ausstellungen wie die Potsdamer richtig, weil sie mit dem Mythos um einen Künstler aufräumen. Und wo kein Mythos ist, gibt es auch weniger Fälschungen.

Nora und Stefan Koldehoff: Der van Gogh-Coup. Otto Wackers Aufstieg und Fall. Nimbus, 2019, 2016 Seiten, 29,80 Euro.

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