zum Hauptinhalt
1921 zählte der Potsdamer Kunstverein so viele Mitglieder, dass er zu seinem ersten Kunstsommer in der Orangerie im Park Sanssouci einlud.

© Archiv Andreas Hüneke, Potsdam

Ausstellung in der Guten Stube: Potsdamer Kunstverein widmet sich der Geschichte seines Vorgängers

So erhielt die Moderne behutsam Einzug - Dokumente und Fotos lassen die Historie des Kunstvereins wiederaufleben.

Potsdam - Der kunstinteressierte Pfarrer Karl Röhrig von der Erlöserkirche wollte unbedingt einen Potsdamer Kunstverein gründen. Während eines festlichen Abendessens im Frühjahr 1909, an dem Künstler und Honoratioren der Residenzstadt teilnehmen, meint er: „Jetzt ist es an der Zeit und der geeignete Augenblick gekommen, unseren Plan, einen Kunstverein als Pflegestätte der Kunst in der Stadt Potsdam, wie als Heim der Potsdamer Künstler ins Leben zu rufen und damit den Grundstein zur Kunst zu legen.“ Für dieses Vorhaben gibt es zahlreiche Befürworter. So meldet man den Verein am 1. Oktober 1909 bei der Polizeidirektion an und acht Wochen später findet auch schon die erste Hauptversammlung im Hotel Stadt Königsberg in der Brauerstraße, in der Nähe des Stadtschlosses, statt. Die 86 Mitglieder wählen Pfarrer Röhrig als ersten Vorsitzenden. All das können aktuell Besucher einer Ausstellung in der Guten Stube erfahren.

Vierzig Jahre später, am 16. März 1949, teilt der Maler Carl Kayser-Eichberg auf eine Anfrage des Amtsgerichtes hin mit, dass bereits 1945 das Bestehen des Kunstvereins geendet hat. In einem Schreiben bemerkt er, dass man aufgrund einer Anordnung des Oberbürgermeisters Hans Friedrichs den Verein in die nationalsozialistische Organisation „Kraft durch Freude“ überführt hat. Im Jahr 2003 wurde deswegen ein neuer Potsdamer Kunstverein ins Leben gerufen. Als dessen Vorsitzender fungiert seitdem der Kunsthistoriker Andreas Hüneke.

Der Kunstsommer von 1921 steht bei der Schau im Zentrum

Zu den zahlreichen Aktivitäten des Vereins neben Ausstellungen und Ankäufen von Kunst sowie Vorträgen gehört auch die Aufarbeitung der Potsdamer Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Die gegenwärtige Schau in der Guten Stube, ein Ausstellungsprojekt mit zwei Teilen, wurde von Hüneke und Thomas Kumlehn kuratiert. Teil eins gibt bis zum 25. November anhand von spannenden Dokumenten zu einzelnen Jahrgängen, historischen Schriftstücken als Faksimiles und Fotografien von Künstlern Einblicke in die Historie des Vereins. Der Potsdamer Kunstsommer steht hierbei im Zentrum. Anschließend wird ab dem 29. November Malerei und Grafik von Künstlern vorgestellt, die nachweislich Mitglieder des Vereins waren oder als dessen Gäste in den regelmäßig veranstalteten Expositionen vertreten waren. Ein Mitgliederverzeichnis ist bisher nicht gefunden worden.

Ab 1910 gab es monatlich Ausstellungen in der Buch-und Kunsthandlung von Karl Heidkamp. Der Moderne gegenüber waren die damaligen Kuratoren, unter ihnen der Maler Heinrich Basedow d. A., sehr aufgeschlossen, und ließen sie in Potsdam behutsam einziehen. Doch in der erzkonservativen Residenzstadt fand diese Kunst ein sehr geteiltes Echo, von Zustimmung bis Ablehnung. Als 1911 der Verein Bilder des impressionistisch-expressionistischen Malers Lovis Corinth vorstellte, bemerkte ein Offizier empört: „In diese Schweinerei kann man ja nicht mit seinen Damen und seiner Frau gehen.“ Acht prominente Mitglieder erklärten ihren Austritt. Die anvisierte Ausstellung mit Werken von Max Slevogt wurde abgesagt.

75 Künstler mit 443 Werken

Im Jahre 1921 zählte der Verein 300 Mitglieder. Für den Oberbürgermeister und Vereinsvorsitzenden Arno Rauscher war diese große Mitstreiterzahl Ansporn, eine Ausstellungsreihe in den Gewächshäusern der Orangerie im Park Sanssouci zu veranstalten, den Potsdamer Kunstsommer. Während der ersten Präsentation, die eine Laufzeit von drei Monaten hatte, wurde deutsche Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts gezeigt. Künstler wie Karl Hagemeister, Lovis Corinth, Max Liebermann, Erich Heckel, Adolph Menzel, Karl Schmidt-Rottluff oder Ernst Barlach, auch eine Gruppe von Potsdamer Malern und Grafikern, sorgten mit ihren Werken dafür, dass die Veranstaltung über die Stadtgrenzen hinaus bekannt wurde. Noch drei weitere Ausgaben, in den Jahren 1922, 1923, und 1925, wurden vom Verein organisiert, die die Baugeschichte Potsdams, die moderne Glasmalerei und Glaskunst sowie die holländische Malerei von 1875 bis 1925 in den Fokus nahmen. Am Aufbau einer renommierten städtischen Gemäldesammlung im Leibreitstall waren auch prominente Vereinsmitglieder beteiligt. 75 Künstler mit 443 Werken, unter anderen Antoine Pesne, Daniel Chodowiecki, Carl Gustav Wegener, Karl Hagemeister, Fritz Rumpf, Max Koch, Rudolf Hengstenberg waren ab 1930 ausgestellt.

In der NS-Zeit verflachten die Ausstellungen

In der Zeit des Nationalsozialismus passten sich die Ausstellungen und Veranstaltungen des Kunstvereins der neuen Ideologie an. Oberbürgermeister Hans Friedrichs schrieb am 19. Oktober 1934 nach einem Besuch der Ausstellung zum 25. Jubiläum des Kunstvereins in den Räumen Heidkamps in einem Artikel für die Potsdamer Tageszeitung: „Was man dort sieht, ist erdnahe Kunst, Heimatkunst, fern von Experimenten und den üblen Auswüchsen, die andernorts vielfach dominierten und systematisch die Kunstfreude im deutschen Volke getötet haben.“ Ausstellungen des Vereins wurden weniger und verflachten von 1933 bis 1945 inhaltlich und künstlerisch immer mehr. Der Vorsitzende Hans Kania beschränkte sich größtenteils auf Vorträge über die Potsdamer Baugeschichte.

Am 8. Juli 1950 schloss die Vereinsregisterakte beim Amtsgericht Potsdam mit der Notiz: „Aufgelöst gemäß Kontrollratsgesetz Nr. 2 vom 10. Oktober 1945“.

Der Potsdamer Kunstverein des 20. Jahrhunderts, Teil I: Dokumentation, bis zum 25. November, samstags und sonntags von 15 bis 18 Uhr, montags von 10 bis 14 Uhr, Galerie Gute Stube in der Charlottenstraße 121

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false