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Die jüngsten Arbeiten von Stefanie Gutheil wie „Whistle blower“ zeigen Protagonisten, die etwas zu verbergen haben.

© promo

Ausstellung im Kunstraum: Stefanie Gutheil überwältigt mit Farben und Formen

Kugelgesichter, Phallussymbole und Höllenwesen – die Schau "Övre" im Potsdamer Kunstraum fasziniert.

Von Helena Davenport

Die meisten würden sie jünger schätzen, sagt Stefanie Gutheil bei einem Gang durch ihre Ausstellung „Övre“ im Kunstraum. Viel jünger sogar – obwohl sie gerade ihren vierzigsten Geburtstag gefeiert hat. Vielleicht sei dies ein Grund dafür, dass sie auf einigen ihrer Selbstporträts so jugendlich wirkt, meint sie. In dem Potsdamer Ausstellungsraum nehmen ihre Selbstporträts den ganzen vorderen Bereich ein. Der urteilende Blick der anderen spielt eine besondere Rolle in Gutheils Schau, die am Samstag eröffnet wird, genauso wie der eigene urteilende Blick. Die Berliner Künstlerin hat sich Rollenbilder zum Thema gemacht und spielt dabei auch auf Uniformierung an, sowie auf Geschlechterklischees.

Wer die Ausstellung betritt, mag zunächst von den knalligen Farben, von dem Formenreichtum, auch von den teils riesigen Formaten überwältigt werden. Vieles drängt sich gleichzeitig in den Vordergrund, will plakativ sein. Allerdings schwingt auch immer gelassener Humor mit, frei nach dem Motto: Take it easy, das Leben ist sowieso verrückt.

Eine weiße Form zieht sich durch die Ausstellung

Stefanie Gutheil hat an der Universität der Künste Berlin studiert, stellte schon mehrere Male in New York aus, auch in Helsinki oder Toronto, ihr Atelier hat sie in Kreuzberg. Dass viele sie so jung einschätzen, liege wahrscheinlich an ihrer Kleidung, ihrem Style, sagt Gutheil, die Hände dabei in den Taschen ihrer weiten dunklen Jeans vergraben, über die sie eine ebenfalls weite Jeansjacke trägt, dazu eine Wollmütze. Gutheil ist quer, weder durch und durch Frau, noch durch und durch Mann.

Ein Triptychon gleich zu Anfang zeigt die Künstlerin auf drei Selbstporträts, jedes Mal gemeinsam mit einer schlauchartigen weißen Form, die sie mal umschlingt, mal von ihr gehalten wird, und seltsamerweise gleichzeitig an ein Schlossgespenst und an einen Zugluftstopper erinnert. Ein anderes Selbstporträt zeigt die Künstlerin, während sie den weißen Schlauch – dieses Mal als Hülle – aus dem Kleiderschrank zieht, um hineinzuschlüpfen.

Voller Energie. Stefanie Gutheil.
Voller Energie. Stefanie Gutheil.

© Kunstraum

Überhaupt zieht sich die Form durch die gesamte Ausstellung. Sie ist ein Phallussymbol, mit dem sich Gutheil in bizarrer und somit scherzhafter Weise Männlichkeit aneignet, und dann wieder ein Verweis auf die Strickmasken von den Moskauer Aktivistinnen von Pussy Riot. Ebenfalls könne die Form als Verweis auf den US-amerikanischen Maler Philip Guston gelten, wie Gutheil selbst sagt. In seiner Reinform ist sie im oberen Geschoss des Kunstraums auf einem Bild von 2016 zu sehen: Getragen von schwarzen Seilen hängt sie träge herab, ohne dabei kraftlos zu wirken. Jungfräulich und glatt wirkt die Form hier, undefinierbar – wie Masse, die darauf wartet, geformt zu werden.

Stefanie Gutheil: "Vergangene Welten"
Stefanie Gutheil: "Vergangene Welten"

© H. Davenport

Zitate von anderen Künstlern kommen häufig bei Gutheil vor. Da wären zum Beispiel ausgefranste Sonnenblumen, die an Van Gogh erinnern, Picasso-Gesichter oder „Der Schrei“ von Munch, der bei Gutheil auf einer Baumgabel hängt. Auch ein Hauch Henri Matisse weht aktuell durch den Kunstraum – seine Muster hat Gutheil mit in ihre Bilder aufgenommen. Bis 2014 stellte sie diese Muster nicht mit dem Pinsel her, sondern verarbeitete sie in Form von Stoffen auf ihren Bildern, sodass sie sich allein der Haptik wegen vom Rest absetzten. Es sei schwierig gewesen, Öl und Stoff auf dem Bildgrund miteinander zu verbinden, erinnert sich die Künstlerin. Aber dieses Kämpfen mit der Materie habe ihr auch Spaß gemacht.

Es werden mehrere Phasen der Künstlerin gezeigt

Stefanie Gutheil strotzt nur so vor Energie – genauso wie ihre Bilder. Die Ausstellung macht verschiedene Phasen der Künstlerin sichtbar. Einiges erinnert noch an eine frühere Phase, in der Gutheil ihre Bilder über und über mit Fabelwesen bevölkerte, mit Höllenwesen à la Hieronymus Bosch. „Vergangene Welten“ heißt ein Bild von 2019, dass wieder skurrile Gestalten zeigt. Ein Zentaur ist dort unter anderem zu sehen, doch auf dem Pferdekörper sitzt nicht wie gewohnt ein männlicher Oberkörper, sondern ein weiblicher. Dazwischen steht eine Phase, in der sich Gutheil eigentlich immer mehr von der figürlichen Malerei trennte. Ihre Bilder wurden steriler, leerer, dafür abstrakter. Kugelige Gesichter werden im Obergeschoss des Kunstraums gezeigt, planetengleiche Fratzen, die keinerlei Raum für Beiwerk lassen, die für sich wirken, alles vereinen.

Die Künstlerin hat sich von beschränkenden Formen befreit, um jetzt wieder figürlich zu arbeiten. Um Heimlichkeit geht es bei den jüngsten Werken: Die Figuren, die Gutheil darstellt, agieren im Verborgenen oder werden gerade erwischt. Hier lassen sich Bezüge zu aktuellen gesellschaftlichen Themen herstellen. Eine Gruppe im Wald könnte eine Gruppe Geflüchteter sein, die Unterschlupf suchte, nun aber ertappt wurde. Der Schein einer Taschenlampe schlägt ihnen ins Gesicht, Kategorisierungen machen sie zu anderen Menschen.

Eröffnung am Samstag, um 19 Uhr, im Kunstraum, Ausstellung bis 15. März

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