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Das Werk "Korea-Massaker"von  Wolf Vostell ist in der der neuen Ausstellung zu sehen.

© Andreas Klaer

Ausstellung im Fluxus Museum: Echolote der Erinnerung

Das Fluxus-Museum spürt in der Sonderausstellung "Kriegskinder" den Kriegserfahrungen seiner Künstler nach.

Potsdam - Viele Künstler der Fluxusbewegung waren Kriegskinder: Mary Bauermeister, geboren 1934 in Frankfurt, Ben Patterson, geboren 1934 in Pittsburgh, Wolf Vostell, geboren 1932 in Leverkusen, die Liste ließe sich fortsetzen. Wie sehr der Krieg, in den die in den 1930er Jahren Geborenen unweigerlich hineingerieten, die einzelnen Biografien geprägt hat, ist bis heute in der Geschichts- und Kunstwissenschaft kaum thematisiert worden. Es war eine Generation „zu jung für den direkten Fronteinsatz, aber alt genug, um Hunger, Vertreibung und Bombenangriffe zu erleiden, den Verlust von Angehörigen, Trennungen und Todesangst“, wie der neue Katalog des FluxusPlus Museum formuliert.

Mit einer Neuordnung seiner Sammlung möchte das Museum FluxusPlus verstärkt auf diesen Aspekt der fluiden Kunstform hinweisen. War durch den Zweiten Weltkrieg die Welt ohnehin ins Wanken geraten, so lag es nahe, sich von überkommenen Kunstproduktionsformen zu verabschieden. „Für die Fluxus-Künstler stand die Partizipation im Vordergrund. Kunst war für sie ein Werkzeug, um die Realität zu erkennen und zu kommentieren,“ führt Philipp John aus, der für das Museum den Katalog konzipiert hat. 

Werke von Vorstell ergänzten die Sammlung

Durch hinzu gekommene Werke des auch in Berlin tätigen Künstlers Wolf Vostell konnte das Museum seine Sammlung ergänzen und so neue Schwerpunkte setzen. „Wir stimmen darin überein, dass Erinnerungen aus unserer Kindheit, Träume und Wünsche die Wahl unserer Aktionen beeinflussen. Mein dominierendes Bild aus meiner Kindheit ist der sterbende Mensch. Ich sah Flugzeugschlachten und Bomben auf die Erde fallen wie Vogelschwärme“, zitiert der Katalog den 1998 verstorbenen Künstler Wolf Vostell.

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So engagierte sich Vostell mit seiner Kunst gegen den Krieg. Eine gemalte Gouache mit aggressivem Panzerfahrzeug betitelt „Korea-Massaker“ findet sich ebenso in der Sammlung wie der Tonfilm „Desastres“ der Bezug auf die Desastres de la Guerra Radierungen des spanischen Malers Franceso Goya nimmt. Das Bild ist Teil einer Serie, die auf den Stellvertreterkrieg in Korea in den Jahren 1950 bis 1953 Bezug nimmt. Ein zähnefletschendes Panzerfahrzeug kann durch eine Figur, die daran mit Schraubenschlüsseln hantiert, nicht gestoppt werden. Immer wieder bezog sich Vostell auf die Zeit des Nationalsozialismus, sowohl in bildnerischen Werken wie auch in Performances und musikalischen Inszenierungen.

Auf vielfältige Weise nähert sich auch Mary Bauermeister dem Thema des Krieges. „Do not defend your Freedom with Poisoned Mushrooms“ ist der Titel eines dreidimensionalen, kastenförmigen Werkes, in dem Bauermeister verschiedene Lagen von Glasplatten und Zeichnungen übereinander zu einem Ganzen fügt. Biografische Ereignisse, wie den Tod ihrer Mutter, verwebt die Künstlerin mit der Metapher des Pilzes, der auf die pilzförmige Wolke nach der Explosion einer Atombombe hinweist und in Form von vielgestaltigen kreisrunden Linsen in die Glasplatten eingefügt ist. So entsteht eine ganz eigene Materialästhetik, die in ihrer Vielschichtigkeit und Fragilität kunstgeschichtlich völlig solitär dar steht. 

US-Präsident mit Hippiestirnband

Mit „No fighting on Christmas“ fertigte Bauermeister eine Zeichnungsserie, die auf Feuerpausen während der Weihnachtsfeiertage im Ersten Weltkrieg anspielt. Entstanden während der Zeit, als die Künstlerin von 1962 bis 1970 in den USA lebte, findet sich darauf auch eine Zeichnung des damaligen US-Präsidenten Lyndon B. Johnson mit Hippiestirnband in einem Baseballtrikot auf einem Motorrad.

Mary Bauermeister schuf die Zeichenserie "No fighting on Christmas".
Mary Bauermeister schuf die Zeichenserie "No fighting on Christmas".

© Andreas Klaer

Dennoch seien die Fluxus-Künstler nicht an einer unmittelbaren Beteiligung am politischen Geschehen interessiert gewesen, sagt die Kunstwissenschaftlerin Barbara Straka. „Mit anderen Worten, ich habe nie einen meiner Fluxus-Kameraden bei einem March on Washington gesehen“, zitiert Straka den Fluxus-Künstler Ben Patterson. „Die Fluxus-Werke der 'Kriegskinder' sind deshalb keine Geschichtsdokumente“, so Straka. „Vielmehr Echolote der Erinnerung, stille, reflektierte Zeugen der Zeit.“

-„Kriegskinder“, Sonderausstellung bis 12. März im Museum FluxusPlus
 

Richard Rabensaat

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