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Kommentar zum Rücktritt von Ingo Senftleben: Seine letzte Brücke

Der Rückzug des Brandenburger CDU-Chefs ist konsequent. Aber was folgt daraus für seine Partei und das Land?

In Brandenburg spielt sich eine staatspolitische Tragödie ab. Ja, es geht um nichts Geringeres als um die Frage, ob und wie dieses Bundesland in den kommenden Jahren regiert werden kann. Mit dem Wahlbeben vom vergangenen Sonntag ist Brandenburg durchgeschüttelt worden, sind die Verhältnisse kompliziert. Mit einer trotz des Sieges geschwächten SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke. Einer weiter erstarkten Rechtsaußen-AfD. Oder auch Linken und Christdemokraten, die an der Wahlurne historische Niederlagen einstecken mussten. Prompt wird seitdem in der Union mitten in den Sondierungen für eine neue Regierung jene „Schlachteplatte“ wie in früheren Zeiten serviert, als der Grabenkampf der Markenkern dieser Partei in Brandenburg war. Und nun hat Ingo Senftleben den sofortigen Rückzug von allen Spitzenämtern und aus den Sondierungen angekündigt. Aber was folgt daraus?

Er hat seine Partei verstört, überfordert, ja auch verloren

Der Rückzug Senftlebens war nach diesem Wahlergebnis und dem Beben in den eigenen Reihen unausweichlich. Er wollte die CDU zur stärksten Kraft machen, Ministerpräsident werden, hat auf volles Risiko gesetzt, seine Partei verstört, überfordert, ja auch verloren – und selbst verloren. Er hat vor der Wahl erklärt, dass er nicht mit Dietmar Woidke regieren wird... Das alles kann kein Vorsitzender irgendeiner Partei überleben, und schon gar nicht in der Brandenburger CDU. Jeder Tag, an dem dieser Machtkampf weitergegangen wäre, hätte die Gräben tiefer gemacht.

Ingo Senftleben, Spitzenkandidat der CDU für die Landtagswahl in Brandenburg, bei einer Veranstaltung zum Abschluss des Wahlkampfs mit der CDU-Bundesvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer. 
Ingo Senftleben, Spitzenkandidat der CDU für die Landtagswahl in Brandenburg, bei einer Veranstaltung zum Abschluss des Wahlkampfs mit der CDU-Bundesvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer. 

© Monika Skolimowska/dpa

Aber droht nun ein Rechtsruck der CDU in Brandenburg, wie die Grünen befürchten, ein Rückfall in Zeiten einer Saskia Ludwig? Wird Brandenburgs CDU nach dem liberalen Senftleben, der seine Partei moderner, weltoffener ausrichtete, in der Flüchtlingspolitik human blieb, gleich zur märkischen Werte-Union? Nein, jedenfalls dann nicht, wenn es die Union schafft, über die letzte Brücke zu gehen, die Senftleben mit seinem Rücktritt zu bauen versuchte – nämlich eine weitere Spaltung abzuwenden. Interims-Parteichef Michael Stübgen, der Bundestagsabgeordnete, ist landespolitisch ein unbeschriebenes Blatt, aber ein regierungserfahrener Politprofi. Mit einer seriösen Neuaufstellung in der Fraktion würde die Union regierungsfähig bleiben. Gewiss, die Union, die Senftleben in die Mitte rückte und damit nach links, wird wohl etwas konservativer werden, normaler, vielleicht altbackener. Ein Drama wäre das nicht. Und wenn die Querelen weitergehen, dann eben Rot-Rot-Grün?

Um das Land zu befrieden, sollte die Regierung die Grundstimmung repräsentieren

Niemand – außer der AfD – kann ein Interesse daran haben, dass die CDU sich weiter zerlegt, eine Not-Regierung in Brandenburg gebildet werden muss. Nach dem glasklaren Wahlergebnis hätte allein eine „Kenia“-Koalition aus SPD, CDU und Grünen eine stabile Mehrheit, nichts sonst. Um das aufgewühlte Land wieder zu befrieden, sollte die neue Regierung die Grundstimmung repräsentieren. Und die ist nach der Abwahl der rot-roten Koalition nicht rot-rot-grün. Zu der gehört, dass jeder vierte die AfD gewählt hat. Enttäuschte, die man zurückholen kann. Die Regierung soll dieses Land in den nächsten fünf Jahren voranbringen. Es geht dabei weder um volkspädagogische Missionen noch um Interessen einer Groko-gequälten SPD-Bundespartei. Mit seinem Rücktritt macht Senftleben möglich, dass „Kenia“ noch nicht gestorben ist. Im Interesse Brandenburgs.

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