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Glaubensfragen. Diskussion mit den Buchherausgebern von der Uni Potsdam und den PNN sowie Oberbürgermeister Jann Jakobs (2.v.l.).

© Manfred Thomas

Glaube in Potsdam: Grenzüberschreitungen

Wie glauben die Potsdamer? Rund 200 Gäste kamen zur Buchpremiere für „Glaube in Potsdam“, dem Glaubensatlas der Landeshauptstadt. Diskutiert wurde auch über das DDR-Erbe.

Potsdam überwindet Grenzen des Glaubens. Das ist nicht nur eine wissenschaftliche Erkenntnis – es ist offenkundig auch ein Gefühl. Ein wohltuendes, frohgemutes, das sich am Donnerstagabend auszubreiten schien im Publikum bei der Buchpräsentation „Glaube in Potsdam“. Gut 200 Gäste waren dazu in den großen Saal des Potsdam Museums am Alten Markt gekommen, unter ihnen auch Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD).

Glaube verbindet - über Konfessions- und Religionsgrenzen hinweg

Die Neugier auf die gedruckten Werke, die dort ihre Premiere erlebten, war groß – was manchen durchaus überraschte. Denn von den rund 177 000 Potsdamern bezeichnen sich immerhin gut 81 Prozent als keiner Religion zugehörig. Und dieser Anteil werde immer größer, stellte Johann Hafner, Professor für Religionswissenschaft an der Universität Potsdam, fest. Doch was für Potsdam als Stadt gilt, das galt auch für den Buchpremieren-Abend: Jene, die in Potsdam glauben, rücken immer näher zusammen – und überwinden dabei auch Grenzen der Religionen. So sei Potsdam schon jetzt ein außergewöhnlich interreligiöser Ort, sagt Hafner. Und vermutlich seien selten so viele Vertreter verschiedener Glaubensgemeinschaften an einem Ort zusammengekommen wie zu dieser Buchpremiere im Potsdam Museum.

Der Religionswissenschaftler Hafner muss es wissen. Gemeinsam mit seiner Kollegin Irene Becci – derzeit als Religionswissenschaftlerin an der Universität Lausanne, vorher in Potsdam – hat er über Jahre das religiöse Leben in Potsdam untersucht. Das Ergebnis passt nun zwischen zwei Buchdeckel, den Band I von „Glaube in Potsdam“ mit 846 Seiten.

Als „Schlaglicht auf die religiöse Landschaft in Potsdam“ bezeichnet Hafner das Ergebnis der jahrelangen Arbeit, an der mehrere Fachkollegen und viele Studierende beteiligt waren. Der entstandene Glaubensatlas für die brandenburgische Landeshauptstadt biete eine Detailschärfe in der Beschreibung, wie es sie so für noch keine andere Stadt im deutschsprachigen Raum gegeben habe. Mit dem Buch habe man die Vielfalt des religiösen Lebens in der Stadt erstmals umfassend dokumentiert, sagte Becci: „Damit haben sich die Grenzen des Sichtbaren ein Stück weit verschoben.“

Hafner: Die DDR führte zu einem "Abschmelzen der Religiosität" in historischem Ausmaß

Bei der von PNN-Wissenschaftsredakteur Jan Kixmüller moderierten Podiumsdiskussion fassten Hafner und Becci die Ergebnisse kurz zusammen. So sei nach der Untersuchung klar, dass es in Potsdam – zu DDR-Zeiten drastisch säkularisiert – nach 1990 bis heute weder den oft angenommenen „Trend zur Spiritualisierung“ gegeben habe, noch eine massive Missionierung, sagte Becci. Die Wahrnehmung, dass Potsdam sich über immer mehr Gläubige freuen könne, sei ein Trugschluss, so Hafner. Deren Zahl sinke trotz des Zuzugs; zudem nähmen viele, die in Gemeinschaften aktiv seien, nicht unbedingt am religiösen Leben teil. Mit ihrem Engagement und der Hinwendung zu den anderen Glaubensrichtungen seien sie jedoch in der Stadt besonders sichtbar.

Gläubige prägen das kulturelle und soziale Leben in der Stadt

Dass die Zahl der bekennenden Gläubigen in Potsdam so klein ist, überraschte selbst Oberbürgermeister Jakobs. Gläubige Menschen sind präsent in der Stadt, prägen auch das kulturelle und soziale Leben mit, war man sich bei der Diskussion einig. Glaubensfragen seien wieder wichtiger in der Stadt geworden, so Jakobs’ Eindruck. Nicht zuletzt angesichts der Flüchtlinge, die seit 2015 neu nach Potsdam gekommen sind, gebe es auch bei den Alteingesessenen eine Tendenz dazu, sich rückzuversichern und bewusst zu werden, an was man glaubt und welche Werte einem wichtig sind. Dies spiegelt sich auch in Band II von „Glaube in Potsdam“, der Publikation der gleichnamigen Serie der Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN), die 45 Glaubens- und Religionsgemeinschaften der Stadt und ihre Menschen porträtiert.

Großes Interesse: Die Buchpremiere im Potsdam Museum war gut besucht.
Großes Interesse: Die Buchpremiere im Potsdam Museum war gut besucht.

© Manfred Thomas

Doch auch wenn Potsdam in Sachen Religionsvielfalt und Toleranz auf eine lange Tradition zurückblicken kann, gab es für Hafner bei der Untersuchung eine überraschende Erkenntnis: Die DDR hat zwar zu einem „Abschmelzen der Religiosität“ in historischem – und auch im internationalen Vergleich einmaligem – Ausmaß geführt, die entstandene weltanschauliche Leerstelle aber offenbar nicht füllen können. Zwar sei die in der DDR forcierte Jugendweihe auch heute noch ein beliebtes Ritual. Das beschränke sich aber auf die einmalige Feierlichkeit, es gebe in der Stadt keinerlei weltanschauliche Gemeinschaft etwa des Marxismus-Leninismus.

Jakobs: In Krampnitz wird es Räume für Gläubige geben

Auf die Frage aus dem Publikum nach dem Stellenwert von Religion in der Stadtentwicklung verwies Jann Jakobs auf die laufenden Planungen für den neuen Stadtteil Krampnitz. Dabei spiele auch dieses Thema eine Rolle. „Wir werden keine Kirche bauen“, sagte er. Aber Räume zum Zusammenkommen, auch für Gläubige, werde es geben.

Damit hat „Glaube in Potsdam“ schon erste Wirkung gezeigt. Es werde spannend, was die Bücher weiterhin in Potsdam bewirken werden, sagte Wissenschaftlerin Becci. Darüber gab es im Anschluss schon rege Debatten beim Wasser, Wein und Bier im Foyer des Museums. Über Glaubensgrenzen hinweg.

Glaube in Potsdam“ ist im PNN-Shop in der Wilhelmgalerie oder im Buchhandel erhältlich.

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