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Alte Hülle  neuer Kern? Das 1990 stillgelegte Kernkraftwerk Rheinsberg  Baujahr 1960  könnte die Ideenschmiede und Werkstatt der brandenburgischen und Berliner Klimaforschung werden.

© ddp

Von Alexander Fröhlich: Neuer Forschungsreaktor

Auf dem Gelände des einstigen DDR-Atomkraftwerkes Rheinsberg könnte ein Klimaforschungszentrum für Firmen entstehen

Rheinsberg – Brandenburg will seine weltweite Rolle in der Klimaforschung weiter ausbauen. Mit einem „Innovationszentrum für Klimafolgenanpassung“ auf dem Gelände des früheren Kernkraftwerks Rheinsberg (Ostprignitz-Ruppin) sollen Unternehmen fit gemacht werden für neue Märkte und Produkte entwickelt werden, die der Klimaentwicklung gerecht werden. Bislang ist Brandenburg mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und dem neuen Spitzenforschungsinstitut für Klimawandel, Erdsystem und Nachhaltigkeit (IASS) in der Landeshauptstadt vor allem in der Wissenschaft führend. „Was fehlt ist die Anwendung“, sagt Rainer Voß von der Fachhochschule Wildau (Dahme-Spreewald). „Ein solches Zentrum wäre in Deutschland einmalig.“

Voß hat im Auftrag der bundeseigenen Energiewerke Nord GmbH, die die Atomanlagen der früheren DDR beseitigt, ein Konzept für Rheinsberg entwickelt. Bis 2012 sollen dort alle radioaktiven Reste des ersten wirtschaftlich genutzten Kernkraftwerks der DDR entfernt sein. Doch was dann mit der Fläche am Rande des Großen Stechlinsees geschieht, war bislang völlig unklar.

Bei der Landesregierung und Kommunalpolitikern stoßen die neuen Pläne auf Zustimmung. „Wenn das PIK in Potsdam die ,Software´ entwickelt, dann wird in Rheinsberg die Hardware entwickelt“, sagt der zuständige Abteilungsleiter im Umweltministerium, Günter Hälsig, – während also das PIK die Klimamodelle errechnet, sollen in Rheinsberg die passenden Produkte erdacht werden. „Wir müssen uns Anpassungsstrategien öffnen, desto eher haben wir einen Vorsprung im Wettbewerb.“

Inoffiziell heißt es, dass die einzelnen Ressortleiter im Kabinett äußerst angetan sind von der Idee, die Rede ist von Wissenschaftsministerin Johanna Wanka, Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (beide CDU) und Umweltminister Dietmar Woidke (SPD). Nach außen ist die Landesregierung zurückhaltender. Auch der PIK-Direktor Hans Joachim Schellnhuber will sich vorerst nicht äußern, obgleich der von ihm erst jüngst mitbegründete Verein „Klimaplattform“ in die Pläne eingeweiht war und diese als wichtigen Schritt begrüßt hatte. Jedenfalls soll das Vorhaben aber auf Vorschlag des Ministeriums von Johanna Wanka in die bestehenden Forschungsnetzwerke für die Klimaforschung integriert werden.

Der Grund für die Zögerlichkeit auf höchster Ebene liegt für Insider auf der Hand: Noch sind die Pläne sehr vage. Unternehmen und Wissenschaft sollen zusammengeführt, Firmen beraten, neue Produkte entwickelt und demonstriert oder Wissenstransfer organisiert werden. Eine Firma für Geothermie soll bereits Interesse an dem Standort gezeigt haben.

Voß stellt sich vor, dass Firmen dort etwa neue Baustoffe wie Dachziegel entwickeln und erproben, die den künftigen Wetterextremen angepasst sind. Oder dass an neuartigen Heiz- und Kühlsystemen für Häuser oder neuen Bewässerungsanlagen für Wälder und Landwirtschaft getüftelt wird. Obwohl das Vorhaben noch nicht ausreift ist, meint der Wissenschaftler, der in Wildau das Institut für Regionale Innovationsforschung leitet: „Wir müssen diesen Punkt, diese Lücke besetzen.“

Das hat Voß schon einmal getan: Die Idee für den Biotechnologiepark in Luckenwalde (Teltow-Fläming), wo sich internationale Unternehmen angesiedelt haben, stammt aus seiner Feder und ist eine Erfolgsgeschichte, der Landkreis wirtschaftlich inzwischen führend im Land.

Wann das Innovationszentrum in Rheinsberg kommt, weiß noch niemand. Nun versuchen Kommunalpolitik die Menschen in der Region zu überzeugen, auch die Gegner. Skeptisch ist etwa der Naturschutzbund (NABU) in Brandenburg. Dessen Landeschef Tom Kirschey betont, nach geltendem Recht müsste dort, wo das KKW stand, eine grüne Wiese entstehen, und das Areal ins Naturschutzgebiet Stechlin integriert werden.

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