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Vermummt durch die Fußgängerzone. Der Potsdamer lief am Donnerstag nahe der Synagoge durch Cottbus.

© ZDF

Vermummter Deutscher in Cottbus: Rechter Provokateur mit IS-Fahne?

Ein schwarz vermummter Deutscher spazierte durch Cottbus. Die Polizei nahm ihn zunächst nicht fest – einen Tag später gab es eine Razzia. Wollte ein Rechter Angst vor Muslimen und Terror provozieren?

Cottbus - Es war eine skurrile und beängstigende Szene: Ein 38-jähriger Mann ist am Donnerstag in einem schwarzen Gewand, mit vermummtem Gesicht und einer schwarzen Fahne mit arabischen Schriftzeichen durch die Cottbuser Innenstadt gezogen. Der erste Gedanke: Das ist die Fahne der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Doch dies auch so benennen will von offizieller Seite niemand – jedenfalls nicht die Polizei.

Der Mann, der durch Cottbus mit der Fahne ging, ist ein 38-jähriger Deutscher, ein Potsdamer, der nach PNN-Informationen bislang nicht bei der Polizei aufgefallen und vor kurzem nach Cottbus gezogen war. Wollte er nur Angst und Schrecken vor islamistischen Terroirsten verbreiten? Und aus welchem Grund? War es womöglich ein Rechter, der Hass auf den Islam und Muslime schüren will? All diese Fragen sind bislang unbeantwortet. Und dennoch gibt es Indizien.

Wie die IS-Fahne - nur spiegelverkehrt

„Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist sein Prophet“ stand auf der Fahne, wie die Polizei am Freitagabend mitteilte. Die Worte auf der Fahne werden auch von Islamisten wie der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) benutzt. Für den Innenexperten der CDU-Landtagsfraktion, Björn Lakenmacher, der jahrelang als Polizeibeamter beim Staatsschutz tätig war, ist die Sache eindeutig: „Das ist eine IS-Fahne“, sagte er den PNN am Freitag.

Nach Einschätzung von Sicherheitsexperten ist die Fahne aber nur zum Teil identisch mit der Flagge des IS. Die Fahne war falsch aufgezogen - oder sie war falsch bedruckt. Das islamische Glaubensbekenntnis war spiegelverkehrt. Dennoch sei die Symbolik klar, das Signal eindeutig, hieß es. Denn islamistische Terrororganisationen würden in der Regel das Glaubensbekenntnis in weißer Schrift auf einer schwarzen Fahne nutzen, hieß es. 

Dem ZDF sagte der Vermummte: Muslime willkommen heißen

Passanten hatten am Donnerstag die Polizei alarmiert, als der Mann auf dem Altmarkt und in der Fußgängerzone umherlief. Das ist der zentrale Ort der Stadt unweit vom Rathaus und ein beliebter Treffpunkt zum Ausgehen. Auch die Synagoge befindet sich in der Fußgängerzone. Angegriffen oder angesprochen habe er niemanden, hieß es verschiedenen Berichten zufolge.

Gleichzeitig war auch ein Kamerateam des ZDF-Landesstudios Brandenburg in der Stadt unterwegs, an dem der Mann vorbeikam. Laut ZDF sprach der 38-Jährige akzentfrei Deutsch. Und was er dem Team des Senders in seiner Kluft und mit der Fahne des islamistischen Terrorismus sagte, ist kaum nachvollziehbar. Er wolle den muslimischen Mitbürgern zeigen, dass sie willkommen seien und dass man den Islam tolerieren werde. Das ZDF fragte den Mann, ob er das ironisch meine. Seine Antwort: er meine das todernst. Es war nur ein kurzes Gespräch. 

Flüchtlinge zeigten sich irritiert von der Fahne

Was der Auftritt bewirkte, zeigte sich an der Reaktion von Flüchtlingen, die um die Szenerie - den Fahnenmann und das ZDF-Team - herumstanden.  Nach Angaben des Senders fühlten sie sich provoviziert von dem Auftritt mit der IS-Fahne und wollte wissen, was das soll. 

Der Wortwechsel mit der Journalistin Britta Hilpert, Leiterin des ZDF-Studios Brandenburg, war nur kurz. Der Mann wollte über eine Ampel. Dann stellten von Passanten alarmierte Polizeibeamte den 38-Jährigen. Sie forderten ihn auf die Vermummung abzunehmen. Nachdem seine Identität geklärt war, durfte der Mann gehen. Mehr geschah trotz der öffentlich gezeigten Fahne - die als Zeichen von in Deutschland verbotenen islamistischen Terrororganisationen zu erkennen war - zunächst nicht. Doch in den sozialen Medien verbreitete sich die Nachricht von der Aktion schnell.  

Der Mann will sich nicht gegenüber der Polizei äußern

Am Freitag dann durchsuchte die Polizei die Wohnung des 38-Jährigen. Dort fanden die Staatsschutzbeamten das schwarze Gewand und die Fahne. Über seine Motive wollte sich der Neu-Cottbuser bei der Befragung durch die Polizei nicht äußern und er bestand auf einen Anwalt. Gegen ihn wird nun wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz ermittelt.

Diese Angaben der Polizeidirektion Süd sind wiederum aufschlussreich. Denn nach dem vorläufigen Verdacht gegen den Mann hätte er Symbole eines verbotenen Vereins benutzt. Ein klarer Hinweis, dass auch der Staatsschutz in Cottbus davon ausgeht, dass es sich um eine IS-Fahne oder Fahne mit klarem Bezug zu islamistischen Terrororganisationen handelt. Offiziell wollte die Polizei davon aber nicht sprechen.

Oberbürgermeister Kelch: Stadt in Angst und Schrecken

Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) sagte: „Das ist weder ein Streich noch eine Kunstaktion, sondern schändlich und kriminell. In dieser Situation die Cottbuserinnen und Cottbuser und Gäste der Stadt derart in Angst und Schrecken zu versetzen, ist nicht hinnehmbar.“ Der Ruf der Stadt werde erneut „durch den Dreck“ gezogen.

Erst im Januar hatte es am Altmarkt und in der Fußgängerzone einen unangemeldeten Aufmarsch von 120 Neonazis gegeben. Die schwarz gekleideten und überwiegend vermummten Teilnehmer waren mit fremdenfeindlichen Parolen und Pyrotechnik als Fackeln durch die Innenstadt gezogen. Sie trugen ein meterbreites Transparent mit der Aufschrift „Verteidigt Cottbus!“. Die Beamten konnten in der Fahndung drei Männer aufgreifen, die der Polizei als rechtsextrem bekannt sind. Ermittelt wird in diesem Fall auch im Zusammenhang mit den Machenschaften der Neonazi-Fangruppe Inferno Cottbus, unter anderem auch wegen Bedrohungen und Gewalt gegen andere Fans. 

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