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Umweltschutz in der Landwirtschaft: Schulze und Klöckner stecken Kritik ein

Bundesumweltministerin Schulze und Landwirtschaftsministerin Klöckner besuchen einen Modellbetrieb im Havelland. Dort wird der Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie offensichtlich.

Es nieselt und ist kalt auf dem Ackerkräuterstreifen in Ribbeck. Keine Spur von goldener Herbsteszeit, obwohl das Gutshaus des wohltätigen Birnenbaumbesitzers nur wenige Hundert Meter von den Raps-, Mais und Staudenflächen entfernt steht. Statt Touristen steht hier am Montagnachmittag Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und hat es schwer, sich zusammenzureißen. Gerade referiert Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, über die Unvermeidbarkeit von Glyphosat. „Aber dann haben wir keine Insekten mehr!“, ruft Schulze. Neben ihr steht Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Sie hält es für eine gute Idee, die Diskussion jetzt aufzulösen und dem Bauern Peter Kaim zur nächsten Station des Rundgangs zu folgen.

Schulze befindet sich auf Feindesboden, und sie weiß das. Eigentlich sollte der Termin mit der Landwirtschaftsministerin und dem Bauernverbandspräsidenten Einigkeit signalisieren. Peter Kaims Hof ist ein Modellbetrieb im F.R.A.N.Z.Programm. Zehn Modellbetriebe probieren über zehn Jahre mit Förderung der Michael-Otto-Stiftung und des Landwirtschaftsministeriums alternative Wirtschaftsweisen aus, die Artenvielfalt sicherstellen sollen. Der Ackerkräuterstreifen ist ein Beispiel dafür: Statt Mais baut der Landwirt hier mehrjährige Stauden an. Die bringen zwar nur 60 Prozent der Biomasse im Vergleich zu Mais, laugen den Boden aber weniger aus und bieten Nahrung und Lebensraum für Vögel und Bienen. „Wenn ich hier vorbeikomme, summt es immer“, sagt er. Nur in diesem Moment regnet es leider.

Regenwetter statt Sonnenschein gibt es schon zum Empfang: An der Auffahrt von Landwirt Kaims Hof demonstriert vor Schulzes Eintreffen eine Gruppe Landwirte gegen den „Aktionsplan Insektenschutz“. Denny Tumlirsch vom Brandenburgischen Bauernverband hält mit anderen Bauern einen Trauerflor. „Das Verbot von Pflanzenschutzmitteln führt dazu, dass wir den Pflug einsetzen müssen“, sagt Tumlirsch. „Das verstärkt wiederum die Erosion.“ Laut Aktionsplan soll etwa Glyphosat nur noch bis Ende 2023 zugelassen bleiben.

Julia Klöckner ist vor Schulze da und fängt die Kritik ab. „Wir müssen aber auch fair bleiben“, sagt sie im Weggehen, „und nicht jede Sprachregelung des Bauernverbands übernehmen.“ Später, bei Zwetschgendatschi und Wurstbrot unter dem Scheunenvordach, wird sie lebhaft, verfällt ins Pfälzische. „Wir haben verteilte Rollen und wir werden nit immer glücklich sein.“ Mit den Rollen meint sie konventionelle Landwirtschaft und Umweltschützer. Das F.R.A.N.Z.-Projekt wäre eigentlich ein gutes Beispiel dafür, dass es auch zusammen geht: Die beiden Ministerinnen sind Schirmherrinnen, die Michael-Otto-Stiftung koordiniert das Projekt, der Nabu unterstützt es und das Thüner-Institut des Landwirtschaftsministeriums begleitet es wissenschaftlich. Peter Kaim baut mit der Beratung eines Landschaftspflegers verschiedene Ackerfrüchte in Wechselfruchtpflanzung an. Der Landwirt mit dem kräftigen Kiefer und der grünen Regenjacke hat Freude am Experimentieren, an den Insekten in seinem Feld, an dem schwarzen, schweren Boden, auf dem sein Mais steht. Das Projekt ist dennoch ein Testlauf, die breite Implementierung noch weit entfernt.

Bauernpräsident Rukwied fasst das Dilemma knapp zusammen: „Wir Landwirte sind auch Ökonomen.“ Seit Jahren kämpfen die Landwirte mit Dürre, Erosion und schlechten Milchpreisen, hängen von EU-Subventionen ab. Zwanzig Meter vom Rednerpult käuen schwarzweiß gefleckte Kühe wieder. Ein Liter ihrer Milch bringt Peter Kaim gerade mal 30 Cent, rechnet er vor. Julia Klöckner schüttelt ungläubig den Kopf. Das ist der Landwirtschaftsministerin neu. Die 40 Prozent Verlust bei den Stauden für die Biogasanlage bekommt Kaim aus dem Projekt ersetzt. Er hält Glyphosat in angemessenen Dosen für unproblematisch.

Die Skepsis gegen den Aktionsplan Insektenschutz, der Schulzes Handschrift trägt, spielt Klöckner in die Hände. Sie, die rheinland-pfälzische Landwirtstochter, verkauft sich hier glaubhaft. Schulze hat es da schwerer: „70 Prozent aller Insekten sind uns verlorengegangen, 50 Prozent aller Bienen auf der Roten Liste“, ruft sie, die Klöckner bis knapp über die Schulter reicht, vor den Zuschauern auf Bierbänken. Ihre Worte finden wenig Anklang. Zum Schluss versucht sie es mit dem Minimalkonsens, der auch die Treibkraft ist für das Experiment in Ribbeck: „Man sollte miteinander reden“, sagt sie mit Blick auf Julia Klöckner neben Bauer Kaim am Biertisch. „Julia und ich tun das und es wäre schön, wenn das in der Szene Schule macht.“

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