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Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung stellt Brandenburg ein schlechtes Zeugnis in der Kinderbetreuung aus. 

© Ottmar Winter PNN

Studie bemängelt Kitaversorgung in Brandenburg: „Nicht kindgerecht“

Studie der Bertelsmann-Stiftung stellt Kinderberteuung in Brandenburg schlechtes Zeugnis aus. Es arbeiten zu wenige Erzieher in märkischen Kitas.

Potsdam - Eine neue Studie erhöht den Druck zum Kitaausbau in Brandenburg, der mit der Corona-Pandemie etwas aus dem Fokus der Politik verschwunden ist. Nach dem aktuellen Länderreport „Frühkindliche Bildungssysteme 2021“, den die Bertelsmann-Stiftung am Dienstag veröffentlicht hat, werden trotz „erheblicher Verbesserungen“ seit 2013 im Land immer noch neun von zehn Kitakindern „nicht kindgerecht“ betreut, weil sich im Kern zu wenige Erzieher gleichzeitig um zu viele Kinder kümmern müssen und es an Leitungspersonal fehlt. „Am 1. März 2020 war für 90 Prozent der Kinder in amtlich erfassten Kitagruppen die Personalausstattung – gemäß wissenschaftlichen Empfehlungen – nicht kindgerecht“, heißt es in der Studie. 

Kindgerecht bedeutet eine Betreuungsperson für 7,5 ältere Kinder

Derzeit besuchen rund 100 000 Kinder im Land rund 1900 Einrichtungen. Als Voraussetzung, damit eine kindgerechte pädagogische Betreuung möglich ist, empfiehlt die Bertelsmann–Stiftung nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft bei Kleinstkindern im Krippenalter (0 bis 3 Jahre) rechnerisch einen Erzieher für drei Kinder und bei den Kitakindern (3 bis 6 Jahre) einen Erzieher für 7,5 Kinder. 

Betreuungsschlüssel in Brandenburg noch weit davon entfernt

Zwar hat die Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen voriges Jahr zum 1. August den Betreuungsschlüssel für die Kitakinder (3 bis 6 Jahre) auf einen Erzieher für zehn Kinder (vorher 1:11) erweitert, was in diesen Report noch nicht einfloss. Doch am generellen Handlungsbedarf in den Kitas ändert das nur wenig, zumal wegen der angespannten Haushaltslage aufgrund der Pandemie die von der Kenia-Koalition geplante Verbesserungen in den Krippen (Ziel 1:4 bisher 1:5) zurückgestellt worden ist. 
Die Stiftung legt diesen deutschlandweiten Report regelmäßig vor. Die Wissenschaftler halten es demnach für möglich, dass in Brandenburg bis zum Jahr 2030 „kindgerechte“ Betreuungsverhältnisse erreicht werden können. Nötig sei dafür, mehr ErzieherInnen auszubilden und einzustellen. Denn bis 2030 werden laut Studie im Land etwa 3000 pädagogische Fachkräfte in den Einrichtungen fehlen. Die Forscher empfehlen, die Zahl der Neueinstellungen um 20 Prozent zu steigern. Zitat: „Es ist zu prüfen, ob die Ausbildungskapazitäten so schnell aufgestockt und QuereinsteigerInnen gewonnen sowie pädagogisch qualifiziert werden können.“ 

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Aus der Studie geht allerdings auch der für Haushaltsdebatten riskante Befund hervor, dass sich das Problem ab Ende 2030 von selbst lösen könnte, weil die Geburtenzahlen voraussichtlich weiter sinken. Dadurch gebe es die „realistische Chance“, bis 2030 die Personalschlüssel an das durchschnittliche Niveau der westdeutschen Bundesländer anzugleichen heißt es. „Diese Chance darf nicht vertan werden.“ Daher sollte Brandenburg, so die Empfehlung, im neu geplanten Kitagesetz „eine stufenweise Verbesserung der Personalbemessung für alle Altersgruppen verankern.“ Ein Abbau des freiwerdenden Personals müsse dringend vermieden werden.

Linke fordert bessere Kitas bis 2025

Und wie reagiert Brandenburgs Politik? Aus Sicht von Linke-Oppositionsführer Sebastian Walter wäre es zu spät, erst im Jahr 2030 gute Kitabetreuungsverhältnisse im Land Brandenburg zu erreichen. Das müsse früher als 2030 der Fall sein. „Bis Mitte 2025 sollten ordentliche Kitas zu schaffen sein“, sagte Walter am Dienstag. „Kitas sollen ja auch Bildungseinrichtungen sein, keine Verwahranstalten.“ Alle Parteien seien sich schließlich einig, die Situation zu verbessern. 

Sebastian Walter, Fraktionsvorsitzender der Brandenburger Linken fordert bessere Kitas bis 2025.
Sebastian Walter, Fraktionsvorsitzender der Brandenburger Linken fordert bessere Kitas bis 2025.

© Soeren Stache/dpa

Die Koalitionsfraktionen SPD, CDU und Grüne verwiesen auf den massiven Ausbau der Kitabetreuung in den letzten Jahren und bekräftigten das Ziel, dass der Personalschlüssel in den Kitas in dieser Legislaturperiode weiter verbessert wird, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht. „Den Plan verfolgen wir weiter“, sagte etwa Grünen-Fraktionschefin Petra Budke. SPD-Fraktionschef Erik Stohn sagte, dass es bei der Verbesserung des Personalschlüssels in der Krippe auf 1:4 in dieser Legislatur bleibt. „Verschieben heißt Verschieben“, so Stohn. „Es wird nicht zum Absagen.“ 

Die Studie hält Brandenburg westdeutsche Bundesländer vor: Dem Brandenburger Wert von 90 Prozent nicht kindgerechter Kitabetreuung wird für Westdeutschland ein Wert von 68 Prozent gegenübergestellt. Stohn erinnerte daran, dass die Betreuungsquote in Ostdeutschland deutlich größer ist als in den alten Ländern, wo der Ausbau der Betreuungsplätze deutlich später begonnen habe. Schließlich würden in Brandenburg 57,67 Prozent der Null- bis Dreijährigen und 97,56 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen in Kitas betreut. Deshalb seien in den neuen Bundesländern die Gruppen „noch größer“, so Stohn.

Zugleich verwies Stohn darauf, dass die Kitaausgaben in Brandenburg – das begann mit der rot-roten Vorgängerregierung – im letzten Jahrzehnt mehr als verdoppelt worden sind. Hatte Brandenburg 2010 nur 157,9 Millionen Euro für Kitas ausgegeben, waren es 2020 rund 504 Millionen Euro. „Das Nadelöhr ist es heute, genügend qualifiziertes Personal zu finden“, sagte CDU-Fraktionschef Jan Redmann. Es müsse endlich mehr ausgebildet werden, erklärte Peter Vida von den Freien Wählern. Die Lage in Brandenburg könne auch verbessert werden könne, wenn die Benachteiligung der Tagespflege gegenüber Kitas aufhöre. 

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