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Auch in Potsdam gab es unangemeldete "Spaziergänge".

© Ottmar Winter

Straftaten bei Corona-Protesten: Wenn die Strafe nicht auf dem Fuße folgt

Brandenburgs Generalstaatsanwalt hatte schnelle Verfolgung von Taten bei Corona-Demos gefordert. In der Praxis ist das nicht immer einfach, wie ein Fall aus Rathenow zeigt.

Potsdam/Rathenow - Mehrere hundert Menschen waren nach Polizeiangaben am 10. Dezember 2021 zu der unangemeldeten Demo gegen die Corona-Maßnahmen nach Rathenow (Havelland) gekommen und zogen zunächst friedlich durch die Innenstadt. Doch als einige Teilnehmer ihren Aufzug durch weitere Straßen fortsetzen wollten, sei das Verhalten gegenüber den Beamten teils aggressiv geworden. Ein Polizist wurde verletzt. Es gab drei Strafanzeigen gegen Versammlungsteilnehmer unter anderem wegen Landfriedensbruchs und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Verbindung mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz. Die Polizei war mit knapp 150 Einsatzkräften in Rathenow unterwegs. 

Verhandlungstermin für beschleunigtes Verfahren aufgehoben 

Vier Monate nach dem Protest sollte sich eine der Teilnehmerinnen, eine 34 Jahre alte Frau, am Dienstag (5.4.) vor dem Amtsgericht Rathenow verantworten. Wegen Widerstands und tätlichen Angriffs gegen Polizeibeamte sowie öffentlicher Aufforderung zu Straftaten, wie Amtsgerichtsdirektor Ralf Weller auf Anfrage mitteilt. Doch dazu kommt es nicht. Der Termin in dem von der Staatsanwaltschaft Potsdam in die Wege geleiteten beschleunigten Verfahren wurde laut Weller aufgehoben, weil der Anwalt der Frau Akteneinsicht gefordert habe.  

Aufforderung an die Staatsanwaltschaften 

Brandenburgs Generalstaatsanwalt Andreas Behm hatte die Staatsanwaltschaften des Landes aufgefordert, Straftaten im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen die Corona-Politik nachdrücklich zu verfolgen. Dabei, hieß es, handele es sich um Straftaten wie Angriffe auf Polizeibeamte und Journalisten oder Kundgebungen vor Krankenhäusern. Einen entsprechenden Auftrag verschickte die Generalstaatsanwaltschaft Ende Dezember vergangenen Jahres an die Behördenleiter. Dabei verwies Behm auch auf die Möglichkeit beschleunigter Verfahren – „damit die Strafe auf dem Fuße folgt“, wie er sagte.  

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Doch einfach ist die Strafverfolgung offenbar nicht – zumindest nicht in Form von beschleunigten Verfahren, wie der Fall aus Rathenow zeigt. Beschleunigte Verfahren sind möglich, wenn die Beweislage einfach und seit der Tat erst kurze Zeit vergangen ist. Eine höhere Strafe als eine Freiheitsstrafe von einem Jahr darf nicht verhängt werden. 

Die Beweislage ist oft schwierig 

Insgesamt habe es bei der Staatsanwaltschaft Potsdam bisher erst zwei beschleunigte Verfahren im Zusammenhang mit Corona-Demos gegeben, sagt Leiter Wilfried Lehmann auf Anfrage. Über die Zulassung des zweiten Verfahrens habe das zuständige Gericht noch nicht entschieden. Für Vorfälle rund um den Corona-Protest seien, wie sich gezeigt habe, beschleunigte Verfahren in der Regel nicht gut geeignet – weil die Beweislage meist nicht so klar sei wie etwa bei einem Ladendieb, der noch mit dem Diebesgut in der Tasche erwischt wird. 

„Es müssen meist viele Zeugen befragt, Videos ausgewertet werden“, erläutert der Leitende Oberstaatsanwalt. Viele Verfahren richteten sich zudem gegen Unbekannt. Dank des „besonnenen und gleichzeitig deutlichen Auftretens der Polizei“ bei diesen Demonstrationen seien es bisher zumindest im Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft Potsdam Einzelfälle gewesen, die strafrechtlich verfolgt werden müssen, so Lehmann. Anders sieht es bei formalen Vergehen aus. Rund 200 Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen die Anmeldepflicht bei sogenannten Spaziergängen verzeichnete die Staatsanwaltschaft in der Landeshauptstadt. 

Der ein oder andere gewichtigere Fall im Zusammenhang mit Corona könnte auf die Brandenburger Justiz aber noch zukommen. Das Innenministerium registrierte landesweit im Vorjahr allein 50 mit der Pandemie zusammenhängende Straftaten gegen Polizeibeamte.

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