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Katharina Scheiter, neu ernannte Stiftungsprofessorin in Brandenburg.

© Sören Stache/dpa

Stiftungsprofessur an der Uni Potsdam: Expertin für Unterricht 2.0

Katharina Scheiter übernimmt eine neue Professur für Digitale Bildung an der Universität Potsdam. Wie die Expertin das Lernen und Lehren in Brandenburg modernisieren will. 

Potsdam - Katharina Scheiter nennt ein Beispiel: Wenn es darum geht, Schülern in Biologie den Vorgang der Zellteilung zu vermitteln, kann eine digitale Animation sehr hilfreich sein. Soll der Aufbau einer Körperzelle erläutert werden, reicht ein statisches Bild im gedruckten Schulbuch. „Digitale Medien machen das Lernen nicht per se einfacher oder besser“, sagt Scheiter. „Es geht darum, sie dort einzusetzen, wo sie dem jeweiligen Lernziel nutzen.“ Lehrerinnen und Lehrern in Brandenburg diese Kompetenz zu vermitteln und die erforderlichen Unterrichtsmaterialien bereitzustellen, ist künftig ihre Aufgabe. 

Die 48-jährige Bildungsexpertin wurde zum 1. Mai auf eine neu eingerichtete Professur für Digitale Bildung an der Universität Potsdam berufen, Brandenburgs einziger Hochschule zur Lehrerausbildung. Brandenburg sei das erste Bundesland, das ein Zentrum für Digitale Bildung einrichtet, betonte Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) am Montag bei der Vorstellung Scheiters in der Potsdamer Staatskanzlei. 

Die Stiftungsprofessur wird zunächst für fünf Jahre von der Potsdamer Hasso-Plattner-Foundation finanziert und ist in die Humanwissenschaftliche Fakultät der Uni eingebunden. Dort soll ein Schwerpunkt etabliert werden, der sich mit allen Aspekten der Digitalisierung im Bereich der schulischen Bildung in Forschung und Lehre befasst. Ab 2027 soll die Stiftungsprofessur als Nachfolge einer Professur für sozialwissenschaftliche Bildungsforschung verstetigt werden. 

Lehren aus der Corona-Zeit 

Dass Brandenburg diesen Weg gehe, habe mit der Corona-Pandemie zu tun, so Schüle. „Innerhalb kürzester Zeit musste auf Homeschooling umgestellt werden, was Eltern teils an den Rand dessen gebracht hat, was verkraftbar war“, sagte die Ministerin. Wie Kinder und Jugendliche digitale Medien klug als Wissensressource nutzen könnten, müssten sie erst lernen. 

Dafür wiederum müsse den Lehrern in der Ausbildung und über stetige Fortbildungen das notwendige Rüstzeug mitgegeben werden, um digitale Arbeitswerkzeuge sinnvoll im Unterricht einzusetzen. Auch nach Corona. 

Die Uni Potsdam will Lehrer fit für Mediendidaktik machen 

„Lehrerinnen und Lehrer brauchen mediendidaktische Kenntnisse und Fertigkeiten“, sagt Professor Andreas Borowski, Direktor des Zentrums für Lehrerbildung und Bildungsforschung an der Universität Potsdam. Die Uni beginne nicht bei Null. Seit 2013 seien mit Projektvorhaben wie Medienbildung in der Lehrer:innenbildung Entwicklungen vorangetrieben worden. Aber nun gehe es darum, digitale Bildung systematisch anzugehen, sodass sie in allen Fächern und allen Schulformen genutzt werden könne, erklärt Borowski, der auch Inhaber des Lehrstuhls für Didaktik der Physik ist. 

Während in Naturwissenschaften digitale Möglichkeiten im Unterricht schon ganz gut genutzt würden, gebe es in anderen Fächern mehr Lücken. Zudem sei das Wissen über digitalen Medieneinsatz bei Brandenburger Lehrern sehr heterogen. „Es ist noch deutlich Luft nach oben“, so Borowski. Die Lehramtsabsolventen, die mittlerweile die Uni verlassen, seien recht gut vorbereitet. Nicht nur, vor allem aber bei Pädagogen, die nicht zu den Digital Natives gehörten und nicht mit Tablets und sozialen Medien aufgewachsen seien, gebe es allerdings Berührungsängste. 

Auch Kompetenz bei der Mediennutzung zu Hause soll Kindern vermittelt werden 

Diese Ängste will Katharina Scheiter abbauen. „Das Berufsbild des Lehrers hat sich gewandelt“, sagt sie. Lehrer müssten befähigt werden, digitale Medien auszuwählen und sinnvoll im Unterricht einzusetzen. „Dazu benötigen wir didaktisch und fachlich hochwertige digitale Lehr-Lernmaterialien.“ Aber nicht nur das: Lehrer sollen Kinder auch darauf vorbereiten, außerhalb der Schule digitale Medien kompetent und kritisch zu nutzen. 

Scheiters Kenntnisse fließen in Lehrmaterialen ein 

Katharina Scheiter, die den neuen Forschungsschwerpunkt an der Potsdamer Uni aufbauen soll, ist, wie Ministerin Schüle betont, eine international renommierte Expertin auf dem Gebiet. Die Psychologin wurde für die Professur unter drei Kandidaten ausgewählt. Sie studierte in ihrer Geburtsstadt Göttingen, promovierte 2003 an der Universität Tübingen und wurde dort auch habilitiert – mit einer Arbeit zum multimedialen Lernen. 

Als Professorin für Empirische Lehr-Lernforschung leitete sie zuletzt eine Arbeitsgruppe am Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen und untersuchte kognitionspsychologische Grundlagen des Lernens sowie Maßnahmen zur Unterstützung entsprechender Lernprozesse. Ergebnisse dieser Forschung fließen in die Gestaltung digitaler Schulbücher und tabletbasierter Anwendungen für den Bildungsbereich ein. 

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Bei der technischen Ausstattung hapert es

Doch nützt die beste digitale Lehr- und Lernstrategie nichts, wenn die Schulen technisch nicht gut ausgestattet sind. Nicht nur an digitalen Endgeräten mangelt es – trotz des Digitalpakets des Bundes. „Momentan reicht die Bandbreite in Brandenburg nicht aus, damit eine ganze Klasse streamen könnte“, sagt Andreas Borowski. 

Das föderale Bildungssystem in Deutschland verkompliziere den Prozess, sagt Christoph Meinel, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Direktor des Hasso-Plattner-Instituts (HPI). „Andere Staaten schaffen das mit ihrer Struktur besser.“ Oft genannt wird nun die Ukraine, die ein zentrales Bildungssystem hat. Geflüchtete Kinder und Jugendliche nehmen teils online am Unterricht in ihrem Heimatland teil, digitale Lernmaterialien stehen dort längst flächendeckend zur Verfügung. 

Das HPI hat die Brandenburger Schulcloud entwickelt, eine Plattform, auf der Lehrer und Schüler Aufgaben und Lernmaterialien miteinander teilen können. Stand Dezember 2021 nutzten 695 von 923 Brandenburger öffentlichen und privaten Schulen das System. Auch andere Bundesländer wie Thüringen und Niedersachsen setzen auf die Potsdamer Entwicklung. „Corona hat geholfen zu sehen, dass wir gemeinsam an digitalen Lösungen arbeiten müssen“, so Meinel. Die dafür notwendige Infrastruktur müsse geschaffen werden, und zwar auf Bundesebene, fordert er. Denn erst dann kann Scheiters Expertise auch in vollem Umfang im Klassenzimmer zum Einsatz kommen. 

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