zum Hauptinhalt
Viele Lehrer gehen in den kommenden Jahren in den Ruhestand, zu wenig junge kommen nach.

© Julian Strate/dpa

Schulen in Brandenburg: Jeder fünfte Lehrer ist ein Seiteneinsteiger

Durch die Verbeamtung in Berlin fürchtet die Gewerkschaft GEW eine massive Verschärfung des Pädagogenmangels in Brandenburg.

Potsdam - Der Lehrermangel in Brandenburg wird sich nach Einschätzung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ab nächstem Schuljahr weiter extrem verschärfen. Durch steigende Schülerzahlen und die Aufnahme geflüchteter Kinder aus der Ukraine steige der Pädagogenbedarf, prognostizierte GEW-Landeschef Günther Fuchs am Dienstag in Potsdam. 

Gleichzeitig nehme der Konkurrenzkampf um qualifizierte Lehrkräfte zu, da Berlin diese künftig wieder verbeamtet. „Durch die neue Situation in Berlin nimmt die Dynamik und die Brisanz der Lage in Brandenburg zu“, so Fuchs. Zumal in der Mark in den kommenden zehn Jahre etwa die Hälfte der Lehrkräfte das Ruhestandsalter erreiche. 

Er schätze, „dass bislang jede dritte Stelle, die wir in Brandenburg besetzen, etwas mit Berlin zu tun hat“. Bislang waren vor allem die berlinnahen Regionen für Lehrer aus der Hauptstadt attraktiv, da Brandenburg Lehrer verbeamtet, Berlin tat das rund 20 Jahre lang nicht mehr. Ab Schuljahresbeginn 2022/23 sollen in Berlin nicht nur neue Lehrer verbeamtet werden, auch tarifbeschäftigten Lehrkräften aus anderen Bundesländern werden nun in ein Beamtenverhältnis übernommen. 

Nicht jeder Antrag auf Bundeslandwechsel wird genehmigt 

"Dass sich die Anzahl an Anträgen wechselwilliger verbeamteter Lehrkräfte nach Berlin erhöht, lässt sich nicht ausschließen", sagt die Sprecherin von Bildungsministerin Britta Ernst (SPD), Ulrike Grönefeld. Die staatlichen Schulämter würden entsprechende Versetzungsanträge sorgfältig prüfen und gegebenenfalls aus Bedarfsgründen auch ablehnen. Oftmals würden sogar Wechsel in andere Bundesländern ausschließlich vom Vorhandensein von „Tauschpartnern“ abhängig gemacht. 

Zum 1. August 2022 seien 48 Anträge auf Versetzung nach Brandenburg aus anderen Bundesländern gestellt worden, davon wurden 31 genehmigt. Gleichzeitig wollten 38 Lehrer Brandenburg verlassen, 25 wurde das gewährt. 

Laut GEW sind für das kommende Schuljahr noch bis zu 600 Stellen unbesetzt 

Für das am 21. August beginnende neue Schuljahr seien nach einer GEW-Abfrage in Brandenburg 500 bis 600 Stellen noch unbesetzt. Schon im aktuellen Schuljahr hätte für bis zu 500 unbefristet ausgeschriebene Stellen nur zeitweise Personal gefunden werden können, überwiegend Seiteneinsteigern ohne Lehramtsstudium. 

20 Prozent aller rund 24.100 Lehrer im Land seien Seiteneinsteiger, das heißt jede fünfte Stelle ist laut Fuchs mit einem Pädagogen besetzt, der aus einem anderen Beruf kommt. Vertretungen von Lehrkräften, die wegen Krankheit oder Elternzeit ausfallen, würden zu 60 Prozent von Quereinsteigern übernommen. 

Der Bedarf hängt von der Schulform und der Region ab 

Besonders groß sei der Lehrermangel in Grundschulen, Oberschulen und Förderschulen. Bei Letztgenannten liege der Anteil der Seiteneinsteiger schon bei über 33 Prozent. „In manchen Regionen und Schulen besteht mehr als die Hälfte des Lehrerkollegiums aus Quereinsteigern“, so Fuchs. Besonders angespannt sei die Lage im Norden und Süden Brandenburgs sowie in Teltow-Fläming. 

Das Bildungsministerium gehe derzeit von einem Bedarf an 1200 zusätzlichen Lehrkräften für 2022/23 aus – er rechne mit bis zu 1800 benötigten Lehrer:innen, sagte Fuchs. Er begründet dies mit volleren Klassen – die Zahl der schulpflichtigen Kinder steige seiner Prognose nach um 4000. Aktuell lernen in Brandenburg 298.000 Schüler:innen. In den vergangenen Wochen kamen nach laut Bildungsministerium vom Montag zudem rund 3070 ukrainische Kinder hinzu, die in Brandenburger Schulen unterrichtet werden. 

Weitere Kinder aus der Ukraine erwartet 

Es sei damit zu rechnen, dass diese Schüler längerfristig bleiben und weitere dazukommen, so Fuchs. Auf Wartelisten für die Schulaufnahmen stünden derzeit bis zu 800 geflüchtete Kinder und Jugendliche. „Diese vom Krieg traumatisierten Kinder brauchen psychologische Begleitung“, so der GEW-Chef. Doch aktuell sei in Brandenburg rechnerisch ein Schulpsychologe für 11.000 Schüler zuständig. Der Bundesschnitt liege bei 1:4900.  

Verbeamtung für Seiteneinsteiger 

Um den Lehrerberuf attraktiver zu machen, hatten sich GEW und Ministerium Anfang der Woche auf Maßnahmen geeinigt. Alle Lehrkräfte mit einschlägigem Studium sollen bis spätestens 2024/25 in den höheren Dienst eingruppiert werden. Das bedeutet zum Beispiel für Grundschullehrer eine Besserstellung. Zudem soll Seiteneinsteigern mit Bachelorabschluss verbeamtet werden können. 

[Was ist los in Potsdam und Brandenburg? Die Potsdamer Neuesten Nachrichten informieren Sie direkt aus der Landeshauptstadt. Mit dem Newsletter Potsdam HEUTE sind Sie besonders nah dran. Hier geht's zur kostenlosen Bestellung.]  

Das sei zu begrüßen, löse aber nicht das Probleme, sagte die Bildungspolitikerin der oppositionellen Linksfraktion, Katrin Dannenberg. Sie gehe davon aus, dass künftig die größte Gruppe der Seiteneinsteiger solche mit einer Berufsausbildung sein werden. Auch diese benötigten Aufstiegschancen, „denn auch sie retten viele Schulen mit ihrer Arbeit“.  

Nach Angaben des Ministerium sind in öffentlichen Schulen in Brandenburg aktuell rund 1530 Seiteneinsteiger ohne Hochschulabschluss tätig, zum Teil sind unter ihnen seit vielen Jahren tätige Lehrkräfte mit DDR-Ausbildung und Fachkräfte an Förderschulen. Rund 260 Seiteneinsteiger an öffentlichen Schulen hätten einen Bachelorabschluss.

Zur Startseite